[E-rundbrief] Info 579 - Avnery - Auf-Ruestung in Nahost
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Aug 22 22:14:28 CEST 2007
E-Rundbrief - Info 579 - Uri Avnery (Israel):
Weiße Elefanten. (Auf-Rüstungsgeschäfte zwischen
USA, Israel, Saudi Arabien und anderen Nahoststaaten.)
Bad Ischl, 22.8.2007
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Weiße Elefanten
Uri Avnery
4.8.2007
DER KÖNIG von Siam wusste, wie er sich gegenüber
einem internen Feind zu verhalten hat, er würde
ihm einen weißen Elefanten schenken.
Weiße Elefanten sind in der Natur sehr selten und
darum heilig. Heilig sein bedeutet, dass sie
nicht zur Arbeit benützt werden durften. Aber
selbst ein heiliger Elefant braucht Nahrung, und
zwar ziemlich viel. Genug, um aus einem reichen Mann einen armen zu machen.
Mein verstorbener Freund General Matti Peled, der
einmal der Quartiermeistergeneral der Armee war,
wies auf die Ähnlichkeit zwischen diesen
Elefanten und vielen der Geschenke, die wir vom US-Präsidenten bekommen, hin.
Nach den Bedingungen der militärischen
Subventionen muss der größte Teil davon in den
USA ausgegeben werden. Nehmen wir mal an, dass
Israel Merkava-Panzer braucht, die in Israel
hergestellt werden. Oder Anti-Raketen-Systeme,
die auch in Israel hergestellt werden. Statt
diese in Israel zu erwerben, kauft die
israelische Armee amerikanische Flugzeuge, die es nicht benötigt.
Ein Flugzeug, das sich auf dem neuesten Stand der
Technik befindet, ist ein ungeheuer teures
Objekt. Wir erhalten es zwar quasi für nichts.
Aber wie der weiße Elefant benötigt das Flugzeug
eine teure Wartung. Es benötigt Piloten, deren
Training allein schon ein Vermögen kostet. Es
benötigt Flugfelder. All diese Ausgaben zusammen
sind schon viel mehr als der Preis des Flugzeugs selbst.
Aber welche Armee kann solch ein wunderbares Geschenk zurückweisen?
DER NAHE OSTEN wird nun von einer Herde weißer Elefanten überrannt.
In dieser Woche wurde bekannt, dass Präsident
Bush dabei ist, Saudi Arabien mit großen Mengen
neuester Waffen zu versorgen. Der Preis liegt bei
20 Milliarden ( 20.000.000.000) Dollar.
Offenbar werden die Waffen zur Stärkung gegen den
Großen Satan, den Iran, benötigt. In den Augen
der Saudis ist dies jetzt die große Gefahr.
Wie kam es dazu? Jahrhunderte lang war der Irak
wie eine Mauer zwischen dem schiitisch-persischen
Iran und dem sunnitisch-arabischen Nahen Osten.
Als Präsident Bush das sunnitische Regime im Irak
stürzte, wurde die ganze Region für die
schiitische Macht geöffnet. Im Irak selbst wurde
eine schiitische Regierung errichtet, und die
schiitischen Milizen machen, was sie wollen. Der
Machteinfluss der schiitischen Hisbollah im
Libanon wächst. Und der Iran streckt seine langen
Arme nach allen Schiiten in der Region aus.
In seiner unendlichen Weisheit hat Allah darauf
geachtet, dass fast alle nahöstlichen
Erdöl-Reserven sich in schiitischen Gebieten
befinden: im Iran, im Süden des Irak und den
schiitischen Regionen von Saudi Arabien und den
Emiraten am Persischen Golf. Wenn diese Reserven
nun aus der US-Kontrolle fallen, wird es eine
drastische Veränderung im Gleichgewicht der
Mächte geben nicht nur in der Region, sondern in der ganzen Welt.
Deshalb hat die Stärkung Saudi Arabiens, das von
konservativen Sunniten beherrscht wird, vom
amerikanischen Standpunkt aus eine große
Bedeutung. Doch der Waffenhandel ist in diesem
Zusammenhang ziemlich irrelevant.
Die Saudis brauchen keine Waffen. Sie haben ein
Instrument, das viel effektiver als irgend eine
Anzahl von Flugzeugen und Panzern ist: sie haben
einen unerschöpflichen Vorrat an Dollars. Sie
benutzen diese, um Freunde zu finanzieren,
Einfluss zu erlangen und Führer zu bestechen.
Auf der anderen Seite ist Saudi Arabien unfähig,
die Waffen, die es erhält, entsprechend zu
pflegen. Es hat nicht genügend Piloten für die
Flugzeuge, die es kauft, noch
Wartungsmannschaften für die Panzer. Die neuen
Waffen werden in der Wüste verrotten, wie all die
teuren Waffen, die es in der Vergangenheit gekauft hat.
