[E-rundbrief] Info 444 - Rb 122 - Mittal: Gentechnik, Landwirtschaft.
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
So Sep 3 22:45:26 CEST 2006
E-Rundbrief - Info 444 - Rundbrief Nr. 122 - Anuradha Mittal:
Fragwürdige Gentechnik für die Landwirtschaft. Buchtipp: Vandana
Shiva/ Kunwar Jalees: Roti, Kapda aur Makaan.
Bad Ischl, 3.9.2006
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Fragwürdige Gentechnik für die Landwirtschaft
Von Anuradha Mittal (*)
Auf seiner Webseite brüstet sich der agroindustrielle Konzern
Monsanto, mit der Behauptung, dass sich im Jahr 2005 ein Jahrzehnt
"erwünschter Akzeptanz" von Technologien in der Landwirtschaft
erfüllt habe, was sich mit dem "Anbau von biotechnischen
Pflanzenarten auf einer Milliarde Morgen Land" erwiesen habe. Des
weiteren werden die angenommenen Vorteile dieser Technologie für die
Landwirte gepriesen: "höhere Ernteerträge, Potenzial zur Verringerung
des Chemieeinsatzes, Übergangsmöglichkeit auf eine
umweltfreundlichere Landnutzung und alles gleichzeitig mit
Einsparungen von Zeit und Geld".
Diese Argumentation passt genau in das Konzept der
Öffentlichkeitsarbeit des Konzerns, die penibel darauf ausgerichtet
ist, keine Diskussionen über gentechnisch veränderte Organismen (GVO)
aufkommen zu lassen. Dazu wird eine Doppelstrategie in der Werbung
gefahren, einerseits mit Grünwaschen "Biotechnologie wird eine Welt
ohne Pestizide schaffen" und anderseits mit Armutswaschen "wir
müssen Gentechnik akzeptieren, um die Ernten zu erhöhen, die Kosten
zu reduzieren und die Lebenssituation der Bauern zu verbessern".
Die Realität auf den Feldern widerlegt diese Argumente in drastischer
Weise. Eine neue Studie der Cornell Universität in den USA, übrigens
die Erste, die auch längerfristige ökonomische Folgen von
gentechnisch veränderter (GM) Baumwolle untersucht hat, kommt zu dem
Ergebnis, dass die chinesischen Baumwollpflanzer - die zu den
Pionieren des Anbaus von "Bt Baumwolle" gehören (ein Saatgut, in dem
die Gene des Bazillus Thuringiensis eingesetzt wurden, um tödliche
Toxine gegen den Baumwoll- und Maiswurm zu produzieren) - inzwischen
zusehen müssen, wie ihre Vorteile dahinschwinden. Die Studie, die
über 481 chinesische Farmen aus den fünf wichtigsten Anbaugebieten
Chinas erfasst hat, zeigt auf, dass die betroffenen Farmen nach
sieben Jahren Anbau bis zu 20-mal in einer Saison die Felder
besprühen müssen, um mit sekundären Insekten fertig zu werden. Das
hatte zur Folge, dass ihre Einnahmen letztendlich 8 Prozent unter
denen lagen, die Farmen mit konventioneller Baumwolle erreichten.
Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass der Bt-Bauwollsamen das
Dreifache vom Konventionellen kostet. Die Forscher warnen nun davor,
dass diese Folgen sich in Ländern mit einem extensiven Anbau von
Bt-Baumwolle noch viel stärker auswirken werden.
Einer der Forscher aus dem Team, Prof. Per Pinstrup-Andersen,
ehemaliger Generaldirektor des International Food Policy Research
Institute, Washington D.C., hat dennoch versucht eine Lanze für die
Biotechnik zu brechen, in dem er die Forschung und die Regierungen
aufgerufen hat Maßnahmen zu ergreifen, um die aufgezeigten
Fehlentwicklungen zu korrigieren, bevor die Landwirte die
Bt-Baumwolle ganz aufgeben. Laut Pinstrup-Andersen "kann die
Bt-Baumwolle beitragen, die Armut zu verringern und die
Ernährungssituation in Entwicklungsländern zu verbessern, wenn sie
richtig angewendet wird".
