[E-rundbrief] Info 1259 - Alternativer Nobelpreis 2013 - Paul Walker (USA)

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Fr Sep 27 23:54:21 CEST 2013


E-Rundbrief - Info 1259 - Right Livelihood Foundation (S): 
Alternativer Nobelpreis 2013 für Paul Walker (USA).

Bad Ischl, 27.9.2013

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

================================================

"Alternativer Nobelpreis" 2013

PAUL WALKER (USA)


„... für seinen unermüdlichen Einsatz, um die Welt von chemischen 
Waffen zu befreien“.

Dr. Paul Walker ist einer der effektivsten Wegbereiter für die 
Abschaffung von Chemiewaffen. Durch seinen Einsatz hat er dazu 
beigetragen, dass mehr als 55 000 Tonnen chemischer Waffen aus sechs 
deklarierten nationalen Arsenalen sicher und nachprüfbar eliminiert 
wurden. Er spielt eine Schlüsselrolle dabei, dass die USA jährlich 
über eine Milliarde Dollar für wirkungsvolle Programme zur 
Waffenkontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung zur Verfügung stellen. 
Paul Walker hat Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, 
Expertenkommissionen und Bürgerbewegungen dazu gebracht, sich für eine 
vollständige Umsetzung der Chemiewaffenkonvention und eine Welt frei 
von chemischen Waffen einzusetzen.

Ausbildung und berufliche Laufbahn

Paul F. Walker wurde am 28. April 1946 geboren. Nach seinem 
Bachelor-Abschluss in Modernen Sprachen am College of the Holy Cross 
(Worcester, Massachusetts) 1968 diente er dem US-Militär im
Sicherheitsdienst der Armee als Fachmann für Geheimdienstinformationen 
über die Sowjetunion. Nach seiner Entlassung im Jahr 1971 kehrte er 
zurück an die Universität, wo er 1973 den Master-Abschluss an der 
Johns Hopkins School of Advanced International Studies (Washington 
D.C.) ablegte und 1978 seinen Doktortitel in Politikwissenschaften am 
Massachusetts Institute of Technology (MIT) erwarb.

Paul Walkers starkes und dauerhaftes Engagement für Frieden und 
Gerechtigkeit, Waffenkontrolle, Abrüstung und Gewaltfreiheit geht 
zurück auf seine Studien am Jesuitischen Holy Cross College, auf 
seinen Militärdienst auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges und sein
akademisches Praktikum in der US Arms Control and Disarmament Agency 
(ACDA).

Walker arbeitete als promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter in 
der Forschung am Harvard University’s Center for Science and 
International Affairs und veröffentlichte zusammen mit der Boston
Study Group ein Buch mit dem Titel "The Price of Defense", in dem er 
sich dafür ausspricht, dass die amerikanische Außen- und 
Militärpolitik präventiver, diplomatischer und weniger militärisch 
sein sollte. 1979 gründete Paul Walker das 
Nuklearwaffenkontrollprogramm der Union of Concerned
Scientists (UCS) und veröffentlichte zusammen mit Harvard- und 
MIT-Kollegen den zweiten Band seines Werkes mit dem Titel, "The 
Nuclear Almanac". Anschließend fungierte er von 1982 bis 1983 als 
Direktor für Bildungs- und Programmarbeit der Organisation Physicians 
for Social Responsibility (PSR).

In seiner Zeit bei der UCS arbeitete er erfolgreich gegen die 
Einführung eines neuen mobilen strategischen Raketensystems (MX). Am 
Veterans‘ Day, dem 11 November 1981, lancierte er das erste nationale 
Teach-In zum Thema Atomwaffen und Atomkrieg. Bei PSR managte er die
medizinischen Bildungsprogramme zum Thema Gesundheitsfolgen von 
Atomwaffen und Atomkrieg, und er wurde außerdem in vielen 
US-amerikanischen Gerichtsprozessen gegen Anti-Atomwaffen-Aktivisten 
als Experte und Zeuge der Verteidigung aufgerufen.

Von 1986 bis 1993 war er Co-Direktor des Institute for Peace and 
International Security und organisierte die ersten Arbeitsgruppen zu 
„gemeinsamen Sicherheitsfragen“, an denen Vertreter der Sowjetunion, 
der USA und Europas teilnahmen. Von 1993 bis 1995 wirkte er als 
Mitarbeiter des Committee on Armed Services im US-Repräsentantenhaus. 
Während dieser Zeit, im Juli 1994, organisierte er die erste 
amerikanische Vor-Ort-Inspektion eines russischen Chemiewaffendepots
in Shchuchye im Oblast Kurgan in Russland, und er half dabei, die 
finanzielle und technische Unterstützung der USA für das russische 
Chemiewaffen-Zerstörungsprogramm sicherzustellen.

1995 wurde Paul Walker Direktor des Legacy of the Cold War Program bei 
Global Green USA, dem US-amerikanischen Ablegers des Green Cross 
International (GCI, Internationales Grünes Kreuz), das 1993 von 
Michael Gorbatschow gegründet wurde. Diese Programm wurde später
umbenannt in Environmental Security and Sustainability Program, und 
Walker leitet weiterhin dessen erfolgreiche Bemühungen, Waffen – ob 
nuklear, chemisch, biologisch oder konventionell – weltweit 
sicherzustellen und zu eliminieren.