Welchen Sinn hat es also, noch mehr Waffen zum
Preis von 20 Milliarden zu kaufen?
Nun, die Saudis verkaufen Öl an die Amerikaner.
Eine Menge Öl, eine Menge Dollars. Die
Vereinigten Staaten, die eine riesige Kluft in
ihrer Handelsbilanz haben, können es sich nicht
leisten, diese Milliarden zu verlieren. Um es
also für die US möglich zu machen, solch eine
Belastung zu tragen, müssen die Saudis wenigstens
einen Teil des Geldes zurückgeben. Nur wie? Ganz
einfach: sie kaufen amerikanische Waffen, die sie nicht brauchen.
Dies ist wie ein Karussell, das allen zu gute
kommt. Besonders den saudischen Prinzen. Saudi
Arabien hat davon eine ganze Menge etwa 9000
(neun tausend) Prinzen, die alle dem Haus der
Saud angehören. Ein Prinz hat eine Menge Frauen.
Jede Frau hat eine Menge Sprösslinge. Einige von
ihnen sind Waffenhändler, die automatisch üppige
Kommissionen aus den Waffen-Milliarden
einstreichen. (Man kann es leicht ausrechnen: ein
Prozent von 20 Milliarden ergeben allein schon
200 Millionen. Und sie würden über die Kommissionen von 1% lachen).
Die Prinzen haben deshalb an diesem bequemen Zustand ein natürliches Interesse
HIER NUN kommt Israel in die Szene.
Jeder vom Weißen Haus veranlasste Waffenhandel
braucht die Einwilligung des Kongresses. Im
Kongress haben die Freunde Israels die
jüdischen und christlich-fundamentalistischen
Lobbys die absolute Vorherrschaft. Kein Senator
oder Kongressabgeordneter kann vergessen, wieder
gewählt zu werden, wenn er einen von diesen Lobbys beleidigt.
Wenn Israel seine Stimme gegen einen Waffenhandel
mit Saudi Arabien erhebt, hat das Weiße Haus ein
Problem. Um so mehr, da eine gewisse Logik für
den israelischen Einwand spricht: die Saudi
Arabische Luftwaffenbasis in Tabuk ist nur wenige
Flugminuten vom israelischen Hafen Eilat entfernt.
Was nun? Sehr einfach: gebt uns ein
Waffengeschenk, um das militärische
Gleichgewicht zu erhalten, und gebt uns
qualitative Überlegenheit über zusammen genommen alle arabischen Armeen.
Mit dem 20 Milliarden-Deal mit den Saudis
bestimmte Präsident Bush, dass die Amerikaner
Israel eine jährliche Militärhilfe gewähren, die
von 2,4 Milliarden auf drei Milliarden erhöht
werden sollen. Das bedeutet, dass in den
kommenden Jahren Israel Waffen im Wert von bis zu 30 Milliarden erhalten wird.
Außer dem kleinen Teil, den Israel wo anderes
ausgeben darf, muss diese große Summe in den USA
ausgegeben werden. Vom wirtschaftlichen
Standpunkt aus gesehen ist dieses Geschenk an
Israel wirklich eine ungeheure Unterstützung für
die amerikanische Rüstungsindustrie. Es wird die
Rüstungsindustriellen, die dem Herzen von Bush so
nahe stehen, reich machen. Er wird damit auch dem
amerikanischen Volk zeigen, dass ihr weiser
Präsident Bush auf diese Weise eine Menge netter, neuer Arbeitsplätze schafft.
DAS IST natürlich noch nicht das Ende der Geschichte.
Es würde unannehmbar sein, die Herrscher von
Saudi Arabien in solch eindrucksvoller Weise zu
stärken, ohne den anderen Königen, Präsidenten
und Emiren, die mit den Amerikanern kooperieren,
auch etwas zu geben. Ägypten, Jordanien und die
Golfemire müssen auch ihren Teil erhalten.
Die neuen Waffendeals werden deshalb auf 40, 50
und - Gott weiß - wie viele mehr Milliarden Dollar steigen.
Das ist für die Rüstungsindustrie nicht schlecht,
die mithalf, dass Bush gewählt wurde, und die ihn
weiterhin unterstützt. Es ist auch nicht schlecht
für die Waffenhändler, die Prinzen und all die
anderen, die profitieren, die korrupten Regime,
die den Nahen Osten beherrschen (und in dieser
Hinsicht ist es Israel zumindest hier gelungen,
ein integraler Teil dieser Region zu werden).
