[E-rundbrief] Info 532 - Weltforum Ernährungssouveraenitaet

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Apr 10 21:34:40 CEST 2007


E-Rundbrief - Info 532 - Gerhard Klas: 1. 
Weltforum zur Ernährungssouveränität in Mali 
(Westafrika). Gute Produkte, sinnvolle Beschäftigung.

Bad Ischl, 10.4.2007

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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1. Weltforum zur Ernährungssouveränität

Gute Produkte, sinnvolle Beschäftigung

Gerhard Klas

In Mali (Westafrika) tagte vom 23. bis 27.Februar 
das erste Weltforum für Ernährungssouveränität.

Was bedeutet Ernährungssouveränität? "Für uns ist 
es das Recht, das absolute Recht, unsere 
Agrarfrüchte auf unserem eigenen Land zu 
produzieren, in unserer eigenen Region, mit 
ökologischen Mitteln. Von unseren Regierungen 
verlangen wir, dieses System der Agrarproduktion 
zu unterstützen, politisch und mit finanziellen 
Mitteln", sagt der indische Agraraktivist 
Peryapatna Satheesh, einer der Initiatoren des 
ersten internationalen Forums zur 
Ernährungssouveränität, das im Februar in 
Sélingué stattfand, einem Dorf 150 Kilometer 
entfernt von Malis Hauptstadt Bamako.

Mehr als 500 Vertreter von Kleinbauern- und 
Fischerorganisationen aus fünf Kontinenten waren 
in die abgelegene Region gereist. Die 
Organisatoren, darunter Via Campesina, das 
internationale Netzwerk der 
Kleinbauernorganisationen, und Friends of the 
Earth, die Dachorganisation der deutschen 
Umweltschutzorganisation BUND, betrachten 
Ernährungssouveränität als Gegenkonzept zum 
globalisierten Handel und zur industriellen Herstellung von Agrarprodukten.

Der Begriff Ernährungssouveränität stammt vom 
Welternährungsgipfel 1996. Seitdem orientieren 
sich viele Kleinbauernorganisationen, soziale 
Bewegungen, biologische Landwirtschaftsprojekte 
und NGOs daran, die Bewegung ging aus dem 
Widerstand gegen das neoliberale Agrarmodell und 
praktischen Alternativen hervor.

"Wir sind willens und in der Lage, die 
Bevölkerung der Welt zu ernähren, aber unsere 
viele Generationen alten Fähigkeiten, gute, 
gesunde und reichhaltige Lebensmittel zu 
produzieren, sind bedroht und werden ausgehöhlt - 
durch Neoliberalismus und die kapitalistische 
Globalisierung", heißt es in der 
Abschlusserklärung von Mali. Die derzeitige 
Weltagrarordnung bezeichnen sie als "Neokolonialismus".

Ernährungssouveränität setzt auf 
Selbstbestimmung. Das meint das Recht der 
Regionen, Nationen und Völker der Welt, die 
einheimische landwirtschaftliche Produktion und 
den Handel mit Agrarprodukten zu schützen und zu regulieren.

Die Verfechter dieses Ansatzes sehen ihre Märkte 
durch Billigimporte zerstört, sehen wie ihnen die 
Privatisierung von Ressourcen buchstäblich das 
Wasser abgräbt, und machen die bittere Erfahrung, 
dass sie wegen internationaler 
Patentrechtsabkommen nicht mehr ihr eigenes 
Saatgut verwenden dürfen, während 
Biotechnologiekonzerne immer wieder neue Patente 
auf die Pflanzen anmelden, deren genetischer Code 
dann sprichwörtlich in das "Eigentum" dieser Konzerne übergeht.

Die meisten Regierungen und multilateralen 
Institutionen folgen seit einem 
Vierteljahrhundert einer einseitig an den 
Interessen der Agrarindustrie orientierten 
Politik: Kurzfristig wird die Produktion durch 
den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut, 
Kunstdünger und Pestiziden gesteigert. Dabei 
verlieren aber Millionen Bauern ihre Existenz, in 
die Slums der Megacities getrieben, ganze 
Landstriche veröden durch Monokulturen und die 
Umwelt wird massiv geschädigt. Diese Kosten 
tragen nicht die Agrargiganten, sondern die Allgemeinheit.

