[E-rundbrief] Info 1525 - SOS Mitmensch - Brief an oesterr. Politiker gegen Ausgrenzungen
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Jun 2 10:50:01 CEST 2016
E-Rundbrief - Info 1525 - SOS Mitmensch (A): Offener Brief die Spitzen
der österreichischen Politik: Nein zu Spaltung nach Herkunft und
Religion! Keine Rückkehr zur Tagesordnung nach dieser
Bundespräsidentenwahl.
Bad Ischl, 2.6.2016
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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SOS Mitmensch (A): Offener Brief an die Spitzen der österreichischen
Politik. Keine Rückkehr zur Tagesordnung nach dieser
Bundespräsidentenwahl.
Wien (OTS) – Als Reaktion auf die knappe Bundespräsidentenwahl hat SOS
Mitmensch einen offenen Brief an die Spitzen der österreichischen
Politik verfasst. Es sei alarmierend, dass ein Kandidat, der Menschen
allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit nicht als Teil
Österreichs anerkennt, nur um wenige Stimmen das Bundespräsidentenamt
verfehlt habe. Die Politik dürfe jetzt nicht zur Tagesordnung
übergehen, so die Menschenrechtsorganisation.
SOS Mitmensch betont, dass man der Tatsache ins Auge blicken
müsse,dass das Auseinander dividieren von Menschen nach Herkunft und
Religionszugehörigkeit wieder zu einem festen Bestandteil der
österreichischen Politik geworden ist. Dieser gefährlichen Entwicklung
müsse jetzt entgegen gesteuert werden. Konkret ruft SOSMitmensch die
politisch Verantwortlichen in Österreich dazu auf,
• keine Frontenbildung entlang von Kriterien wie Herkunft, Hautfarbe,
Religion, Geschlecht, Behinderung oder sexueller Orientierung
zuzulassen und schon gar nicht zu fördern.
• Ausgrenzungsbestrebungen gegen die in Österreich lebenden
Musliminnen und Muslime unmissverständlich zurückzuweisen.
• Dialog zu unterstützen und Bewusstsein für die Vorteile von
gegenseitigem Respekt und Anerkennung zu schaffen.
• verantwortungsvoll mit politischer Macht umzugehen, egal, ob es sich
um Handlungsmacht oder um kommunikative Macht handelt.
Hier der offene Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Bundespräsident Fischer, Sehr geehrter Herr
designierter Bundespräsident Van der Bellen, Sehr geehrter Herr
Bundeskanzler Kern, Sehr geehrter Herr Vizekanzler Mitterlehner, Sehr
geehrte Mitglieder der Bundesregierung, Sehr geehrte Präsidentinnen
und Präsidenten des Nationalrats, Sehr geehrte Klubobleute von SPÖ,
ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos und TeamStronach, Sehr geehrte Landeshauptleute,
die Bundespräsidentenwahl ist geschlagen, doch wir können nicht
einfach zur Tagesordnung übergehen. Es wurden im Wahlkampf rote Linien
überschritten, über die wir reden müssen. Die wohlgravierendste
Grenzüberschreitung betrifft die Ausgrenzung von Musliminnen und
Muslimen in Österreich.
Nur wenige Stimmen haben gefehlt und Österreich hätte erstmals in der
Zweiten Republik einen Bundespräsidenten erhalten, der Menschen allein
aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit nicht als Teil Österreichs
anerkennt.
Der betreffende Kandidat ging sogar so weit, dass er im Zuge des
Wahlkampfes verfassungswidrige Gesetze gegen muslimische Frauen
einforderte – und das, obwohl es eigentlich die Aufgabe eines
Bundespräsidenten wäre, die Verfassung zu schützen und nicht zu ihrer
Verletzung aufzufordern.
Konkret sagte der Kandidat bei mehreren Gelegenheiten, dass für ihn
der Islam „kein Teil von Österreich“ sei. Er sprach von einer
„Invasion von Muslimen, die uns derzeit heimsucht“. Er warnte pauschal
vor den in Österreich lebenden Musliminnen und Muslimen und
bezeichnete es als „dramatisch“, dass ihr Anteil an der Bevölkerung in
den kommenden Jahren steigen werde. Und er forderte ein Kopftuchverbot
für muslimische Frauen im öffentlichen Raum. DerVerfassungsjurist
Bernd-Christian Funk klassifizierte diese Forderung als in klarem
Widerspruch zur österreichischen Verfassung stehend.
Der Islam ist in Österreich seit 1912 gesetzlich als
Religionsgesellschaft anerkannt. Menschen, die sich unterschiedlichen
Ausformungen des Islams zugehörig fühlen, sind seit über 100 Jahren
Teil der Alltagsrealität in Österreich, genauso wie Menschen, die sich
unterschiedlichen Ausformungen des Christentums, des Judentums oder
anderer Religionen zugehörig fühlen oder nicht religiös sind.
Ein Bundespräsidentschaftskandidat, der dieser Realität die
Anerkennung verweigert und Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft
oder Religionszugehörigkeit ausgrenzen will, trägt eine Geisteshaltung
zurück in die Politik, die viele schon für überwunden gehofft hatten.
Ethnische und religiöse Ausgrenzung dürfen in Österreich von der
Politik genauso wenig toleriert werden wie Rassismus, radikaler
Nationalismus und Fundamentalismus.
Das Pendel der Wählerinnen und Wähler hat schlussendlich hauchdünn für
jenen Kandidaten ausgeschlagen, der keine ausgrenzenden Äußerungen
getätigt und keine verfassungswidrigen Forderungen erhoben hat.
Doch wir müssen der Tatsache ins Auge blicken, dass das Auseinander
dividieren von Menschen nach Herkunft und Religionszugehörigkeit
wieder zu einem festen Bestandteil der österreichischen Politik
geworden ist.
Wir halten das für eine gefährliche Entwicklung. Wenn uns unsere
Demokratie am Herzen liegt, dann muss diese Bundespräsidentenwahl ein
Weckruf an uns alle sein!
Denn Demokratie ist kein Selbstläufer. Unsere unumkehrbar vonVielfalt
geprägte Gesellschaft kann nur dann langfristig funktionieren, wenn
Gräben nicht zu tief und Brückenbauer nicht anden Rand gedrängt werden.
Unsere Demokratie muss Gleichberechtigung garantieren. Unabhängig von
Kriterien wie Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, Behinderung
oder sexueller Orientierung.
Daher rufen wir alle politisch Verantwortlichen im Land dazu auf,
• keine Frontenbildung entlang der genannten Kriterien zuzulassen und
schon gar nicht zu fördern.
• Ausgrenzungsbestrebungen gegen die in Österreich lebenden
Musliminnen und Muslime unmissverständlich zurückzuweisen.
• Dialog zu unterstützen und Bewusstsein für die Vorteile von
gegenseitigem Respekt und Anerkennung zu schaffen.
• verantwortungsvoll mit politischer Macht umzugehen, egal, ob es sich
um Handlungsmacht oder um kommunikative Macht handelt.
Nach dieser Wahl darf sich niemand zurückzulehnen. Für niemanden
besteht Anlass zu überheblicher Selbstzufriedenheit.
Es braucht hier und jetzt einen Neuanfang für ein gemeinsames
demokratisches Österreich.
Mit freundlichen Grüßen,
SOS Mitmensch
Unterstützungsunterschriften auf:
http://www.sosmitmensch.at/site/home/article/1238.html
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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