ÜBER ALL DIES könnte man sich auch amüsieren,
hätten diese Deals nicht auch eine dunkle Seite.
Als ich noch ein Kind war, wurde mir beigebracht,
die verachtenswertesten Leute seien die
Waffenhändler. Er unterscheidet sich von allen
andern Händlern, weil seine Ware der Tod sei.
Sein Reichtum ist von Blut befleckt. Der Titel
Waffenhändler war zu jener Zeit eine große
Beleidigung, ja, eine der schlimmsten. Eine
Person würde sich nie selbst als Waffenhändler
vorstellen, genau so wenig wie ein angeheuerter Killer dies zugeben würde.
Die Zeiten haben sich geändert. Der Waffenhändler
ist inzwischen eine angesehene Person. Er kann
eine Berühmtheit sein, das Objekt von
Verherrlichung bei der Boulevardpresse, ein
Freund von Politikern, ein großzügiger Gastgeber von Regierungsmitgliedern.
Waffen haben ihr eigenes Leben. Sie wollen ihr
Potential realisieren. Ihre Aufgabe ist es zu
töten. Ein General, dessen Arsenal gefüllt ist,
neigt dazu, über einen Krieg in diesem Sommer
oder einen Krieg in diesem Winter zu phantasieren.
Das Tötungspotential der Waffen wird ständig
besser und ihre Produzenten benötigen
Versuchsfelder. Vor ein paar Tagen enthüllte
einer unserer Generäle im Fernsehen, dass nach
einem amerikanisch-israelischen Abkommen die
israelische Armee verpflichtet sei, dem
amerikanischen Militärestablishment über die
Effektivität aller Arten von Waffen zu berichten.
Zum Beispiel über die Genauigkeit der
intelligenten Bomben und das Funktionieren der
Flugzeuge, der Raketen und Drohnen, Panzer und
all der anderen Instrumente der Zerstörung in unseren Kriegen.
Jede gezielte Tötung im Gazastreifen oder die
Verwendung der Streubomben im Libanon dienen auch
diesen Tests. Die Einebnung eines Stadtteils in
Beirut, der Tod von Frauen und Kindern als
Kollateralschäden, die anhaltende Amputation
von Körperteilen durch die Streubomben im Süden
des Libanon - all dies sind statistische Fakten,
die die amerikanische Rüstungsindustrie wissen
will, damit sie ihre Waren verbessern kann.
Ein Deal ist ein Deal, und Waren sind Waren.
IN DERSELBEN Woche, in der der riesige
Waffenhandel angekündigt wurde, sprach Ehud
Olmert von einem Dialog (zeitlich unbegrenzt)
über (unverbindliche) Prinzipien für einen
Endstatus. Condolezza Rice schwirrte schon wieder
lachend und redend, sich küssend und redend durch die Hauptstädte der Region.
Saudi Arabien gibt einen Wink, dass vielleicht,
vielleicht es bereit sei, bei dem womöglich im
Herbst stattfindenden Friedenstreffen sich mit
Israel an einen Tisch zu setzen. Das war auch
beabsichtigt, um es dem Kongress (d.h. der
Israel-Lobby) leichter zu machen, den Waffenhandel abzuschließen.
Bushs Leute haben zum zigsten Mal angekündigt,
dass jetzt ein Fenster der Gelegenheit offen
steht. (nicht ein Tor der Gelegenheit, nicht
eine Tür der Gelegenheit, sondern nur ein
Fenster.) Als ob Fenster dafür bestimmt seien,
dass man sie durchschreitet. Sind sie nicht fürs Hinausschauen bestimmt?
All diese Aktivitäten erinnern mich irgendwie an
eine andere Geschichte von weißen Elefanten:
Ein amerikanischer Milliardär hatte sich in den
Kopf gesetzt, einen weißen Elefanten zu erwerben,
um bei seinen Kollegen Eindruck zu schinden. Aber
es ist strikt verboten, weiße Elefanten aus
Thailand auszuführen, weil sie so selten sind.
Ein schlauer Vermittler versprach, ihm einen
weißen Elefanten zu besorgen, und erzählte ihm
auch, wie er es machen werde: er wollte den
Elefanten mit grauer Farbe anstreichen, bevor er ihn aus dem Lande schmuggelte.
Und tatsächlich kam zur versprochenen Zeit ein
Container an, und ein grauer Elefant spazierte
heraus. Als die graue Farbe abgeschrubbt war,
erschien ein weißer Elefant. Aber als noch ein
bisschen mehr geschrubbt wurde, verschwand auch
die weiße Farbe, und darunter war der Elefant grau.
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
http://www.uri-avnery.de
erstellt am 04.08.2007
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