Einsatz für eine chemiewaffenfreie Welt

Die weltweite Abscheu angesichts der entsetzlichen Folgen chemischer 
Waffen, die zu ca. 90 000 Opfern im Ersten Weltkrieg geführt hatten, 
brachte die Regierungen dazu, solche Waffen zu ächten. Das Genfer 
Protokoll von 1925 verbietet den Gebrauch von Chemiewaffen, und die
Chemical Weapons Convention (CWC, dt. Chemiewaffenkonvention oder CWK) 
von 1997 geht noch weiter, indem sie zusätzlich deren Entwicklung, 
Produktion und Lagerung untersagt. Das Verbot von Produktion und 
Gebrauch chemischer Waffen wird heute allgemein als Prinzip des 
Völkergewohnheitsrechts anerkannt, das für alle Staaten verbindlich 
ist. Paul Walker hat unerbittlich und auf allen Ebenen – mit 
Ministerien und Militärs, Gesundheits- und Umweltgruppen sowie 
international mit der Organisation for the Prohibition of Chemical 
Weapons (OPCW) und der G-8 Partnership Against the Spread of Weapons 
and Materials of Mass Destruction dafür gearbeitet, diese 
internationale Norm durchzusetzen und die kooperative, sichere, 
umweltgerechte und rechtzeitige Vernichtung aller Chemiewaffen 
weltweit zu ermöglichen.

Die CWK verfügt, dass alle deklarierten Chemiewaffen-Arsenale bis zum 
April 2012 hätten zerstört sein sollen. Im Jahr 2013 waren 189 Länder 
Mitgliedstaaten der CWK. Von den sieben erklärten Besitzerstaaten der 
Konvention haben drei ihre Arsenale erfolgreich eliminiert –
Albanien 2007, Südkorea 2008 und Indien 2009. Bis zum Januar 2012 
hatten die USA 89,7% ihrer 28 600 Tonnen zerstört und Russland 75% 
seiner 40 000 Tonnen. Einige wenige Tonnen aus Libyens viel kleinerem 
Arsenal müssen immer noch zerstört werden, genauso wie die
chemiewaffenbezogene Ausrüstung des Iraks und dessen alte Waffen.

Als Direktor für Environmental Security and Sustainability (ESS) beim 
Internationalen Grünen Kreuz hat Paul Walker dieses Programm während 
der letzten siebzehn Jahre geleitet. Dabei setzte er sich auf lokaler, 
regionaler, nationaler und globaler Ebene dafür ein, 
Chemiewaffenarsenale auf sicherem Wege zu demilitarisieren und zu 
vernichten sowie die CWK vollständig zu implementieren. Unter Walkers 
Führung trug das ESS-Programm dazu bei, dass ca. 55.000 Tonnen 
chemischer Waffen sicher und nachprüfbar eliminiert wurden (das sind 
über vier Millionen Waffen und beinahe 80% der angegebenen weltweiten 
Arsenale). Des weiteren spielt er eine Schlüsselrolle bei der 
Beschaffung von jährlich über einer Milliarde Dollar für 
wirkungsvolle, internationale Programme in den USA, die 
Waffenkontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung ermöglichen. Er und 
seine Kollegen vom Grünen Kreuz trugen außerdem 1997 wesentlich zur
Ratifizierung der Chemiewaffenkonvention in der russischen Duma und im 
US Senat bei.

Walkers derzeitige Bemühungen konzentrieren sich u.a. darauf, dass 
auch die letzten sieben Staaten, die die CWK nicht ratifiziert haben 
(Angola, Ägypten, Israel, Myanmar, Nordkorea, Süd-Sudan und Syrien) 
den Abschaffungspakt unterzeichnen. (Syrien ist mit Wirkung zum 14.
Oktober 2013 der Chemiewaffenkonvention beigetreten.)

Paul Walker ist bekannt für sein Geschick, die verschiedenen 
Interessenvertreter aus aller Welt zusammenzubringen und zu 
Verhandlungen zu bewegen. Unter der Federführung der Chemical
Weapons Convention Coalition (CWCC), die von Paul Walker koordiniert 
wird, hat sich die zivilgesellschaftliche Teilnahme an der 17. 
jährlichen CWC Conference of States Parties im November
2012 auf 150 Nichtregierungsorganisationen erhöht.

Förderung der sicheren Vernichtung von Chemiewaffen

Walker war maßgeblich daran beteiligt, das gesamte politische Spektrum 
der USA für finanzielle und weitere Unterstützung zu gewinnen, um 
chemische Waffen in den Vereinigten Staaten und
Russland zu zerstören. Seit er 1994 an einer US-amerikanischen 
Vor-Ort-Inspektion eines der sieben deklarierten Chemiewaffen-Arsenale 
Russlands teilnahm, hat Paul Walker, wie oben erwähnt, dabei geholfen, 
dass der Kongress jährlich Mittel von über 500 Millionen USD für das 
US Cooperative Threat Reduction (CTR oder „Nunn-Lugar“) Programm 
bereitstellt, sowie über 1 Milliarde USD für das amerikanische 
Chemiewaffenzerstörungsprogramm und nochmals 1
Milliarde für Bemühungen zur Nichtverbreitung von Kernwaffen.

