[E-rundbrief] Info 2185 - Air Base Ramstein – Die Atombomben schweben über unseren Köpfen

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
So Jun 19 11:30:26 CEST 2022


E-Rundbrief Info 2185 - Pascal Luig - Tanz der Toten vor der Air Base 
Ramstein – Die Atombomben schweben über unseren Köpfen.

Bad Ischl, 19.6.2022

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Demonstration - Die Atombomben schweben über unseren Köpfen.

17.06.2022 -  Pascal Luig


Vom 19.-26. Juni ist es wieder soweit, die Kampagne Stopp Air Base 
Ramstein veranstaltet ihre alljährliche Aktionswoche. Neben einem 
einwöchigen Friedenscamp, wird es eine große Demonstration am 25. Juni 
vor der Air Base Ramstein unter dem Motto „Tanz der Toten“ geben. Die 
Kampagne wendet sich gegen Aufrüstung, fordert eine Beendigung aller 
Waffenlieferungen, Rückkehr zu Verhandlungen und Diplomatie sowie die 
Schließung der Air Base Ramstein, verbunden mit einem Prozess der 
Konversion.

Angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine, wird sich mancher 
Leser fragen, wieso mit Blick auf die momentane Bedrohung gegen eine 
militärische Einrichtung der US-Amerikaner sowie der NATO demonstriert 
wird. „Die Amerikaner sind da, die NATO ist da, wir sind dadurch 
eigentlich auch geschützt“[1], fasst es der Bürgermeister Ralf Hechler 
von Ramstein-Miesenbach zusammen. Aber entspricht dies auch den Tatsachen?

Die Rolle der Air Base Ramstein

Fakt ist, dass die zentrale Rolle der Air Base Ramstein in diesem 
Konflikt von der Öffentlichkeit bisher weitestgehend unbemerkt blieb. 
Die Militärbasis ist das größte Luftdrehkreuz der US-Streitkräfte 
außerhalb der USA. Hierüber werden schon jetzt fast alle Personen- und 
Frachttransporte der US-Streitkräfte während der Ukraine-Krise 
abgewickelt. Auf der Base befinden sich aber auch wichtige 
Kommandozentralen, die für den militärischen Flugverkehr von USA und 
NATO über Europa zuständig sind. Das integrierte Hauptquartier der U.S. 
Air Forces in Europe kann innerhalb von nur wenigen Stunden Luftangriffe 
in ganz Europa, einschließlich Russlands, organisieren. Dem AIRCOM 
Ramstein unterstehen die Luftwaffen aller NATO-Staaten. Eine 
Befehlszentrale für das sogenannte Raketenabwehrschild der USA und der 
NATO ist in das AIRCOM integriert. Das Abwehrschild wurde noch vor dem 
Ukraine-Krieg ausgebaut. Bereits unter Präsident Obama wurde die 
Stationierung neuer Mittelstreckenraketen beschlossen. Auf 
Kriegsschiffen sowie in Rumänien und Polen wurde das Aegis-Kampfsystem, 
das auch Atomraketen abschießen kann, stationiert. Das Abwehrschild soll 
die russischen Interkontinentalraketen über Europa abfangen. Das 
Kampfsystem wird vom Hersteller Lockheed Martin als „ein risikoloses 
System für die Bedrohungen von heute – ein evolutionäres System für die 
Bedrohungen von morgen“[2] angepriesen. Der Zeitraum zwischen der ersten 
Ortung des Ziels und dem Start der Abfangrakete beträgt unter 15 
Sekunden. Dieser technische Fortschritt soll den Einsatz der nuklear 
bestückten Raketen von russischer Seite quasi unmöglich machen, weil die 
russischen Raketen ihr Ziel niemals erreichen würden.
Trügerische Sicherheit

Soweit die Theorie. In der Realität stellt sich schnell heraus, dass die 
trügerische Sicherheit, einen Atomkrieg zu überleben, von den 
Waffenherstellern, den Militärs und der Politik konstruiert ist. Ein 
Raketenabwehrsystem ist fehleranfällig und hat niemals eine 
hundertprozentige Erfolgsquote, die Raketen abzufangen. Zwar gibt es 
quasi keine Tests, des in Ramstein beheimateten Raketenabwehrschildes 
unter realen Bedingungen, aber aus den Erfahrungen mit anderen 
Abwehrsystemen, wie das Patriot-System der NATO oder dem Iron Dome in 
Israel, können Voraussagen getroffen werden. Die Wahrscheinlichkeit, 
einen Atomsprengkopf mit einer Abfangrakete zu treffen, beziffern 
Friedensforscher deshalb auf höchstens 50 Prozent, vielleicht aber auch 
viel weniger.[3] Die Verteidigung gegen eine ganze Armada angreifender 
Raketen, gilt derzeit als technisch unmöglich.[4] Weltweit gibt es 
ungefähr 12.700 atomare Sprengköpfe, wovon Russland ca. 6000 besitzt. 
Die Annahme, wenn auch nur ein Bruchteil dieser Raketen gestartet 
werden, ein nukleares Szenario zu überleben, erweist sich somit als eine 
Lüge. In dem Szenario ist der nukleare Winter, der durch die nicht 
abgefangenen Atomraketen ausgelöst wird, nicht einmal einberechnet.
Raketenabwehr unter Idealbedingungen