Widersinnige Armutsbekämpfung

Die Agrarindustrie will die von ihr verursachte 
Armut mit dem Export ihrer horch subventionierten 
Agrarprodukte aus dem Norden verringern. Das 
verringert weder den Hunger noch hilft es den 
Kleinbauern. Organisationen wie die Weltbank, der 
IWF und die WTO zwingen die südlichen Länder 
dazu, ihre Märkte zu öffnen. Ein rapider 
Preisverfall ist die Folge, die Bauern müssen 
ihre Landwirtschaft aufgeben. Obwohl weltweit 
mehr Lebensmittel als nötig produziert werden, 
steigt die Zahl der Hungernden nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO.

2006 lebten weltweit erstmals mehr Menschen in 
der Stadt als auf dem Land - also über 3 
Milliarden. Könnte eine Landwirtschaft, die ohne 
Pestizide, Kunstdünger und Gentechnik auskommt, 
alle diese Menschen ernähren? "Die Flucht vieler 
Landbewohner in die Städte hat der bäuerlichen 
Landwirtschaft geschadet und Millionen von sozial 
benachteiligten Menschen hervorgebracht", sagt 
Peryapatna Satheesh. Es gehe darum, diese 
Entwicklung wieder umzukehren; die Menschen aus 
den Slums würden ein gutes und existenzsicherndes 
Leben auf dem Land dem Vegetieren in den Elendsquartieren vorziehen.

"Außerdem gibt es mehr und mehr Belege, auch aus 
unserer eigenen Erfahrung, dass die Ernteerträge 
der traditionellen Landwirtschaft, die ohne 
Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik auskommt, 
bis zu 40% über denen der sogenannten modernen Landwirtschaft liegen kann."

Das bestätigt auch eine langjährige 
wissenschaftliche Untersuchung der Universität 
Sussex in Brighton - sie kam schon 2003 zum 
Ergebnis, dass mit nachhaltiger Landwirtschaft 
die Ernährungsprobleme des Südens gelöst werden 
könnten. Häufige Fruchtfolgen könnten höhere 
Ernteerträge einfahren als die Monokulturen, die 
in der industriellen Landwirtschaft vorherrschen.

Ernährungssouveränität hätte viele Vorteile: Sie 
würde die Qualität der Lebensmittel erhöhen und 
den CO2- Ausstoß und damit die Klimaerwärmung 
verringern. Denn traditionelle Landwirtschaft 
benötigt viel weniger Energie, sie kommt ohne 
klimaschädlichen Kunstdünger aus, und die 
regionale Produktion würde die Transportkosten 
für Lkw, Schiffe und Flugzeuge erheblich senken.

Es ist kein Zufall, dass das erste Weltforum zur 
Ernährungssouveränität in Mali stattfand. Denn 
Mali ist das erste Land, dessen Regierung auf 
Druck von nationalen Bauernorganisationen die 
Ernährungssouveränität in ihr Programm 
aufgenommen hat. Ob sie tatsächlich die 
Interessen ihrer Bevölkerung, die zu 80% von der 
kleinbäuerlichen Landwirtschaft lebt, schützen kann, steht in den Sternen.

Die EU-Kommission drängt auf ein neues sog. 
"Partnerschaftsabkommen" mit 79 Drittweltländern. 
Mali ist eines davon. Das Abkommen würde weitere 
Privatisierungen im öffentlichen Sektor (z.B. 
Wasser- und Stromversorgung) einleiten, und die 
Importzölle weiter senken - auch für 
subventionierte Agrarprodukte aus der EU. Das 
würde die Ausgangsbedingungen erheblich 
erschweren, zukunftsweisende Konzepte wie das der 
Ernährungssouveränität umzusetzen.

Aus: SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2007, Seite 15

http://www.vsp-vernetzt.de/soz-0704/0704152.htm

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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