[E-rundbrief] Info 578 - Bauernwiderstand in Chiapas
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Sa Aug 4 16:32:40 CEST 2007
E-Rundbrief - Info 578 - Hermann Bellinghausen
(Mexiko): "Die Zapatisten, ein ständiges
Beispiel, dass es möglich ist, ein anderes Leben
zu errichten". Die Mitglieder der Vía Campesina
teilen ihre Kampferfahrungen. Aus dem weltweiten,
gewaltfreien Widerstand von Bauernbewegungen.
Bad Ischl, 4.8.2007
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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"Die Zapatisten, ein ständiges Beispiel, dass es
möglich ist, ein anderes Leben zu errichten"
Die Mitglieder der Vía Campesina teilen ihre Kampferfahrungen
Hermann Bellinghausen, La Jornada, Mexiko, Donnerstag 26. Juli 2007
Ejido Morelia, Chiapas, Mexiko, 25 Juli. Heute
Mittag war es an den Mitgliedern der Vía
Campesina aus dem Schatten zu treten, nach einem
vierstündigen Gespräch mit den versammelten
Zapatisten im Caracol "Wirbelwind Unserer Worte",
darüber wie es in allen vier Himmelsrichtungen
Campesinos und sogar Indigenas gibt, inwiefern
ihre Kämpfe und ihr Leben sich ähneln, und dass
der Feind allerorts der gleiche ist, auch wenn er
manchmal den Namen wechselt, oder oftmals nicht.
Der in Indien, Indonesien, Thailand, Korea oder
Mexiko zum Beispiel mit "Monsanto" unterschreibt.
Oder einfach nur mit "Regierung".
Das Podium war dieses Mal von den anwesenden
Delegierten der Vía Campesina und ihren
Übersetzern belegt. Hunderte maskierte Indigenas
bildeten gemeinsam mit den Teilnehmern des
Zweiten Treffens der Zapatistischen Gemeinden mit
den Völkern der Welt das Publikum. Die
Repräsentanten der Vía Campesina luden
Oberstleutnant Moisés und Comandante Zebedeo zu sich auf das Podium ein.
"Die Feldarbeit ist unser Leben", erklärte ein
Landarbeiter aus Thailand, der von seinem Land
vertrieben wurde, um Platz für die
Eukalyptuspflanzungen transnationaler Konzerne zu
machen. Sein Widerstandskampf breitete sich
landesweit aus, und traf schließlich auf den
Kampf des Pagaqueyor Volkes aus dem Hochland von
Thailand, das von einem Staat, der das Land
verschachert, im Namen des "Naturschutzes" von
seinem Stammesgebiet verstoßen wurde.
Die Bewegung der Landlosen (MST), zu der in
Brasilien mehr als zwei Millionen gehören,
alternative Produzenten aus Iowa (Vereinigte
Staaten) und Saskachewan (Kanada) und die
Bauernunion Bhartiya Kissan (BKU) aus Indien (mit
300 Millionen Mitgliedern, drei Mal so viel wie
die Gesamtbevölkerung von Mexiko, in einem Land,
in dem es noch 700 Millionen weitere Bauern
gibt), sind nur ein Teil der 149 Organisationen
der Vía Campesina in 56 Ländern.
Yudhvir Singh von der nationalen Koordination der
BKU erklärte: "Der Feind ist der Neoliberalismus.
Unser Kampf gilt dem Überleben. Hier in Chiapas
haben wir in diesen Tagen viel gelernt. Wir
sehen, dass Ihr Kampf dem unseren ähnelt". Er
teilte einige kurze Einblicke darüber, welche
Bedeutung die massive Bauernbewegung auf dem
indischen Subkontinent hat, und wie sie von der
Macht nicht ignoriert werden kann. Die
Landbesitzer auf dem Land sind so "klein", dass
sie im Durchschnitt nur etwa ein Viertel Hektar
besitzen, was schon mehr ist als alles, was ihnen
die kapitalistische Zukunft anbietet.
