[E-rundbrief] Info 2063 - Patente töten - Medikamente-Appell

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
So Jan 31 11:43:00 CET 2021


E-Rundbrief Info 2063 - Patents kill! Appel für die Aufhebung des 
Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente.

Bad Ischl, 31.1.2021

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Wir, die Unterzeichnenden, fordern von unseren Regierungen eine 
Politik, die Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt und 
die Macht von Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt; 
eine Politik, die an den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen 
ausgerichtet ist.

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Für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente
Jetzt unterzeichnen!

https://www.patents-kill.org/deutsch/

Patente töten

Für die Aufhebung des Patentschutzes auf alle unentbehrlichen Medikamente

Initiiert von BUKO Pharma-Kampagne und medico international 
(Deutschland), Outras Palavras (Brasilien), People’s Health Movement 
und Society for International Development

Die Welt ist zu einer Patientin geworden. Die Krankheit heißt Covid-19 
und hat uns allen die unentrinnbare Verflochtenheit des Planeten vor 
Augen geführt. Heilung geht nur global oder gar nicht – so lautet eine 
der wichtigsten Lektionen der Pandemie, der sich niemand mehr 
entziehen kann. Im Interesse der Menschheit sollte die Welt gemeinsam, 
solidarisch und im Rahmen globaler politischer Institutionen nach 
einem Impfstoff und nach Medikamenten suchen, die dann entlang von 
Bedarfen produziert und verteilt werden.

Doch so ist es leider nicht. Denn die Geschichte jeder Epidemie ist 
auch eine Geschichte des Zusammenspiels von Wissen, Macht und Politik. 
So verharmlosen einige Regierungen die Gefahr durch das Virus und 
gefährden damit Tausende Menschenleben. Andere versuchen sich Masken, 
Diagnostika oder in Entwicklung befindliche Impfstoffe exklusiv zu 
sichern. Und die Pharmaindustrie stellt ihre Gewinninteressen ins 
Zentrum. Zugleich bauen philantrokapitalistische Akteure ihren 
Einfluss aus – zulasten demokratischer Prinzipien und Normen. Von 
globaler Solidarität in der Pandemie kann an dieser Stelle nicht die 
Rede sein.

Um Covid-19 tatsächlich erfolgreich entgegentreten zu können, müssen 
die Regierungen der Welt die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass 
Forschung transparent erfolgt und medizinisches Wissen und seine 
Endprodukte als Gemeingut der Menschheit betrachtet werden. Dies ist 
die unabdingbare Voraussetzung dafür, Medikamente zur Behandlung von 
Covid-19 und einen Impfstoff mit der gebotenen Sorgfalt zu entwickeln, 
flächendeckend zu produzieren und gerecht verteilen zu können.

Doch die Politik regiert mit Business as usual. Auch jene Regierungen, 
die versprechen, die Gesundheit gegen Profitinteressen verteidigen zu 
wollen, weigern sich, eines der größten globalen Hindernisse bei der 
Versorgung der Menschen mit lebensrettenden Medikamenten in den Blick 
zu nehmen und zu beseitigen: Das globale Patentsystem mit seinen immer 
weiter voranschreitenden Verflechtungen.

Das Patentsystem hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich 
auf Gewinnmaximierung und Kapitalerträge ausgerichtet und nicht auf 
die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren 
gerechte Verteilung.

Diese globale Ungerechtigkeit weist über die Covid-19-Pandemie hinaus. 
Das wird vor allem dort sichtbar, wo Menschen unentbehrliche 
Medikamente nicht bezahlen können. Die tödliche Wucht dieses Systems 
trifft alle, aber ganz besonders schwer diejenigen, die aufgrund ihrer 
Herkunft und ihres Einkommens an den Rand der Gesellschaft gedrängt 
werden. Die Zonen des Ausschlusses reichen von Flüchtlingslagern über 
städtische Armenviertel überall auf der Welt bis zu ganzen Ländern.

Trotz des rasanten medizinischen Fortschritts und der Verfügbarkeit 
von Medikamenten zur Heilung bzw. Behandlung sterben jedes Jahr 
Millionen Menschen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diabetes oder 
Malaria. Die WHO schätzt, dass ein Drittel aller Patient*innen 
weltweit aufgrund hoher Preise und anderer struktureller Hindernisse 
keinen Zugang zu dringend notwendigen benötigten Medikamenten hat.