Dies sind natürlich alles Mutmaßungen, da es bisher glücklicherweise 
bisher zu keinem Einsatz unter realen Bedingungen gekommen ist. Spielen 
wir also vorsorglich gedanklich das Szenario durch, das Abwehrsystem 
würde wie gewünscht funktioniert und alle Raketen abfangen. In diesem 
Falle würden tausende mit Plutonium bestückte Atomraketen hauptsächlich 
über Europa pulverisiert werden.[5] Plutonium zählt aber zu den 
giftigsten Substanzen der Welt. Die tödliche Dosis liegt bei 20 bis 60 
Milligramm, bereits 80 Millionstel Gramm reichen aus, um mit hoher 
Wahrscheinlichkeit Lungenkrebs auszulösen.[6] Jede Atombombe besteht 
aber aus mehreren Kilogramm Plutonium. Es lässt sich leicht ausmalen, 
was mit der Menschheit passiert, wenn sich diese in der Atmosphäre 
pulverisieren und über den Erdball verteilen.
In diesem Krieg könne wir alle nur verlieren

Die Air Base Ramstein, wäre aus den oben genannten Gründen ein 
Primärziel[7] im Falle eines Atomkrieges. Diese aus geostrategischen 
Interessen provozierte Krise kann also zu einem militärischen Konflikt 
führen, bei der nicht nur die Menschen in der Ukraine, sondern wir alle 
verlieren.

Eine mögliche nukleare Auseinandersetzung ist derzeit wahrscheinlicher 
als zu Zeiten des Kalten Krieges. Damals waren die Brücken der 
Diplomatie nicht überall fragil, es gab ein Rotes Telefon und 
internationale Verträge, die z.B. die Stationierung von 
Mittelstreckenraketen untersagten. Die Direktorin der nationalen 
Nachrichtendienste Avril Haines geht davon aus, dass Putin nur 
Atomwaffen einsetzt, wenn es eine existenzielle Bedrohung für Russland 
gibt. Dies gelte für den Fall, „wenn er den Eindruck hat, dass er den 
Krieg in der Ukraine verliert […]“.[8] Angesichts der vom Westen 
ausgesprochenen Losung, dass Putin diesen Krieg keinesfalls gewinnen 
darf und der Ruf nach Verhandlungen im Getöse nach Waffenlieferungen 
nicht einmal mehr in Erwägung gezogen wird, wäre der Weg in die letzten 
Tage der Menschheit vorgezeichnet.

Deshalb ist es notwendig, diesem Wahnsinn besonnen und deeskalierend 
entgegen zu wirken. Da dies von Politik und Medien leider kaum zu 
erwarten ist, ist es umso wichtiger, dass von der Bevölkerung ein 
Zeichen des Friedens gesetzt wird. Darum protestiert die Kampagne Stopp 
Air Base Ramstein vom 19. bis 26. Juni. Informationen zur Friedenscamp, 
Demonstration und der gesamten Aktionswoche finden sich auf 
www.stoppramstein.de. Nur wenn wir mit vielen gemeinsam für den Frieden 
demonstrieren, können wir das Kriegsgeheule von Politik und Medien stoppen.

Aktionswoche vom 19. bis 26. Juni:

     Juni: Fahrradsternfahrt
     bis 26. Juni: Friedenscamp
     bis 24. Juni: Friedenswerkstatt
     Juni: Abendveranstaltung
     Juni: Tanz der Toten – Demonstration vor der Air Base Ramstein

[1] 
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/kaiserslautern/ramstein-buergermeister-ralf-hechler-zum-ukraine-krieg-und-der-air-base-100.html
[2] 
https://www.lockheedmartin.com/content/dam/lockheed-martin/rms/documents/aegis/Aegis-trifold.pdf
[3] 
https://www.deutschlandfunk.de/was-bringt-der-nukleare-raketenabwehrschirm-der-nato-100.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/National_Missile_Defense
[5] 
https://www.heise.de/tp/features/Raketenabwehrschild-Sicherheitsberaterin-auf-Kaffeefahrt-6661571.html
[6] https://rp-online.de/politik/so-gefaehrlich-ist-plutonium_aid-13558897
[7] Neben den in Büchel gelagerten Atombomben.
[8] https://www.nachdenkseiten.de/?p=83870

Kategorien: Europa, Frieden und Abrüstung, Originalinhalt
Tags: Air Base Ramstein, Atomkrieg, Drohnenkrieg, Kampfdrohnen, NATO, 
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Ukrainekrieg

Pascal Luig
Pascal Luig ist Historiker und Politikwissenschaftler und über viele 
Jahre in der Friedensbewegung aktiv. Er ist einer der Initiatoren der 
2015 gegründeten Stopp-Air-Base-Ramstein-Kampagne. Seit 2018 ist er 
Geschäftsführer der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative – Verantwortung 
für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss).



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     Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at


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