[E-rundbrief] Info 2134 - Defender Europe 22 NATO-Manöver-Vorbereitung
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Nov 11 12:02:05 CET 2021
E-Rundbrief Info 2134 - NATO-Manöver 2022 - Unstimmigkeiten bei der
Vorbereitung von Defender Europe 22.
Bad Ischl,11.11.2021
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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"Eine einheitlichere Front gegen Russland".
USA: Unstimmigkeiten bei der Vorbereitung von Defender Europe 22.
NATO baut ihre Stellung am Schwarzen Meer gegen Russland aus. Türkei
wird dort zum unsicheren Kantonisten.
pressenza.com
https://www.pressenza.com/de/2021/11/eine-einheitlichere-front-gegen-russland/
Unstimmigkeiten in den USA begleiten die Vorbereitungen für das
Großmanöver Defender Europe 22. Ursache ist, dass das Pentagon
militärische Modernisierungen im eigenen Land in den Vordergrund der
Übung rücken will; daher wird laut Berichten die Anzahl der Truppen,
die 2022 über den Atlantik nach Europa sowie in Richtung Russland
verlegt werden, gegenüber den ursprünglichen Plänen reduziert. Dies
ruft im US-Repräsentantenhaus Unmut hervor. Die Bundeswehr dagegen
will sich an der Kriegsübung in ähnlicher Weise beteiligen wie 2020
und 2021. Unabhängig davon haben die NATO-Verteidigungsminister Ende
vergangener Woche neue Schritte eingeleitet, um die Stellung des
Kriegsbündnisses im Machtkampf gegen Russland vor allem in der
Schwarzmeerregion weiter zu stärken. Das Schwarze Meer besitzt für
Russland hohe Bedeutung – einerseits zur Verteidigung seiner
Südflanke, andererseits für die Machtprojektion seiner Marine ins
Mittelmeer sowie in den Nahen Osten. Beides nimmt die NATO ins Visier.
Dabei bekommt ihre Stellung am Schwarzen Meer erste Risse: Die Türkei
gilt mittlerweile als unsicherer Kantonist.
Schwerpunkt Modernisierung
Unstimmigkeiten in den USA überschatten die Vorbereitungen für das
Großmanöver Defender Europe 22. Berichten zufolge wird die Übung, die
einmal im Jahr den Aufmarsch von US-Truppen über den Atlantik und den
europäischen Kontinent in Richtung Russland probt [1], laut aktuellem
Planungsstand kommendes Jahr nicht, wie zunächst vorgesehen, in
Divisionsstärke abgehalten werden. Zwar sollen US-Truppen wieder in
fünf europäischen Häfen anlanden – neben dem Mittelmeer und der Ostsee
auch im Nordatlantik -, sodann Bestände aus US-Waffenlagern (Army
Prepositioned Stock, APS) aufgreifen und in „Schlüsselgebiete“ in
Europa ausschwärmen. Der Schwerpunkt soll diesmal aber auf
Modernisierungsbestrebungen in den Vereinigten Staaten selbst liegen.
Dass die US-Truppenpräsenz in Europa dadurch etwas geringer ausfallen
könne als in den vergangenen beiden Jahren, hat im
Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses für Unmut gesorgt. Das
Pentagon solle „seine Entscheidung überdenken“ sowie dafür sorgen,
dass die „Auswirkungen auf Bereitschaft, Abschreckung und
Interoperabilität“ begrenzt blieben, heißt es in einem Schreiben des
Vorsitzenden des Ausschusses an das US-Verteidigungsministerium.[2]
Unterstützung beim Transit
Noch nicht wirklich klar ist, inwiefern sich die Unstimmigkeiten in
Washington auf den deutschen Beitrag zu Defender Europe 22 auswirken
werden. Das Bundesverteidigungsministerium ist laut Auskunft der
Bundesregierung bereits seit Ende 2020 in die Vorbereitungen für das
Großmanöver eingebunden; ursprünglich war dabei von einem
„Übungsschwerpunkt in Nordeuropa“ die Rede.[3] Im Februar dieses
Jahres berichtete dann Peter Tauber, Parlamentarischer Staatssekretär
im Berliner Verteidigungsministerium, im Bundestag, die Teilnahme der
Bundeswehr an einigen Teilübungen sei bereits fest geplant; Tauber
nannte explizit Saber Guardian 2022, Swift Response 2022 und eine
Gefechtsstandübung. Vorgesehen sei auch „ein deutsch-amerikanisches
Übungsvorhaben auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz“.[4] Tauber
berichtete schon damals, Defender Europe 22 werde sich vom
diesjährigen Großmanöver vermutlich „vorrangig im Kräfteumfang
unterscheiden“; „konkrete Unterstützungsforderungen“ seien dabei „an
die Bundesregierung bisher nicht herangetragen“ worden. Man gehe davon
aus, die Bundeswehr werde „erneut durch das Erbringen von
Unterstützungsleistungen beim Transit multinationaler Kräfte sowie bei
der Verlegung von US-Streitkräften bzw. von US-Material“ beteiligt sein.