In enger Zusammenarbeit mit Kollegen vom Grünen Kreuz Russland und der 
Schweiz hat er außerdem dabei mitgewirkt, den lokalen Dialog, 
öffentliche Anhörungen und die ersten Citizens‘ Advisory Commissions 
(CACs) in Russland zu ermöglichen, die für Transparenz und 
demokratische Entscheidungsfindung bei der Demilitarisierung von 
Waffensystemen sorgen sollen. Er und seine Mitarbeiter vom Grünen 
Kreuz haben damit begonnen, für ein Pilotprogramm zur Beseitigung
all jener versteckten Müllkippen für toxische chemische Stoffe und 
Waffen zu werben, die es seit dem letzten Jahrhundert zu Tausenden an 
Land und in den Ozeanen der Welt gibt.

Ein Vorbild für die Zerstörung aller Massenvernichtungswaffen

Walker kümmert sich auch um das ganze Spektrum von Fragen bezüglich 
anderer Massenvernichtungswaffen. Er glaubt, dass die globale, 
nachprüfbare Eliminierung einer ganzen Klasse von 
Massenvernichtungswaffen – der Chemiewaffen – als Vorbild für eine 
Welt dienen kann, die ebenfalls frei ist von nuklearen und 
biologischen Waffen, und er preist die CWK als Nichtverbreitungsmodell.

Walker hat während der jährlichen Überprüfungskonferenzen der 
Biological Weapons Convention Nebenveranstaltungen organisiert, auf 
denen er sich sowohl für die Stärkung der Konvention selbst einsetzte 
als auch dafür, dass die Staaten strengere Maßnahmen ergreifen, um den
potentiellen Missbrauch tödlicher Krankheitskeime zu verhindern, und 
die öffentliche Gesundheit und die Umwelt besser schützen.

Während der 90er Jahre unterstützte er die Fürsprecher der 
Anti-Nuklearwaffen-Bewegung und beteiligte sich an der Kampagne, die 
zu dem Urteil des Internationalen Gerichtshofes führte, dass der 
Gebrauch nuklearer Waffen unter den meisten Umständen gesetzeswidrig 
ist. 1995 unterstützte Walker Daniel Ellsberg (Right Livelihood Award 
2006) bei dessen Hungerstreik, mit dem er die Nuclear 
Non-Proliferation Treaty Review Conference dazu bewegen wollte, 
bedeutsame Schritte zu einer Abschaffung von Nuklearwaffen zu 
unternehmen. Walkers Netzwerk und sein diplomatisches Geschick führten 
zu einem großen Medieninteresse an Ellsbergs Hungerstreik
und halfen dabei, Abolition 2000 zu gründen, ein Netzwerk von 
zivilgesellschaftlich organisierten Befürwortern der Abschaffung von 
Nuklearwaffen, das der UN-Generalversammlung im Jahr 2010 eine Liste 
mit 21 Millionen Unterschriften für die Beseitigung nuklearer Waffen 
vorlegte. Im selben Jahr setzte er sich erfolgreich bei Abgeordneten 
dafür ein, dass der US-Senat ein neues START-Abkommen über 
strategische Nuklearwaffen zwischen den USA und Russland ratifizierte.

Auszeichnungen

Während seiner langen und herausragenden Karriere wurden Paul Walker 
eine ganze Reihe von Mitgliedschaften und Preisen verliehen, wie der 
Peace and Justice Award der Cambridge Peace Commission (1995), der 
Special Recognition Award des Lakes Region Conservation Trust (1985 
und 1999), der Sanctae Crucis Award, die höchste Auszeichnung für 
ehemalige Studenten des College of the Holy Cross (2007) und der 
Sidel-Levy Award for Peace von der American Public Health Association 
(2012).

Zitat von Paul F. Walker:

„Es ist für uns alle wichtig zu erkennen, dass wir uns während unserer 
kurzen Zeit auf Mutter Erde dafür einsetzen müssen, diesen Planeten 
als einen friedvolleren, gerechteren und nachhaltigeren Ort für 
zukünftige Generationen zu hinterlassen.“

Übersetzung: Markus Wülfing

Kontaktdaten:
Paul F. Walker, Ph.D.
Director, Environmental Security and Sustainability, Green Cross 
International
www.gcint.org
www.globalgreen.org

Videos: http://www.rightlivelihood.org/walker_videos.html

Publikationen: http://www.rightlivelihood.org/walker_publications.html

-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Salzkammergut,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX

--

Ausgezeichnet mit dem (österr.) "Journalismus-Preis von unten 2010"

Honoured by the (Austrian) "Journalism-Award from below 2010"






Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief