[E-rundbrief] Info - 1969 - Recht auf Bildung - Corona-Pandemie
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Apr 23 15:38:55 CEST 2020
E-Rundbrief Info 1969 - Europäisches Trainings- und Forschungszentrum
für Menschenrechte und Demokratie (ETC Graz/ A): Stellungnahme zum
Recht auf Bildung in Österreich in Zeiten der Corona-Pandemie
Bad Ischl, 23.4.2020
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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ETC Newsletter
21. April 2020
Stellungnahme zum Recht auf Bildung in Österreich in Zeiten der
Corona-Pandemie
Die österreichische Bundesregierung und das Parlament haben zur
Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus bislang vier einschlägige
Gesetzespakete und eine Reihe von Maßnahmen mit drastischen
Auswirkungen auf die Grund- und Menschenrechte erlassen. Der
öffentliche Diskurs beschäftigt sich ausführlich mit der
grundrechtlichen Dimension der Freiheitsbeschränkungen in allen
Lebensbereichen. Die Verhältnismäßigkeit steht dabei im Vordergrund.
Diese Debatte ist begrüßenswert, sie zeigt einmal mehr, wie wichtig
diese Rechte im Alltag tatsächlich sind.
Die verordnete Kontaktvermeidung betrifft, wie andere Lebensbereiche
auch, den gesamten Bildungssektor. Im Unterschied zu anderen Bereichen
des öffentlichen und privaten Lebens nimmt der politische und der
mediale Diskurs bislang nicht auf das Menschenrecht auf Bildung als
Maßstab für die Planung und Beurteilung von Maßnahmen im
Bildungsbereich Bezug.
Das Menschenrecht auf Bildung ist in der österreichischen
Rechtsordnung verankert und kann auch in Krisenzeiten nicht ohne
Weiteres eingeschränkt werden. Die besonders hervorzuhebenden Aspekte
des Rechts auf Bildung sind die Gewährleistung einer durch Bildung
geförderten freien und vollen Entfaltung der Persönlichkeit und die
wirksame Teilhabe an einer freien Gesellschaft, welche Integration und
soziale Durchlässigkeit mitumfasst.
Achtung, Schutz und Gewährleistung des Rechts auf Bildung werden
anhand der Verfügbarkeit von Bildung, ihrer Zugänglichkeit,
Annehmbarkeit und Anpassungsfähigkeit bewertet. In erster Linie muss
daher von staatlicher Seite dafür Sorge getragen werden, dass Bildung
trotz der Schließung von Bildungseinrichtungen für alle verfügbar bleibt.
Das Recht auf Bildung erfordert den unterschiedslosen Zugang zu
Bildung. Besonderes Augenmerk ist dabei auf strukturell bedingte
Zugangsbarrieren zu legen, die sich in Notstandszeiten akut
verschärfen. Sozialer Status, ökonomischer Status, Herkunft der
Familie, Wohnort oder Alter der Kinder und Jugendlichen entscheiden
insbesondere jetzt über den adäquaten Zugang zu Bildung.
Aus menschenrechtlicher Sicht befinden sich vor allem die Fünf- bis
Fünfzehnjährigen in einer vulnerablen Situation, in der ein qualitativ
hochwertiges Bildungsangebot höchste Priorität haben muss.
Jede staatliche Unterlassung in der Wahrnehmung der Pflicht zur
Gewährleistung des Rechts auf Bildung bedeutet eine Abwälzung der
staatlichen Verantwortung auf die Eigeninitiative von Kindern und
Jugendlichen, deren Eltern und Betreuungspersonen, Lehrkräften und
einzelne Schulleitungen. Die derzeitig existierenden Modelle
überfordern viele Betroffene.
Das Recht auf Bildung muss bei der weiteren Planung der Vorgangsweise
im Bildungssektor im Vordergrund stehen. Eine klare Perspektive muss
all jenen eröffnet werden, deren Recht auf Bildung durch Schulpflicht,
Kindergartenpflicht oder Ausbildungsverpflichtung von staatlicher
Seite geschützt wird, um deren, durch Bildung zu fördernde,
Persönlichkeitsentfaltung und die gesellschaftliche Teilhabe zu
gewährleisten.
Der UNESCO Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschliche Sicherheit an
der Universität Graz und das Internationale Zentrum für Menschenrechte
in Gemeinden und Regionen sind Einrichtungen mit besonderer Verbindung
zur Bildungsorganisation der Vereinten Nationen (UNESCO).
Die Stellungnahme gibt es hier als PDF zum Download:
https://d2ag3jdu89hmr4.cloudfront.net/link_click/cOgx1SPTSG_2FRPW/4d8428490e4479d24e7e1800b033ceaa
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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