"Unsere Bewegung kommuniziert mündlich, wie
benutzen nicht einmal Bleistift und Papier. Alles
muss in Versammlungen besprochen werden; das
Instrument ist das Wort". Die Bauern aus Indien
folgen der Tradition von Gandhi: "Unsere
Hauptwaffen sind der Ungehorsam und direkte
Aktionen". Er erzählte, dass in 2002, während des
Treffens der Welthandelsorganisation in Doha
(Qatar), seine Organisation in der Stadt von
Mumbai protestierte. Sie waren so viele, dass die
Polizei, die zu ihrer Repression antrat mehr als
71.000 Bauern festnahm. Man musste sie natürlich
bald wieder laufen lassen. Aber die Gefangenen
weigerten sich zu gehen, es sei denn die Agenten
erklärten sich bereit zu kommen, um auf ihrem
Land zu arbeiten. Die Polizei akzeptierte dies nicht.
"Also weigerten wir uns die Gefängnisse zu
verlassen, und schafften es, den gesamten Raum
der Polizeistation friedlich zu besetzen. Sie
mussten Nahrung für mehr als 71.000 Gefangene
herbeischaffen, und hinterher bezahlten sie uns
die Rückreise zu unseren Bauernhöfen."
Singh erzählte von anderen erinnerungswürdigen
Aktionen, wie der massenhaften Umzingelung der
Plantagen mit genmanipulierte Baumwolle von
Monsanto, die dann zum Klang von "Keine weiteren
genmanipulierten Erzeugnisse in unserem Land"
angezündet wurden. Durch "Gandhi-haftes"
Vorgehen, wurde die Autonomie zweier indigenen
Staaten durchgesetzt, während gemeinsam dem
Angriff eines Staates Widerstand geleistet wird,
der ihnen das Land zugunsten des Privatkapitals
entreißt. "Das Agrobusiness in Indien ist eine
Realität, und die Landwirtschaft steckt in einer
Krise. Von 1992 bis heute haben rund 150.000
verzweifelte Bauern Selbstmord verübt. Die
Kredite der Regierung haben die Bauernfamilien
ruiniert. Im Namen des "öffentlichen Wohls"
übergibt der Staat deren Land an Unternehmen. Für
die Bauern ist das Land die einzige Garantie, um
der Armut zu trotzen. Die Regierung vernichtet
die Ernährungskapazität des Landes. Aber jeden
Tag finden mehr Bauernaufstände statt, wie neulich in Bengal."
Ein Pagaqueyor Indigena aus Thailand sprach
leidenschaftlich zur Verteidigung der
traditionellen Brachland-Praxis, die in den
Schulen "herabgesetzt und als einfaches
Roden-Fällen-Verbrennen verachtet wird". Und er
gab zu, wegen der Diskriminierung zum Lügen
gezwungen gewesen zu sein, um die Schule besuchen
zu können. "Ich verriet das Bewusstsein meines
Volkes, bis ich es bemerkte und austrat; je
länger ich zur Schule ging, desto dümmer wurde ich".
Soraia Soriano, Leiterin der MST, berichtete über
den Bauernkampf in Brasilien, der es ermöglichte,
Land für 350.000 Familien zu gewinnen, und der
die sozialen Beziehungen derer von Unten
verändert hat, insbesondere der Frauen. Wie sie
erklärte, "sind die Zapatisten für uns eine
Quelle der Kraft gewesen. Sie sehen sich tausend
Herausforderungen gegenüber. Sie sind ein
ständiges Beispiel dafür, dass es möglich ist
eine andere Form des Lebens zu errichten".
Eine ähnliche Ausdrucksweise, in so vielen
Sprachen. Wie es Dong Uk Min, von der Bauernliga
von Korea ausdrückte: "man kann alleine träumen,
aber um einen Traum zu verwirklichen, muss er vielen gehören".
* * *
übs. von Dana
Quelle:
http://www.jornada.unam.mx/2007/07/26/index.php?section=politica&article=012n1pol
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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