[E-rundbrief] Info 545 - Uri Avnery: Schweizer Kaese (Nahostkriege)
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
So Mai 20 15:21:59 CEST 2007
E-Rundbrief - Info 545 - Uri Avnery (Israel): Ein
Schweizer Käse/ A Swiss Chease. (Die USA,
Deutschland, Israel und die Kriege im Nahen Osten)
Bad Ischl, 20.5.2007
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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(Original "A Swiss Chease":
http://zope.gush-shalom.org/home/en/channels/weekly_ad/1179444697/)
George Bush war daran interessiert, dass dieser
Krieg geführt wurde. Er war (und ist) versackt im
irakischen Morast. Er versucht die Schuld dafür
Syrien zuzuschieben. Daher wollte er einen Schlag
gegen Damaskus führen. Außerdem wollte er die
libanesische Opposition brechen, um den
amerikanischen Gefolgsleuten in Beirut zu helfen.
Er war sich sicher, dass es sich um einen
Sonntagsspaziergang für die israelische Armee handeln würde.
Als der erwartete Sieg so lange auf sich warten
ließ, tat die (US)amerikanische Diplomatie (mit
Hilfe Deutschlands) alles irgend Mögliche, um
eine Waffenruhe zu verhindern, um somit der
israelischen Armee Zeit zu lassen, zu gewinnen.
Dies wurde beinahe unverhüllt so ausgeführt.
Ein Schweizer Käse
Uri Avnery
DIE VINOGRAD Untersuchungskommission ist nicht
Teil der Lösung. Sie ist ein Teil des Problems.
Jetzt, nachdem die erste Aufregung, die durch die
Veröffentlichung von Teilen des Berichtes
ausgelöst wurde, abgeebbt ist, ist es möglich die
Arbeit der Kommission auszuwerten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sie bei
weitem mehr Schaden angerichtet hat, als Gutes zu bewirken.
Die positive Seite ist wohlbekannt. Die
Kommission hat die drei Regisseure des
Krieges den Ministerpräsidenten, den
Verteidigungsminister und den
Oberbefehlshaber einer Vielzahl von Fehlern
angeklagt. Das Lieblingswort der Kommission lautet Versagen.
Es ist lohnenswert, ein wenig über dieses Wort
nachzusinnen. Was meint es eigentlich? Eine
Person versagt, wenn sie ihre Aufgabe nicht
erfüllt hat. Das Versagen bezieht sich nicht auf
die Aufgabe selbst, sondern auf die Tatsache, dass sie nicht erfüllt wurde.
Der innerhalb des Berichtes so weit verbreitete
Gebrauch des Wortes Versagen ist eigentlich ein
Versagen der Kommission. Das von Protestgruppen
erfundene neue hebräische Wort ungefähr zu
übersetzen mit die Unfähigsten trifft auf
jedes der 5 Kommissionsmitglieder zu.
Wenn wir der Darstellung der Kommission folgen,
in welchem Sinne haben dann die drei Musketiere der Kriegsführung versagt?
Auf folgende Weise: die Entscheidung den Krieg zu
führen wurde in zu großer Hast geführt. Die vom
Ministerpräsidenten angekündigten Kriegsziele
waren unrealistisch. Es gab keinen detaillierten
und endgültig bestätigten militärischen Plan. Es
gab keine geordnete Stabsarbeit. Die Regierung
akzeptierte den improvisierten Vorschlag des
Oberkommandierenden wie er war, ohne Alternativen
angeboten zu bekommen oder einzufordern. Der
Oberbefehlshaber dachte er könne durch
Bombardement und Beschuss allein siegen. Eine
Bodenoffensive war nicht geplant. Die
Reservetruppen wurden nicht rechtzeitig
einberufen. Die Bodenoffensive kam erst sehr spät
in Gang. In den Jahren vor dem Krieg, wurden die
Truppen nicht ordnungsgemäß trainiert. In den
Vorratslagern für Kriegsfall fehlte vielerlei an
Ausrüstung. Die große Bodenattacke, die so viele
Leben kostete, begann erst als man sich in der UN
bereits auf die Bedingungen für eine Waffenruhe geeinigt hatte.
Starke Medizin. Wie lautet die Zusammenfassung?
Dass wir die Dinge rasch reparieren müssen, bevor
wir den nächsten Krieg beginnen.
