[E-rundbrief] Info 2000 - A. Rieger: Österreich rüstet auf

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Jul 1 12:44:15 CEST 2020


E-Rundbrief Info 2000 - Anne Rieger (A): Österreich rüstet auf - über 
Neutralität und Pesco.

Bad Ischl, 1.7.2020

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Österreich rüstet auf

Anne Rieger über Neutralität und Pesco

Dienstag, 28. April 2020 @ 09:33

Meinung

Ein Drittel der österreichischen Soldat*innen im Einsatz befinden sich 
im Auslandseinsatz, 1.166 von 3.466. Österreich ist an acht von 47 
PESCO-Projekten beteiligt, an einem davon führend.

PESCO, die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (Permanent 
Structured Cooperation), wurde 2017 gemeinsam von den EU-Außen- und 
Verteidigungsministern von 25 der damals noch 28 EU-Staaten aus der 
Taufe gehoben. Laut Gründungsurkunde sind die teilnehmenden Staaten 20 
bindende Verpflichtungen eingegangen – darunter „regelmäßig real 
steigende Verteidigungsbudgets“ zu beschließen. Auch die 
Bereitstellung von Soldat*innen und Waffen für weltweite 
EU-(Kriegs)einsätze ist Teil von PESCO. Ziel ist die enge Kooperation 
bei Aufrüstungsvorhaben: „Die EU hat einen großen Schritt in Richtung 
Verteidigungsunion unternommen“ schreibt „Die Presse“.

Österreich ist am ersten im Rahmen der Europäischen 
Verteidigungsagentur („European Defence Agency“) umgesetzten 
PESCO-Projekt beteiligt. Dabei soll der Einsatz unbemannter 
Bodensysteme und Luftdrohnen entwickelt werden, die mit Sensoren 
ausgestattet werden, um ABC-Kampfstoffe „zeitgerecht“ zu erkennen. Im 
November hatte der grünaffine Verteidigungsminister Starlinger das 
Aufrüstungsprojekt unterzeichnet.

Seine Nachfolgerin, Claudia Tanner (ÖVP), fuhr bereits zwei Monate 
nach der Amtsübernahme zu einem „informellen“ 
Verteidigungsministertreffen nach Zagreb. Dort „erörterte“ der hohe 
Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Borell, mit den 
Minister*innen und dem NATO-Generalsekretär Stoltenberg seine 
Prioritäten im Bereich der Verteidigung.

Stille Entsorgung der Neutralität

Meist still und großer Öffentlichkeit unbemerkt geht Österreichs im 
Staatsvertrag 1955 freiwillig festgelegte „immerwährende Neutralität“ 
in der EU-Aufrüstungspolitik unter. Ein schwerer Eingriff auf die 
Neutralität war der Beitritt zur „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ 
im Februar 1995, nur zwei Monate nach dem Beitritt zur EU. Erhebliche 
Schritte der Regierung zur Aufrüstungsbereitschaft war die Zustimmung 
zum 2007 vereinbarten Lissabon Vertrag, in dem es im Artikel 47(3) 
heißt: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen 
Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“.

Rüstungsbudget steigt

Österreich gab 2016 0,6 Prozent des BIP für Verteidigung aus, das 
waren 2,4 Mrd. Euro. Der damalige SPÖ-Verteidigungsminister Doskozil 
hatte aber bereits zusätzliche 1,3 Mrd. Euro bis 2020 für das Heer 
durchgesetzt. 1,2 Mrd. Euro sollen für Beschaffungen, darunter 
gepanzerte und ungepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber und Flugzeuge, 
auch Infrastruktur für Cyber Defense, bereitgestellt werden und 535 
Mio. Euro in die Infrastruktur fließen. 10.000 neue Stellen sollen bis 
2020 besetzt werden. Personal unter Arbeitslosen wurde mit medialer 
Unterstützung angeworben, das zu Auslandseinsätze bereit sein muss.

Starlinger präsentierte 2019 dem Nationalrat den 134 Seiten starken 
Bericht „Unser Heer 2030“. Danach sollen die Militärausgaben um 156 
Prozent auf 5,6 Mrd. Euro (2030) mehr als verdoppelt werden. Für den 
neutralen Staat Österreich sind das dann ein Prozent des BIP. Die 
Rüstungsinvestitionen sollen in diesem Zeitraum gar verneunfacht 
werden. Dagegen sollen die 25 Mio. für die Hacklerpension gestrichen 
werden. Der Starlinger-Bericht steht – trotzt Corona – weiterhin auf 
der Web-Seite des Ministeriums.

Auslandseinsätze

Als strategische Zielsetzung für Österreichs Sicherheits- und 
Verteidigungspolitik bestimmte Starlinger neben dem Landesschutz, die 
Stabilisierung des Westbalkans, den Außengrenzschutz der EU, die 
Sicherung der Gegenküste Nordafrikas bis zum Subsahara-Afrika, also 
des eurostrategischen Umfeldes. Er verstand es als „Beitrag zur 
internationalen Krisenvorsorge im Umfeld Europas inklusive 
Mitgestaltung der sich immer weiter entwickelnden Gemeinsamen 
Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) der EU“.

Schließlich seien „die globalisierte Wirtschaft und somit die 
Verfügbarkeit von Waren in Österreich von einem stabilen Umfeld 
abhängig.“ Im November fand das Bundesheer-Manöver „European Advance 
2019“ statt um sich für den Einsatz bei den EU-Battlegroups im 2. 
Halbjahr 2020 „zertifizieren“ zu lassen.

Laut dem schwarz-grünem Regierungsprogramm sollen Auslandseinsätze ein 
Schwerpunkt des Bundesheeres werden: “Mindestens 1.100 Soldaten“ 
sollen “als Dauerleistung für Auslandseinsätze“ bereitstehen „bei 
ausreichender budgetärer Bedeckung.“ Im 2. Halbjahr 2020 sollen wieder 
über 600 österreichische Soldat*innen im Rahmen der EU-Battlegroups 
unter der Führung der deutschen Bundeswehr auf Zuruf des EU-Rats 
innerhalb weniger Tage in Auslandseinsätze ziehen.

Rüstungsforschung

Seit 2014 erhielten österreichische Unis etwa 30 Mio. Euro vom 
US-Militär. Der Löwenanteil ging an die Uni Innsbruck. Ab 2021 wird 
ein EU-Rüstungsfonds in der Höhe von 13 Milliarden eingerichtet, ein 
Drittel davon dient ausschließlich der Förderung von 
Rüstungsforschung. Rüstungskonzerne wie Airbus, Siemens, Thales, usw. 
kaufen sich immer mehr in die Forschung ein.

Anne Rieger ist Mitglied im Landesvorstand und erweiterten 
Bundesvorstand des GLB
http://www.friedensplattform.at/?p=5969#more-5969

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     Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
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