[E-rundbrief] Info 544 - Atomindustrie auf der Klimaschutzwelle
Matthias Reichl
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So Mai 20 14:44:51 CEST 2007
E-Rundbrief - Info 544 - Sigrid Totz/ Greenpeace
Deutschland: Atomindustrie auf der Klimaschutzwelle.
Bad Ischl, 20.5.2007
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Atomindustrie auf der Klimaschutzwelle
Sigrid Totz/ Greenpeace Deutschland
14.05.2007
Sie ist längst widerlegt und hält sich doch
hartnäckig: die Mär von der klimafreundlichen und
billigen Atomkraft. Wahr ist, dass AKW kaum CO2
ausstoßen. Genauso wahr ist, dass der Preis
wahrhaft irrsinnig ist. Nicht nur im Hinblick auf
die Sicherheit. Auch wirtschaftlich gilt: Atomkraft rechnet sich nicht.
Greenpeace-Aktivisten in Schlauchbooten von der
Arctic Sunrise protestieren gegen den Bau des
neuen Atomreaktors in Olkiluoto, Finnland. Sie
prangern Sicherheitsprobleme, große...
Die viel beschworene Renaissance der Atomkraft
setzt voraus, dass neue AKW zu geringeren Kosten
als andere Kraftwerke gebaut werden können. Dass
sie rechtzeitig fertiggestellt werden können, um
die Klimaschutzziele noch zu erreichen. Dass sie
beständig und zuverlässig arbeiten. Dass die
Kosten und Verpflichtungen durch
Atommüllentsorgung und Rückbau alter Anlagen sich
auf einem stabilen Niveau einpendeln.
Eine internationale Greenpeace-Studie vom Mai
2007 belegt das genaue Gegenteil. Nach fünf
Jahrzehnten Praxis und technischer
Weiterentwicklung kämpft die Atomindustrie noch
immer mit enormen Schwierigkeiten. Keiner anderen
Branche ist es so wenig gelungen, aus
langjähriger Erfahrung wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen.
Klimaretter AKW: 10 bis 20 Jahre Bauzeit
Der entscheidende ökonomische Faktor ist die
Bauzeit der Anlagen. In den Siebzigerjahren des
20. Jahrhunderts dauerte der Bau eines AKW laut
Weltenergierat durchschnittlich 66 Monate, also
fünfeinhalb Jahre. Zwischen 1995 und 2000 waren
es 116 Monate, also fast zehn Jahre. Und es gibt
noch wesentlich längere Bauzeiten. Derzeit sind
weltweit 22 Reaktoren im Bau, die meisten in
Asien. In fünf dieser 22 Fälle begannen die
Arbeiten bereits vor über 20 Jahren.
Verantwortlich für diese Bauzeiten sind immer
komplexere Anlagen, deren Probleme während der
Bauarbeiten zutage treten. Die Folge sind
zeitliche Verzögerungen und eine Kostenspirale,
die sich immer höher schraubt. Mit den
eigentlichen Baukosten steigen zwangsläufig auch
Darlehenshöhe und Zinsbelastung.
In den USA beispielsweise hat eine Untersuchung
von 75 AKW ergeben, dass sich die veranschlagten
Baukosten mehr als verdreifachten. In Indien, dem
Land mit der größten und jüngsten Erfahrung im
Kraftwerksbau, lagen die Kosten für die letzten
zehn AKW um 300 Prozent über dem geplanten Budget.
Der neue EPR in Finnland - ein Paradebeispiel
Ein hervorragendes Beispiel für alles, was beim
AKW-Neubau schiefgehen kann, liefert Europa. Im
finnischen Olkiluoto wird derzeit der erste
Europäische Druckwasserreaktor (EPR) gebaut. Im
Dezember 2006, nach nur 16 Monaten Bauzeit,
musste der Erbauer, der Atomkonzern Areva/Siemens
eingestehen, dass die Fertigstellung sich um 18
Monate verzögern wird. Unter anderem, weil
unerwartete Sicherheitsprobleme aufgetaucht sind.
Letzte Rechnungen besagen, dass der EPR
mindestens 700 Millionen Euro teurer wird als
angenommen. Vertraglich festgelegt war ein
Festpreis von drei Milliarden Euro. Details der
Finanzierung wurden nie öffentlich gemacht.
Derzeit wird untersucht, ob der Vertrag gegen
europäische Richtlinien für die Vergabe
staatlicher Fördergelder verstößt. Die
französische Regierung subventioniert das Projekt mit 610 Millionen Euro.
Atomkraft: ohne Subventionen aufgeschmissen
Atomkraft war schon immer zu teuer. Doch solange
die Staaten sie subventionierten und damit die
Bürger das Risiko trugen, ging die Rechnung für
die Konzerne trotzdem auf. Fällt jegliche direkte
und indirekte Subventionierung weg, so wird klar,
dass Atomstrom nicht wettbewerbsfähig ist.
Allein Deutschland bräuchte laut
Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags 60
neue Atomkraftwerke, um bis 2020 die nötigen 40
Prozent CO2 einzusparen. Das heißt 60-mal
mindestens zehn Jahre Bauzeit, bevor die Rettung
des Klimas überhaupt anfangen kann. 60-mal mehr
Unfall- und Strahlenrisiko. 60-mal mehr Atommüll,
für den es schon heute weltweit keine sichere
Endlagerung gibt. 60-mal explodierende Kosten in
Milliardenhöhe. 60-mal Importabhängigkeit von
einer immer knapper und teurer werdenden Ressource, dem Uran.
Energie sparen und gewinnen
Dass die Atomindustrie angesichts solcher
Probleme kein Klimaretter sein kann, liegt auf
der Hand. Mit der Studie Klimaschutz: Plan B hat
Greenpeace bewiesen, dass das Problem auch
vernünftig und nachhaltig gelöst werden kann:
durch effizienteren Stromgebrauch und Erneuerbare
Energien. Und ganz und gar ohne Atomkraftwerke.
http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomindustrie_auf_der_klimaschutzwelle/
Weitere Dokumentationen:
Klimaschutz: Plan B. Nationales Energiekonzept
bis 2020 (Kurzfassung):
www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/klima/Klimaschutz_PlanB_kurz.pdf
Effizienz - die Energiequelle der Zukunft:
www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/energie/greenpeace_effizienz_die_energiequelle_der_Zukunft.pdf
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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