Und tatsächlich ist genau das der Schluss, den
ein großer Teil der Öffentlichkeit schloss: die
drei Unfähigsten müssen entfernt werden, ihr
Platz muss mit verantwortlicheren und
erfahreneren Führungspersönlichkeiten gefüllt
werden, und dann sollten wir den Libanonkrieg III
beginnen, um den durch Libanonkrieg II verursachten Schaden zu reparieren.
Die Armee hat ihre Abschreckungskraft verloren?
Wir werden sie zurückerlangen im nächsten Krieg.
Die Bodenoffensive war nicht erfolgreich? Wir
werden es das nächste Mal besser machen. Im
nächsten Krieg werden wir tiefer vordringen.
Das ganze Problem ist ein rein technisches. Neue
Führer mit militärischer Erfahrung, ordentliche
Stabsarbeit, feinsäuberliche Vorbereitungen, ein
Armeechef aus den Rängen der Bodentruppen, statt
eines Fliegerkommandanten und dann wird alles in Ordnung sein.
DER WICHTIGSTE Teil des Berichtes ist nicht der,
der da ist, sondern der, der nicht da ist. Der
vorgelegte Bericht ist voller Löcher, wie der sprichwörtliche Schweizer Käse.
Nirgendwo wird die Tatsache erwähnt, dass es sich
von Anfang an um einen überflüssigen, sinnlosen
und hoffnungslosen Krieg handelte.
Solch ein Vorwurf wäre sehr schwerwiegend. Ein
Krieg verursacht Tod und Zerstörung auf beiden
Seiten. Ein solcher darf nicht begonnen werden,
sofern nicht eine klare Existenzbedrohung des
Staates vorliegt. Laut Bericht, hatte der Zweite
Libanonkrieg keine besondere Zielsetzung. Das
bedeutet, dass der Krieg nicht aus einer
unmittelbaren existenziellen Bedrohung entsprang.
Solch ein Krieg ist ein Verbrechen.
Wofür zog das Trio in den Krieg? Theoretisch: um
die zwei gefangen genommenen Soldaten zu
befreien. In dieser Woche hat Ehud Olmert
öffentlich zugegeben, dass er sehr wohl wusste,
dass die Soldaten nicht durch Kriegsmittel
befreit werden können. Das bedeutet, dass er das
Volk auf unverfrorene Weise belogen hat, als er
beschloss in den Krieg zu ziehen. Ein kleiner George Bush.
Die Hisbollah stellt keine Existenzbedrohung des
Staates Israel dar. Eine Belästigung? Ja. Eine
ständige Provokation? Absolut. Eine Existenzbedrohung? Sicherlich nicht.
Für beide Probleme können politischen Lösungen
gefunden werden. Es war damals so klar wie heute,
dass die Gefangenen nur durch einen Austausch
befreit werden müssen. Die Hisbollah kann nur mit
politischen Mitteln neutralisiert werden, da ihre
Existenz auf politischen Gegebenheiten beruht.
DIE KOMMISSION beschuldigt die Regierung, dass
sie keine militärischen Alternativen zu den
Vorschlägen des Oberbefehlshabers prüfte. Aber
die Kommission selbst kann beschuldigt werden,
keine politischen Alternativen zu der
Regierungsentscheidung für den Krieg zu prüfen.
Die Hisbollah ist eine politische Organisation,
ein Teil der komplexen Realität des Libanon. Für
Jahrhunderte wurden die Schiiten im Südlibanon
von stärkeren Gemeinschaften
niedergetrampelt den Maroniten, Sunniten und
Drusen. Als die israelische Armee 1982 in den
Libanon einmarschierte, empfingen die Schiiten
sie als Befreier. Als es dann offensichtlich
wurde, dass unsere Armee nicht die Absicht hatte
auch wieder abzuziehen, führten die Schiiten
einen Befreiungskrieg gegen sie. Erst dann, im
Laufe eines langen und erfolgreichen
Guerillakrieges, wurden die Schiiten zu einer der
Haupteinflusskräfte in der Region. Wenn es
Gerechtigkeit in der Welt gäbe, würde die
Hisbollah Statuen für Ariel Sharon errichten.