Von der Arktis bis zum Kaukasus
Unabhängig von der Defender Europe-Manöverserie haben die
NATO-Verteidigungsminister Ende vergangener Woche einen neuen
„Masterplan“ für militärische Aktivitäten des Kriegsbündnisses im
Machtkampf gegen Russland beschlossen. Zuvor hatten westliche Militärs
und Strategen massiv Druck gemacht, die Positionen der NATO besonders
in der Schwarzmeerregion zu stärken. Bereits im Juni 2020 etwa hatte
Generalleutnant a.D. Ben Hodges, ehedem Oberkommandierender der
US-Landstreitkräfte in Europa, konstatiert, das westliche Bündnis
konzentriere sich bisher vor allem darauf, seine Stellungen im
Baltikum auszubauen; dabei befinde man sich im Machtkampf mit Moskau
in einer gewaltigen Region: „von der Arktis bis zum Kaukasus und von
der Ostsee bis zum Schwarzen Meer“. Vor allem am Schwarzen Meer habe
die NATO inzwischen „Lücken“ in ihrer militärischen Positionierung
entstehen lassen, die sich unter anderem darin zeigten, dass sie sich
im Baltikum mit einer „verstärkten Vornepräsenz“ („enhanced Forward
Presence“, eFP) in Stellung gebracht habe, am Schwarzen Meer bislang
aber nur mit einer nicht ständigen, „maßgeschneiderten Vornepräsenz“
(„tailored Forward Presence“). Anstreben müsse man dringend „eine
einheitlichere, zusammenhängendere Front“.[5]
Der NATO-„Masterplan“
Die NATO hat mittlerweile entsprechende Maßnahmen eingeleitet. So hat
sie etwa – parallel zur Luftraumüberwachung im Baltikum („Baltic Air
Policing“) – in der rumänischen Hafenstadt Constanța ein enhanced Air
Policing South (eAPS) etabliert, an dem sich die deutsche Luftwaffe
zeitweise beteiligt.[6] Die Bundeswehr ist zudem in den Ausbau des
Multinational Corps South-East (MNC-SE) im rumänischen Sibiu
involviert. Der neue „Masterplan“, den Ende vergangener Woche die
NATO-Verteidigungsminister beschlossen, umfasst streng vertrauliche
Pläne für gleichzeitige militärische Schritte gegen Russland im
Baltikum sowie in der Schwarzmeerregion. Zudem sind weitere
Aufrüstungsvorhaben geplant. Sie sehen nicht nur die Beschaffung neuer
Kampfjets der fünften Generation vor – Tarnkappenjets des US-Modells
F-35 sowie das deutsch-französische FCAS [7] -, sondern auch den
Erwerb neuer Raketenabwehrsysteme, entweder US-Patriot-Batterien
(Raytheon) oder das europäische SAMP/T (Eurosam mit Sitz in Paris).[8]
Zusätzlich kündigten 15 NATO-Mitgliedstaaten am Rande des
Verteidigungsministertreffens an, gemeinsam die Entwicklung neuer
Luftabwehrsysteme zu forcieren.[9] Die Bundesrepublik beteiligt sich
daran.
Die Bedeutung des Schwarzen Meeres
Dabei spielen im Hintergrund unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Im
Schwarzen Meer steht für Russland einerseits die Verteidigung seiner
Südflanke gegen etwaige Angriffe fremder Mächte im Vordergrund – „im
Sinne von Schutz und Verteidigung des russischen Staatsgebiets“, wie
es vor geraumer Zeit in einer Analyse in der Zeitschrift MarineForum
hieß.[10] Gleichzeitig bildet die russische Schwarzmeerflotte „das
strategische Rückgrat der Machtprojektion Russlands über den Bosporus
hinaus ins östliche Mittelmeer und den Nahen Osten“; dies gilt als
eine wichtige Grundlage für die „Ausdehnung russischen Einflusses nach
Südosteuropa und bis zur Levante“, etwa nach Syrien. Für die NATO geht
es deshalb im Schwarzen Meer nicht nur um eine offensive
Positionierung, sondern auch darum, Russlands Einfluss im
Mittelmeergebiet zurückzudrängen. Hinzu kommt allerdings, dass die
Stellung des westlichen Militärbündnisses ihrerseits erste Risse
bekommt: Die Türkei, die die gesamte Südküste des Schwarzen Meeres
abdeckt und mit den Dardanellen und dem Bosporus letztendlich die
Zufahrt zu dem Gewässer kontrolliert, kooperiert immer enger mit
Russland und gilt im Westen mittlerweile als unsicherer Kantonist
(german-foreign-policy.com berichtete [11]). Das schwächt die NATO im
Schwarzen Meer.
[1] S. dazu Testmobilmachung gen Osten (III) und Kein Lockdown für
Militärs (II).
[2] Jen Judson: US Army insists next year’s Defender Europe is not
canceled. defensenews.com 11.10.2021.
[3] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Abgeordneten Christian Sauter, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios
Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Deutscher
Bundestag, Drucksache 19/25059. Berlin, 08.12.2020.
[4] Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 1. Februar 2021
eingegangenen Antworten der Bundesregierung. Deutscher Bundestag,
Drucksache 19/26440. Berlin, 05.02.2021.
[5] Ben Hodges, Janusz Bugajski, Ray Woycik, Carsten Schmiedl: NATO
Needs a Coherent Approach to Defending its Eastern Flank.
warontherocks.com 12.06.2020.
[6] S. dazu Im Einsatz am Schwarzen Meer.
[7] S. dazu Der High-Tech-Kampfjet der EU.
[8] Neuer Masterplan zur Abschreckung Russlands. tagesschau.de 21.10.2021.
[9] Fifteen Allies deepen cooperation on Ground Based Air Defence.
nato.int 21.10.2021.
[10] Marion Kipiani: Russlands maritime Strategie im Schwarzen Meer.
Umsetzung und Folgen für die NATO. In: MarineForum 11/2018. S. 20-23.
[11] S. dazu Das Schwinden des eurozentrierten Blicks.
Diese ist eine unmoderierte Informationsliste von Friedensfreund*innen
aus Deutschland, die in Zusammenarbeit mit dem internationalen
Netzwerk "No to war - no to NATO" Aktionen in Deutschland gegen die
NATO und das NATO Kriegsmanöver Defender 2020 ff. vorbereiten.
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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