[E-rundbrief] Info 172 - RB 115 - Baeume bei uns verteidigen; Wangari Maathai-Biographie

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Fr Dez 10 15:12:39 CET 2004


E-Rundbrief - Info 172 - 115. Rundbrief -  Matthias Reichl: Bäume 
erfolgreich verteidigen, Nachbarrecht neu: Verhandeln statt streiten; 
"Green Belts" rund um Häuser und Gärten bei uns und in Kenia, Biographie 
Wangari Maathai - Mutter der Bäume. Die erste afrikanische 
Friedensnobelpreisträgerin.

Bad Ischl, 10.12.2004

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

===========================================================

Bäume erfolgreich verteidigen

Nachbarrecht neu: Verhandeln statt streiten

Das seit 1. Juli 2004 geltende Nachbarrechtsänderungsgesetz verpflichtet 
streitende Nachbarn, eine außergerichtliche Einigung anzustreben, ehe eine 
Klage eingebracht werden kann. Dazu berichtete das ORF-Konsumentenmagazin 
"Help" am 11. 11. d. J. über unseren Fall. Als Kooperationspartner des 
Naturschutzbundes haben wir unser Problem mit seiner Kampagne 
"NATURfindetStadt" verknüpft.

Wir erhalten unseren Garten so naturnahe wie möglich. Das heißt, Wiese 
statt Rasen, heimische Laubbäume und Sträucher statt Koniferen und Thujen. 
Der östlich angrenzenden Nachbarin ist der Wildwuchs der Baumreihe (zum 
Schutz gegen Lärm, Abgase, Staub, Wind usw.) seit jeher ein "Dorn" im Auge. 
Schon ihre Eltern instrumentalisierten unsere Bäume (und auch wilde 
Pflanzen) an der Grundgrenze für ihren jahrzehntelangen Streit mit 
meinen  Eltern. Offenbar wurden wir - in der Region geboren und aus einem 
Nachbarort zugezogen - von dieser Nachbarsfamilie als "Fremde" abgelehnt.

Im Vorjahr und heuer hatten wir keinen Fachmann für einen 
naturverträglichen Baumschnitt gefunden.

Im Auftrag der Nachbarin forderte ein Ischler Rechtsanwalt von uns, die 
Bäume nahe der Grundgrenze innerhalb von drei Wochen zu entfernen, sonst 
würde es zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche der Nachbarin 
kommen. Die Bäume hätten das ortsübliche Maß weit überschritten und dadurch 
die Rechte der Nachbarin stark beeinträchtigt. Der Brief forderte von uns 
ein Honorar von 167,23 Euro.

Wir (und unsere Rechtsberater) sahen das anders. Nicht wir sondern die 
Nachbarin hatte dem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt. Nach der alten 
Rechtslage hätte sie die störenden, auf ihr Grundstück reichenden Äste und 
Wurzeln entfernen dürfen und so die angeblichen "Schäden" verhindern können.

Wie ist nun der Verlauf dieses nachbarlichen Streites angesichts des 
Nachbarrechtsänderungsgesetzes zu beurteilen?

Das Gesetz ermächtigt Grundstückseigentümer, von ihren Nachbarn das 
Zurückschneiden von Bäumen und Sträuchern zu verlangen, wenn sie eine 
unzumutbare Beeinträchtigung bedeuten. Dieser Anspruch besteht allerdings 
nur dann, präzisiert HELP-Rechtskonsulent Sebastian Schumacher, wenn dieser 
Bewuchs über das ortsübliche Maß hinausgeht. In welchen Fällen man davon 
ausgehen könne, dass ein Bewuchs nicht mehr ortsüblich sei, könne zur Zeit 
jedoch nur schwer eingeschätzt werden, da es zu dieser recht jungen 
Regelung noch kaum Rechtssprechung gebe.

Vor einer unmittelbaren Klage brauchen wir uns nicht fürchten, denn bevor 
Sie eingebracht werden kann, muss in einem Schlichtungsstellenverfahren 
eine außergerichtliche Einigung versucht werden. Es kann, wenn der Nachbar 
zustimmt, auch ein Mediator eingeschaltet werden. Wir finden diese Auflage 
sehr gut und erhoffen uns, mit Hilfe eines Mediators das Baumproblem 
endgültig lösen zu können.