Um ihre Position zu stärken, bedurften die
Schiiten der Hilfe. Sie bekamen sie vom Iran, dem
natürlichen Schirmherren aller Schiiten in der
Region. Aber noch bedeutender war die von Syrien geleistete Hilfe.
Und warum kam das sunnitische Syrien der
schiitischen Hisbollah zur Hilfe? Weil es eine
doppelte Bedrohung schaffen wollte: einerseits
gegen die Regierung in Beirut, andererseits gegen die in Jerusalem.
Syrien hat niemals seine Ansprüche im Libanon
aufgegeben. In den Augen der Syrer, ist der
Libanon ein integraler Bestandteil ihrer Heimat,
der ihnen durch die französischen Kolonisten
entrissen wurde. Ein Blick auf die Karte genügt,
um zu verstehen, warum der Libanon so bedeutend
für Syrien ist, und zwar sowohl wirtschaftlich
als auch militärisch. Hisbollah versorgt Syrien
mit einem Ankerhaken auf libanesischem Gebiet.
Die Bedrohung Israels durch die Hisbollah ist
sogar noch bedeutender für Syrien. Damaskus will
die Golanhöhen wieder erringen, die von Israel
1967 erobert wurden. Dies ist für die Syrer die
oberste nationale Aufgabe, eine Sache des
nationalen Stolzes, und sie werden diese um
keinen Preis aufgeben. Sie wissen, dass sie im
Moment keinen Krieg gegen Israel gewinnen können.
Die Hisbollah bietet da eine Alternative:
kontinuierliche Nadelstiche sollen Israel von
Zeit zu Zeit daran erinnern, dass es vielleicht
doch sinnvoll wäre, den Golan zurückzugeben.
Jeder, der diesen politischen Hintergrund leugnet
und die Hisbollah als ein rein militärisches
Problem betrachtet, offenbart damit seine
Ignoranz. Es wäre Aufgabe der Kommission gewesen,
dies deutlich zu sagen, anstatt über ordentliche
Stabsarbeit und militärische Alternativen
herumzurasseln. Dafür, dass die drei
Inkompetenten die politische Alternative zu einem
Krieg nicht abwägten, hätte die Kommission ihnen
die rote Karte zeigen müssen. Diese politische
Alternative hätte darin bestanden, mit Syrien
über den Abzug der Hisbollah-Bedrohung im Rahmen
eines israelisch-libanesisch-syrischen Abkommens
zu verhandeln. Der Preis wären die Golanhöhen gewesen.
Indem die Kommission dies nicht tat, verbreitete
sie folgende Botschaft: es gibt keinen Ausweg vor
einem dritten Libanonkrieg. Aber bitte, Leute,
strengt Euch das nächste Mal ein bisschen mehr an.
EIN OFFENBARES Loch im Bericht betrifft den
internationalen Hintergrund des Krieges.
Der Anteil der Vereinigten Staaten an diesem
Krieg war von Anfang sichtbar. Olmert hätte
diesen Krieg nicht ohne explizite amerikanische
Zustimmung begonnen. Wenn die USA dies verboten
hätten, hätte Olmert nicht davon geträumt, dem entgegenzuhandeln.
George Bush war daran interessiert, dass dieser
Krieg geführt wurde. Er war (und ist) versackt im
irakischen Morast. Er versucht die Schuld dafür
Syrien zuzuschieben. Daher wollte er einen Schlag
gegen Damaskus führen. Außerdem wollte er die
libanesische Opposition brechen, um den
amerikanischen Gefolgsleuten in Beirut zu helfen.
Er war sich sicher, dass es sich um einen
Sonntagsspaziergang für die israelische Armee handeln würde.
Als der erwartete Sieg so lange auf sich warten
ließ, tat die amerikanische Diplomatie (mit Hilfe
Deutschlands) alles irgend Mögliche, um eine
Waffenruhe zu verhindern, um somit der
israelischen Armee Zeit zu lassen, zu gewinnen.
Dies wurde beinahe unverhüllt so ausgeführt.
In welchem Maße diktierten die Amerikaner Olmert
die Entscheidung den Krieg zu beginnen, den
Libanon zu bombardieren (aber nicht die
Infrastruktur der Siniora-Regierung), den Krieg
zu verlängern und im letzten Moment eine
Bodenoffensive zu starten? Wir wissen es nicht.