Nur ein Bruchteil medizinischer Forschung befasst sich überhaupt mit 
den Gesundheitsproblemen, die zwar weltweit Millionen von 
marginalisierten Menschen betreffen, jedoch von Pharmafirmen nicht als 
attraktiver Markt betrachtet werden. Die Pharmaindustrie erforscht und 
entwickelt vor allem Medikamente, die hohe Gewinne in lukrativen 
Märkten versprechen. Obwohl sie bereits zu den profitabelsten Branchen 
weltweit gehört, strebt sie dennoch nach immer größeren Gewinnen.

Den globalen Gesundheitsbedürfnissen wird sie dabei nicht gerecht. Und 
das Patentsystem sorgt dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig 
gehalten werden, deren Entwicklung auf öffentlich finanzierter 
Forschung basiert. Dies ist eine folgenschwere Form der 
Privatisierung. Sie verschleiert zudem, dass die öffentliche 
Finanzierung der Forschung und Entwicklung volkswirtschaftlich 
günstiger wäre als ihre Refinanzierung über Patente und hohe Preise.

Punktuelle Veränderungen dieses Systems, wie lebensrettende 
Preissenkungen für HIV-Medikamente, kamen erst durch jahrelangen 
internationalen öffentlichen Protest zustande, mussten also von 
Zivilgesellschaften und von der Epidemie besonders betroffenen Staaten 
erzwungen werden. Das Patentsystem schafft zudem mit der Patentierung 
von Forschungsmethoden und – instrumenten selbst Barrieren für den 
Forschungsfortschritt. Die Überwindung dieser ungerechten Strukturen 
ist ein Vorgriff auf eine Zukunft, in der die Daseinsvorsorge vom 
Markt- und Profitprinzip befreit ist und die das Menschenrecht auf 
Gesundheit als Gemeingut in das Zentrum des gesundheitspolitischen 
Handelns stellt.

Und jetzt ist das Momentum da, diesen grundlegenden Politikwechsel 
durchzusetzen.

Denn die Covid-19-Pandemie zeigt der gesamten Welt, dass 
Gesundheitspolitik eine globale Aufgabe ist, die von den Regierungen 
mit Verantwortungsbewusstsein wahrgenommen werden und an einem 
menschenrechtlichen Prinzip ausgerichtet werden muss und an nichts sonst!

Wir, die Unterzeichnenden, fordern daher von unseren Regierungen eine 
an den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen ausgerichtete Politik, die 
Arzneimittel als globale öffentliche Güter behandelt und die Macht von 
Pharmaunternehmen im öffentlichen Interesse begrenzt. Hierfür sind die 
Entkoppelung von Forschungskosten und Preis bei Medikamenten 
unabdingbar, um neue Anreizmechanismen zu setzen, die Innovationen 
fördern und zugänglich machen.

Die Vorschläge dafür liegen seit Jahren auf dem Tisch. Den Rahmen für 
diesen grundlegenden Politikwechsel böte die sofortige Einführung 
eines durch die Weltgesundheitsorganisation zu verhandelnden 
internationalen Vertrages, in dem sich Regierungen zur 
verpflichtenden, koordinierten Forschung und Entwicklung für neue 
unentbehrliche Medikamente, Diagnostika und Impfstoffe bekennen.

Weil dieser grundlegende Richtungswechsel politisch erst noch 
erstritten werden muss, müssen sofort folgende Maßnahmen ergriffen werden:

     Die Einrichtung eines globalen Patentpools für die einfache und 
kostengünstige Handhabung von Lizenzverträgen, angesiedelt bei der WHO.
     Die Verbesserung von Daten- und Preistransparenz in Forschung, 
Entwicklung und Verkauf, um Wissen breit zugänglich zu machen und 
Preise fair zu gestalten.
     Eine sozialverträgliche Lizenzierung bei allen mit öffentlichen 
Mitteln geförderten medizinischen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
     Die Förderung einer lokalen und öffentlichen pharmazeutischen 
Produktion durch die Unterstützung von Ländern des Südens beim Aufbau 
eigener Produktionskapazitäten u.a. durch Technologietransfer und 
Anschubfinanzierungen und die Schaffung leistungsfähiger regionaler 
Verteilungssysteme für Medikamente und Medizinprodukte.

-- 

     Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at


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