(ORF-Help-Beitrag gekürzt, redigiert und aktualisiert am 30.11.2004 von M.R.)

Einen Tag nach unserem Bericht in der Sendung "Begegnungswege" im 
regionalen Freien Radio Salzkammergut und vor der HELP-Sendung rief der 
Rechtsanwalt an, schlug eine Vereinbarung mit seiner Klientin vor, weil 
diese zu einer Mediation nicht bereit wäre. Wegen der Wissenslücken des 
Juristen im Nachbarrecht, drängen wir auf eine fachlich einwandfreie 
Aufarbeitung des Konfliktes (inkl. Beteiligung von Landschaftsökologen). 
Der Anwalt gab auch zu, dass die Art von Honorarforderungen üblich, aber 
nicht gerechtfertigt sei.

Inzwischen hat der Fachmann den nötigen Baumschnitt schonend durchgeführt. 
Ortsüblich sind in der Vorortsiedlung Bäume mit einer Höhe von 15 Metern 
und mehr. Seither haben wir von der Nachbarin und ihrem Anwalt nichts mehr 
gehört.

Der HELP-Originalbeitrag endete mit dem Satz: "In diesem Zusammenhang ist 
es vielleicht auch noch interessant, dass 2005 eine groß angelegte, von der 
EU initiierte Kampagne zur Stadtökologie stattfindet, die das Ziel hat, 
mehr Natur in die Siedlungsräume zu bringen".

Wir hoffen, dass sich ähnlich Betroffene weder ihre Bäume noch ihre Rechte 
ungerechtfertigt beschneiden lassen und diese - unterstützt vom 
Naturschutzbund und von Rechtsexperten - gegen den grassierenden Kahlschlag 
verteidigen.

Dieser Text wird - etwas verändert - in der nächsten 
Naturschutzbund-Zeitschrift "Natur und Land" als Beitrag zur 
österreichweiten Kampagne "NATURfindetStadt" abgedruckt. Österreichischer 
Naturschutzbund/ ÖNB, Salzburg, Tel. 0662-642909-0, e-mail: 
salzburg at naturschutzbund.at, www.naturschutzbund.at. Dort - und in ihren 
Bundesländerbüros - erhaltet ihr Informationen zur Kampagne, zu Projekten 
zum Erleben der StadtNatur und auch juristische Ratschläge zum aktuellen 
Nachbarrecht. Siehe auch E-Rundbrief Info 141 und 169 
(www.begegnungszentrum.at/archiv/).

"20 Jahre 'Hainburger Au' feiern und daheim im Hausgarten die Bäume 
verteidigen". Manfred Madlbergers Karikatur findet ihr nur in der 
gedruckten Ausgabe.

Wichtige Ergänzung vom 10.12.2004:

Am 7.12. wurden wir vom Rechtsanwalt der Nachbarin per Brief informiert, 
dass diese einer Streitschlichtung durch Mediation zugestimmt hat. Nun wird 
es darum gehen, dass wenigstens der Mediator bzw. die Mediatorin auch 
entsprechend im Nachbarrecht und im Umwelt-/ Naturschutz kompetent ist. Der 
Rechtsanwalt fordert von uns, dass wir keine weiteren Informationen in die 
Öffentlichkeit bringen. Da jedoch unser Konflikt das Begegnungszentrum 
betrifft und in einem größeren Zusammenhang zu sehen ist, werden wir zwar 
nicht über die internen Prozesse der Mediation mit der Nachbarin, sehr wohl 
aber über die mit der Kampagne des Österr. Naturschutzbundes 
zusammenhängenden Fakten weiter berichten.

Einige Ausschnitte aus unserer Stellungnahme an den Rechtsanwalt vom 
10.12.2004:

"Der Mediator bzw. die Mediatorin muss nachweislich praktische Erfahrungen 
im seit 1.7.2004 gültigen - novellierten - Nachbarrecht (im Rahmen des 
Zivilrechts) und in den Bereichen Umwelt/ Naturschutz aufweisen. Nur so 
kann die Grundproblematik auch in ihrer ökologischen Dimension entsprechend 
berücksichtigt werden..."