Besser wäre es aber gewesen, wenn Pinstrup-Andersen die Forschung
aufgerufen hätte, auch die Ernten der selbstmordgefährdeten Bauern in
Indien zu untersuchen. Zwischen dem 1. Juni 2005 und August 2006
haben etwa 700 Kleinbauern aus Vidarbha, in der Region Maharastra
Selbstmord begangen, weil sie keinen Ausweg aus der Verschuldung gesehen haben.
Während die Bt-Baumwolle weiterhin um öffentliche Anerkennung buhlt,
reißen die Qualen für die indischen Bauern nicht ab. Nach der Pest
der Baumwollwürmer wird nun der Anbau von Bt-Baumwolle von anderen,
bisher unbekannten Krankheiten wie "Lalya" oder "Reddening"
gefährdet, und zwar stärker als es bei konventionellen Baumwollsorten
der Fall ist. Etwa 60 Prozent der Bauern in Maharashtra konnten nicht
einmal die Kosten ihrer ersten Ernte von genetisch veränderter
Baumwolle einfahren. Einige Studien haben errechnet, dass die
Landwirte beim Anbau von GV Baumwolle, pro Acre (etwa ein drittel
Hektar) 136,26 US-Dollar investieren müssen, im Vergleich zu 11,60
Dollar beim Anbau konventioneller Baumwollsorten. Dieses
Missverhältnis ist dadurch bedingt, dass die genetisch veränderten
Pflanzen mit zusätzlichen Insektiziden besprüht werden mussten.
Das Desaster mit der Bt-Baumwolle hat dazu geführt, dass das "Komitee
für die Genehmigung von Gentechnik" (GEAC) der indischen
Zentralregierung den Einsatz von anderen gentechnisch veränderten
Pflanzenarten - die Monsanto unter der Bezeichnung Mech 12, Mech 184
und Mech 162 anbietet - im Staat Andhra Pradesh verboten hat. Mech 12
ist sogar vom gesamten Süden Indiens verbannt worden. Der Distrikt
Warangal in Andhra Pradesh fordert von Monsanto eine Wiedergutmachung
für die Bauern, die ihre Ernte verloren haben. Der Staat Andhra
Pradesh hat mit Unterstützung der Zentralregierung den Konzern
Monsanto wegen der Verrechnung stark überhöhter Preise für das
Saatgut verklagt.
Trotz der eindeutigen Beweislage, dass die gesamte Last der
problematischen Einführung der GV Baumwolle von den Kleinbauern
getragen wurde, wirbt die biotechnische Industrie unbeeindruckt
weiter mit Behauptungen, dass sie die Lebensbedingungen der armen
Bauern verbessern und die Ernährungslage der Region absichern würde.
Eines ist aber sicher: Die Gentechnik und die Bt-Baumwolle werden die
landwirtschaftliche Produktion in den Entwicklungsländern nicht
revolutionieren und sie werden auch nicht zur Sicherheit der
Ernährungssituation beitragen. Ein solcher Fortschritt kann nur über
eine neue Bodenbewirtschaftung erreicht werden, die sich auf dem
Prinzip der Ernährungssouveränität und den Rechten der Landwirte
abstützt und die als grundlegender Prozess für die wirtschaftliche
Entwicklung des gesamten Landes anerkannt wird. (ENDE/ trad fnf/COPYRIGHT IPS).
(*) Anuradha Mittal, Gründerin und Leiterin des Oakland Institute
(www.oaklandinstitute.org)
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Buchtipp: Über Ernährung, Bekleidung und Wohnen als Grundbedürfnisse
der Menschen in Indien und weltweit.
Zum obenstehenden Artikel von Anuradha Mittal und von Vandana Shiva:
"Die Welthandelsorganisation WTO ist tot - lang lebe der Freihandel"
(siehe Info 439)
Vandana Shiva/ Kunwar Jalees: Roti, Kapda aur Makaan. How 10 years of
WTO have Robbed India of Lives, Livelihoods and Basic Needs. 2006
Navdanya/ RFSTE, A-60, Hauz Khas, New Delhi - 110 016, India, www.navdanya.org
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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