Vielleicht hat die Kommission sich mit diesen
Fragen im geheimen Teil des Berichtes
beschäftigt. Aber ohne diese Fakten ist es
unmöglich zu verstehen, was geschehen ist, und
daher ist der Bericht untauglich für das Verständnis des Krieges.
WAS FEHLT außerdem noch in dem Bericht? Schwer zu
glauben, aber das schreckliche Leiden der
libanesischen Bevölkerung wird mit keinen Wort erwähnt.
Unter dem Einfluss des Oberbefehlshabers,
akzeptierte die Regierung eine Strategie, die
besagte: lasst uns den Libanon bombardieren, das
Leben der Libanesen in eine Hölle verwandeln, als
Resultat werden sie Druck auf ihre Regierung in
Beirut ausüben, die dann wiederum die Hisbollah
an die Kette legen wird. Es handelte sich um eine
sklavische Nachahmung der amerikanischen
Strategie im Kosovo und in Afghanistan.
Diese Strategie tötete eintausend Libanesen,
zerstörte ganze Nachbarschaften, Brücken und
Straßen, und zwar nicht nur in schiitischen
Gebieten. Vom militärischen Standpunkt aus, war
das leicht zu bewerkstelligen, aber der
politische Preis war immens. Über Wochen
dominierten die Bilder des durch Israel
verursachten Todes und der Zerstörung die
Nachrichten der Welt. Es ist unmöglich, den
Schaden abzuschätzen, der dadurch Israels
Position in den Augen der Weltöffentlichkeit
entstanden ist, ein nicht wieder gut zu machender
Schaden, der dauerhafte Konsequenzen haben wird.
All dies interessierte die Kommission nicht. Sie
beschäftigte sich ausschließlich mit dem
militärischen Aspekt. Die politische Seite war
nicht von Interesse, mit Ausnahme der Bemerkung,
dass der Außenminister nicht zu den wichtigen
Konsultationen geladen wurde. Die moralische
Seite des Ganzen wurde überhaupt nicht erwähnt.
Auch die Besatzung wurde nicht erwähnt. Die
Kommission ignoriert ein Faktum, das zum Himmel
schreit: dass einen Armee nicht in der Lage sein
kann, einen modernen Krieg zu führen, wenn sie 40
Jahre lang als koloniale Polizeitruppe in
besetzten Gebieten tätig ist. Ein Hauptmann, der
wie ein betrunkener Kosake gegenüber
unbewaffneten Friedensaktivisten und
steinewerfenden Kindern agiert, wie diese Woche
im Fernsehen zu sehen war, kann keine Kompanie in
einem echten Krieg führen. Dies ist eine der
bedeutendsten Lektionen des zweiten
Libanonkrieges: die Besatzung hat die israelische
Armee bis ins Mark korrumpiert. Wie kann das ignoriert werden?
DIE KOMMISSION beurteilt Olmert und Peretz
aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung gemeint
ist militärische Erfahrung als ungeeignet. Dies
kann zu der Schlussfolgerung führen, dass die
israelische Demokratie sich nicht auf zivile
Führer verlassen kann, dass sie Generäle als
Führung braucht. Sie zwängt dem Land eine
militärische Agenda auf. Das könnte sich als sehr gefährlich herausstellen.
Diese Woche sah ich im Internet eine gut gemachte
Präsentation der Reservisten, einer Gruppe
verbitterter Reservesoldaten, die versucht den
Protest gegen die drei "Unfähigsten" anzuführen.
Sie zeigt Bild für Bild das Versagen der
Kriegsführung auf und erreicht ihren Gipfel in
der Behauptung, die inkompetente politische
Führung hätte der Armee nicht die Erlaubnis gegeben zu siegen.
Die jungen Produzenten dieser Präsentation sind
sich sicherlich nicht des gewissen Geruchs
bewusst, den dieses Argument verströmt, des
Dolchstoß in den Rücken - Geruchs. Andernfalls
hätten sie wahrscheinlich nicht dieses Argument
gewählt, dass vor nicht allzu langer Zeit als
Kampf- und Versammlungsruf den deutschen Faschisten diente.
aus dem Englischen von Christoph Glanz, autorisiert vom Verfasser
http://www.uri-avnery.de
erstellt am 19.05.2007
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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