Die Klägerin muss alle Kosten des Vorverfahrens - auch die der Mediation - 
tragen. "...Eine längerdauernde Mediation, die auch die ... Hintergründe 
des jahrzehntelangen Nachbarschaftskonfliktes aufarbeitet, dürfte nicht nur 
zu zeitraubend sondern auch zu teuer werden... Rechtsexperten - u.a. der 
ORF-HELP-Konsulent - kritisierten ... (die) Honorarforderung (des 
Rechtsanwaltes) ... als nicht rechtskonform". Ähnlich Betroffenen 
berichteten uns von ähnlich klingenden Rechtfertigungen, dass dies unter 
Anwälten so üblich sei - und im übrigen würden nur wenige davon Betroffene 
der Zahlungsaufforderung nachkommen.

"Wir haben die Sanierungsarbeiten an unseren Bäumen an der 
Grundstücksgrenze auf eigene Kosten durchgeführt bzw. durchführen lassen 
und beendet. Dies betrifft die relevanten auf den Grund Ihrer Klientin 
reichenden Äste und auch eine entsprechende Kürzung der Höhe von drei 
Bäumen im Nahebereich ihres Hauses. Ihre weitergehenden Forderungen nach 
Kürzungen sind nach § 364 Abs.3 ZRÄndG nicht berechtigt, da die Bäume das 
"ortsübliche Maß" bei weitem noch nicht erreicht haben und auch sonst keine 
unzumutbare Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück bedeuten. Nicht nur 
für uns sondern auch für die Nachbarin entsteht durch die Schutzfunktion 
der Baumreihe ein durch keine andere Maßnahme erreichbarer ökologischer 
Nutzen. (Auf eine dichtere Reihe von Nadelbäumen - mit erhöhter 
Schutzwirkung - haben wir aus Rücksicht auf die Nebenwirkungen bewußt 
verzichtet.) ...

Wir weisen aus dem angeführten Grund nochmals die ...(vom Rechtsanwalt 
mehrmals) ultimativ geforderte gänzliche Entfernung von 8 Bäumen als 
gesetzlich nicht gedeckt zurück". Wir hörten von verschiedenen Seiten 
Rechtfertigungen von Anwälten, es sei üblich, Forderungen hoch anzusetzen, 
die man in Verhandlungen wieder reduzieren könne. Das mag im Geldbereich 
funktionieren, nicht aber bei irreversiblen Handlungen wie dem Fällen von 
Bäumen u. ähnl.

"Durch das Schreiben eines Anwaltes eingeschüchterte Bürger, die ultimative 
Forderungen brav erfüllen, beschneiden dadurch nicht nur ihre Bäume selbst 
sondern auch ihre Rechte. Aus diesem Grund fällt Bürgerrechts- und 
Umweltbewegungen eine unverzichtbare Aufgabe zu, die wir - persönlich und 
auch als Verein - seit Jahrzehnten gemeinsam mit Kooperationspartnern im 
In- und Ausland (darunter auch die heurige Friedensnobelpreisträgerin 
Wangari Maathai mit ihrem "Green Belt Movement" - siehe unten) entsprechend 
unseren Möglichkeiten wahrnehmen.

Damit wurde unser Haus auch Sitz des Vereins "Begegnungszentrum für aktive 
Gewaltlosigkeit", unterstützt von Mitarbeitern und Kooperationspartnern. 
Diese erhalten u.a. auch die vollständige Information über den 
gegenständlichen Konflikt während wir für die Öffentlichkeit die Identität 
der Beteiligten wie bisher anonymisieren. (Natürlich werden wir auch im 
Fall einer Mediation über interne Details in der Öffentlichkeit nicht 
berichten.) Einer unserer Schwerpunkte ist seit vielen Jahren der 
Umweltschutz und eines unserer Ziele ist auch: "Einzelne bzw. Gruppen, die 
von der Verletzung ihrer Rechte betroffen sind, in ihren Bemühungen um 
Gerechtigkeit zu unterstützen"... Es ist daher unsere Aufgabe, nicht nur 
unsere Mitglieder, aber auch andere Betroffene vor Praktiken wie Sie sie in 
Ihrem ersten Brief androhten, zu warnen. Um mehr Natur in den 
Siedlungsräume zu bringen und zu verhindern, dass noch mehr 
ungerechtfertigten Baumrodungen und Honorarzahlungen gefordert werden, 
haben wir uns der Kampagne des Österreichischen Naturschutzbundes 
'NaturfindetStadt' angeschlossen. Dieser Kampagne ist in der Öffentlichkeit 
mit entsprechender Medienbeteilung und nicht im stillen Kämmerlein zu 
betreiben. Damit den Bürgern weder ihre Rechte noch ihre Bäume unrechtmäßig 
beschnitten werden!"

Soweit die Auszüge aus unserer Stellungnahme an den Rechtsanwalt und mein 
Kommentar.
Wir finden es sinnvoll, dass wir den Konflikt - der uns jahrelang genervt 
hat (viele unserer Freunde berichteten uns von ähnlichem - auf eine 
überregionale und auch konstruktiv orientierte Ebene der Kampagne 
'NaturfindetStadt' heben können.

Matthias Reichl

---------------------------------------------------------------------------------

"Green Belts" rund um Häuser und Gärten bei uns und in Kenia

Die Praxis, Häuser und Gärten durch eine Baumreihe zu schützen praktiziert 
auch die Wangari Maathai in Kenia mit Tausenden Frauen. An die 30 Millionen 
Bäume wurden gepflanzt. Heute, 10.12. erhält Wangari in Oslo den 
Friedensnobelpreis 2004. (Siehe auch Info 154)

M.R.

Erste Biographie von Wangari Maathai, Friedensnobelpreisträgerin 2004:

Stefan Ehlert: Wangari Maathai - Mutter der Bäume. Die erste afrikanische 
Friedensnobelpreisträgerin. 2004 Verlag Herder,  € 8,90

Die 64jährige Professorin der Veterinäranatomie Wangari Maathai kämpft seit 
Jahrzehnten furchtlos für Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz - mit 
überwältigendem Erfolg. Sie war die erste Kenianerin, die einen Doktortitel 
erlangte; die erste, die Professorin wurde und die erste, die sich mit dem 
korrupten, brutalen Regime des ehemaligen Diktators Daniel arap Moi 
(Staatspräsident von Kenia von 1978-2002) anlegte. 1977 gründete sie die 
"Grüngürtelbewegung" und hat seither über 30 Millionen Bäume gepflanzt und 
sich in unzähligen Initiativen gegen Rechtlosigkeit, materielle Not, 
Raubbau, Gewalt und für bessere Lebensverhältnisse engagiert. Sie wurde oft 
eingesperrt, verprügelt und misshandelt - aber sie ließ sich nicht aufhalten.

"Dies ist eine Würdigung der Frauen Afrikas, die trotz aller Probleme 
weiterkämpfen", erklärt Maathai. Der Friedensnobelpreis ist eine großartige 
Bestätigung für ihren Mut und ihre Arbeit, aber gleichzeitig auch für die 
vielen anderen Frauen in Afrika.

Ihre Homepage: www.wangarimaathai.or.ke, www.greenbeltmovement.org

Der Autor Stefan Ehlert ist Kenia-Experte und lebt als freier Journalist in 
Nairobi. Er zeichnet in dem Buch den Lebensweg dieser ebenso streitbaren 
wie erfolgreichen Frau nach. Ihre unglaubliche Energie, ihr Wille, die Welt 
zu verändern - auch gegen die Schranken, die das Regime setzte - stehen im 
Zentrum dieser Biographie.

(Pressetext des Herder Verlages).

===========================================================

Matthias Reichl

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

Wolfgangerstr.26

A-4820 Bad Ischl

Tel. +43-6132-24590

e-mail: mareichl at ping.at

http://www.begegnungszentrum.at




Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief