[E-rundbrief] Info 1271 - EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP stoppen

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Nov 18 19:04:09 CET 2013


E-Rundbrief - Info 1271 - Pia Eberhardt (CEO, B): 
EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP - Eine transatlantische Verfassung für 
die Konzerne; Annette Groth (D): EU-USA-Freihandelsabkommen stoppen; 
INfos; Buchtipps; Nachbemerkung von Matthias Reichl; SolidarWerkstatt 
(A): Engagieren gegen die Kriminalisierung von Engagement!

Bad Ischl, 18.11.2013

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP

Eine transatlantische Verfassung für die Konzerne
von Pia Eberhardt

Genfood, Hormonfleisch und Chlorhühnchen auf den Tellern. Kaum noch 
Tests zur Überprüfung der Sicherheit von Chemikalien. Niedrigere 
Arbeits- und Sozialstandards. Das könnte das geplante 
Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment 
Partnership) zwischen der EU und den USA Verbrauchern und 
Beschäftigten bescheren. Seit Juli laufen die Verhandlungen.

Da es kaum noch Zölle gibt, die den transatlantischen Handel 
behindern, geht es bei den Verhandlungen vor allem um eins: den Abbau 
sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse, also aller möglicher 
Standards und Regulierungen, die für die Produktion von und den Handel 
mit Gütern sowie die Erbringung von Dienstleistungen und Investitionen 
eine Rolle spielen.

Für Konzerne ist das die Chance, Regulierungen auf beiden Seiten des 
Atlantiks ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Laut der Lobbyfirma 
Alber Geiger sind die Verhandlungen «Musik in den Ohren» all 
derjenigen «US-Unternehmen, die bisher auf ein schwieriges 
regulatorisches Umfeld in Europa gestoßen sind», zum Beispiel beim 
Copyright, dem Patentschutz oder eben der Gentechnik. Für sie sind 
«die Verhandlungen zwischen der EU und den USA eine zweite Chance, 
ihre Interessen in Europa effektiv durchzusetzen».

Insbesondere der Investitionsschutz im geplanten Abkommen wird 
politische Gestaltungsräume in Europa und den USA dramatisch 
einschränken. Im Kern geht es darum, ausländischen Investoren 
weitreichende Klagerechte in einem parallelen, internationalen 
Rechtssystem einzuräumen – und zwar gegen jede Politik, die ihre 
Eigentumstitel und die geplanten Gewinne aus ihren Investitionen 
bedroht – sei es wegen Gesundheits- und Umweltschutzauflagen oder 
durch eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die ihre unternehmerischen 
Freiheiten beschränkt.

Ein paralleles Rechtssystem

Schon heute garantieren weltweit über 3000 internationale 
Investitionsabkommen Konzernen solche Klagerechte. So verklagt bspw. 
der Energiekonzern Vattenfall derzeit die BRD, weil ihm der 
Atomausstieg nicht passt. In Australien und Uruguay geht Philip Morris 
gegen Warnhinweise vor den gesundheitlichen Folgen des Rauchens auf 
Zigarettenpackungen vor. Der kanadische Öl- und Gaskonzern Lone Pine 
verklagt über eine US-Niederlassung seine eigene Regierung, weil die 
Provinz Québec aufgrund von Umweltrisiken bei der Gasförderung ein 
Moratorium für die als Fracking bekannte Tiefenbohrtechnik erlassen 
hat. Und der Ölmulti Chevron greift auf Basis eines 
Investitionsabkommens ein ecuadorianisches Gerichtsurteil an, das ihn 
zur Zahlung von 18 Milliarden US-Dollar Schadenersatz wegen massiver 
Umweltzerstörung im ecuadorianischen Amazon-Gebiet verdonnert hat.

Die Verfahren laufen vor internationalen Schiedsgerichten, die in der 
Regel aus drei von den Streitparteien benannten Privatpersonen 
bestehen. Meist finden sie hinter verschlossenen Türen statt, in 
irgendeinem Hotelzimmer in London, Paris oder Washington. Die 
Schiedssprüche sind bindend, eine Revision ist nicht möglich.

Die Gefahren für öffentliche Haushalte und demokratische Politik 
liegen auf der Hand: Investor-Staat-Klagen können 
Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen. 
Gewinneinbußen einzelner Unternehmen, die durch politische Reformen 
verursacht sind, werden auf diese Weise sozialisiert – selbst wenn die 
Regulierungen zum Schutz des Gemeinwohls notwendig sind.

Häufig reicht allein die Androhung einer Klage, um geplante Gesetze 
abzuwürgen oder zu verwässern. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des 
Freihandelsabkommens zwischen Mexiko, Kanada und den USA (NAFTA) 
beschrieb ein kanadischer Regierungsbeamter dessen Auswirkungen wie folgt:

«Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Maßnahme gab es von 
Kanzleien aus New York und Washington Briefe an die kanadische 
Regierung. Da ging es um chemische Reinigung, Medikamente, Pestizide, 
Patentrecht. Nahezu jede neue Initiative wurde ins Visier genommen, 
und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt.» Tatsächlich 
nutzen Unternehmen internationales Investitionsrecht heute immer 
häufiger als Waffe in politischen Auseinandersetzungen, um strengere 
Regulierungen zu verhindern.

Demokratie in die Schranken weisen

Letztlich geht es beim Investorenschutz darum, die Demokratie in ihre 
Schranken zu verweisen. Zwei Mitarbeiter von Milbank, einer der 
führenden Kanzleien im internationalen Investitionsrecht, haben das 
jüngst in einem Artikel für eine Fachzeitschrift deutlich 
ausgesprochen: «Unerwünschte Maßnahmen von Regierungen gibt es nicht 
nur im Rahmen autokratischer Herrschaft. Der Populismus, den 
Demokratien mit sich bringen können, ist oft Katalysator für solche 
Aktionen.» Kein Wunder, dass Länder wie Argentinien, Venezuela und 
Ecuador, die nach heftigen sozialen Kämpfen Privatisierungen 
zurückgenommen und Unternehmen verstaatlicht haben, zu den Ländern 
gehören, die am häufigsten vor Investitionsschiedsgerichte gezerrt werden.

Globalisierungskritische Wissenschaftler sehen internationale 
Investitionsabkommen daher zu Recht als Instrument zur Durchsetzung 
transnationaler Kapitalinteressen gegen Regulierungen, Umverteilung 
und gegenhegemoniale Kräfte und als Teil des sog. neuen 
Konstitutionalismus – darunter versteht man politisch-rechtliche 
Strukturen, die den Neoliberalismus und bestehende 
Eigentumsverhältnisse durch die Einschränkung staatlicher 
Interventions- und demokratischer Kontrollmöglichkeiten quasi 
konstitutionell absichern.

Genau solche weitreichenden Konzern-Klage-Rechte sollen nun auch im 
geplanten EU-USA-Freihandelsabkommen verankert werden. Da bereits 
heute mehr als die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen in den 
USA und in der EU von der jeweils anderen Seite des Atlantiks kommt, 
wird deutlich, welch wirksames Instrument dem transnational agierenden 
Kapital damit in die Hand gegeben würde, von den zigtausend 
Niederlassungen europäischer Konzerne in den USA und denen ihrer 
US-Pendants in der EU ganz zu schweigen. Ein 
EU-US-Investitionsschutzabkommen würde ihnen weitreichende 
Möglichkeiten einräumen, auch gegen ihre eigenen Regierungen vorzugehen.

TTIP zu Fall bringen, wie das MAI

Kein Wunder, dass Unternehmerverbände wie der europäische 
Arbeitgeberverband BusinessEurope und die American Chamber of Commerce 
für einen weitreichenden Investitionsschutz im geplanten 
transatlantischen Freihandelsabkommen mobil machen. Das tut auch der 
US-Energie-Konzern Chevron, er hat seinen kompletten Beitrag für die 
US-Konsultation bei den Verhandlungen dem Investitionsschutz gewidmet 
– «einem der global wichtigsten Themen für uns».

Chevron möchte «den größtmöglichen Schutz» vor regulatorischen 
Eingriffen – um «die Risiken von großangelegten, kapitalintensiven und 
langfristigen Energieprojekten zu mindern», z.B. bei der Gewinnung von 
Schiefergas durch Fracking. Aufgrund der Gefahren für Mensch und 
Umwelt und des wachsenden Widerstands von Bürgern haben zahlreiche 
EU-Regierungen Moratorien bzw. strikte Regulierungen für die 
umstrittene Technologie erlassen. Genau diese Moratorien und 
Regulierungen könnten Chevron & Co. über weitreichende 
Investitionsschutzklauseln in einem zukünftigen 
EU-US-Freihandelsabkommen jedoch angreifen.

Doch noch ist es nicht so weit. Die Verhandlungen zwischen der EU und 
den USA stehen erst am Anfang. Es gibt daher noch Chancen, das 
geplante Freihandelsabkommen und das Kapitel zum Investitionsschutz 
als das zu entlarven, was es ist: eine antidemokratische neoliberale 
Zwangsjacke.

Vor 15 Jahren hat diese «Drakula-Strategie» schon einmal zum Erfolg 
geführt: Ende der 90er hatte die globalisierungskritische Bewegung den 
weitgehend unbekannten MAI-Vertrag ans Licht der Öffentlichkeit 
gezerrt, ein Investitionsabkommen, das im Rahmen der OECD verhandelt 
wurde. Einem Vampir gleich überlebte es nicht lange. Im Oktober 1998 
ließ Frankreich die Verhandlungen platzen. Auf beiden Seiten des 
Atlantiks werden Gewerkschaften und soziale Bewegungen alles daran 
setzen, dass sich dieser Teil der Geschichte wiederholt.

Pia Eberhardt arbeitet bei der lobbykritischen Organisation Corporate 
Europe Observatory (CEO, www.corporateeurope.org) zur Frage des 
Konzerneinflusses auf die Handelspolitik der EU.

http://www.sozonline.de/2013/09/eu-usa-freihandelsabkommen-ttip/

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Pressemitteilung

Zum geplanten Freihandelsabkommen EU-USA (TTIP) erklärt die 
menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth:

EU-USA-Freihandelsabkommen stoppen

Berlin, 12.11.13 - Die Verhandlungen über das geplante 
Freihandelsabkommen (Transatlantische Handels- und 
Investitionspartnerschaft -TTIP) zwischen der EU und den USA müssen 
sofort gestoppt werden. Falls dieses Abkommen zustande käme, würde das 
gravierende negative Auswirkungen auf die Arbeits- und Umweltstandards 
in den EU-Mitgliedsstaaten haben. So würde uns das Abkommen 
hormonbehandeltes Fleisch, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel und 
vieles mehr bescheren, was bislang bei uns verboten ist.

Das Freihandelsabkommen würde die bäuerliche Landwirtschaft 
existenziell gefährden und weltweit agierenden Agrarkonzernen wie 
Monsanto und internationalen Investmentfonds, die für spekulative 
Zwecke großflächig Land aufkaufen, Tür und Tor öffnen.
Die Rechte von ArbeitnehmerInnen würden noch stärker als bisher 
gefährdet. Die USA erkennen eine Reihe von ILO-Normen nicht an und 
haben eine höchst restriktive Gesetzgebung bezüglich 
gewerkschaftlicher Organisation. Damit besteht die Gefahr, dass durch 
das TTIP gewerkschaftliche Rechte und ArbeitnehmerInnenschutzrechte 
abgebaut werden.

Mit dem Freihandelsabkommen soll der internationale Handel zwischen 
den USA und den Ländern der EU zulasten einer Stärkung der 
Binnenwirtschaft weiter intensiviert werden. Durch eine gezielte 
Förderung der exportorientierten Bereiche durch eine 
Deregulierungswelle für die Investoren und Finanzmärkte wird die 
krisenhafte wirtschaftliche Entwicklung weiter verschärft. Die 
Regierungen und EU-Verantwortlichen haben nichts aus der 
Finanzmarktkrise gelernt und verschärfen durch die geplanten 
Deregulierungen die Auswirkungen zukünftiger Krisen noch weiter.
Skandalös ist der Versuch, über das EU-USA-Freihandelsabkommen 
ausländischen Investoren, die in den USA oder Europa investieren, 
besondere Klagerechte gegen die unter das Freihandelsabkommen 
fallenden Staaten einzurichten. Investoren werden zukünftig gegen 
Staaten klagen können, wenn sie der Meinung sind, dass die Politik 
dieser Staaten ihre Investitionstätigkeit beeinflusst. Eine gezielte 
Politik für höhere Umweltstandards, ArbeitnehmerInnenrechte oder z.B. 
ein gesetzlich festgelegter Ausstieg aus der Atomenergie können von 
den Investoren für Schadensersatzforderungen gegen die Staaten 
missbraucht werden.

Beispiele für solche Schadenersatzforderungen sind Klagen von 
US-amerikanischen Unternehmen gegen die Anhebung der ägyptischen 
Mindestlöhne oder gegen ein peruanisches Gesetz zur Kontrolle 
toxischer Emissionen, die angeblich zu einer Verschlechterung der 
Investitionstätigkeit der Unternehmen in diesen Ländern führen würden.

Deshalb fordert DIE LINKE den sofortigen Stopp der Verhandlungen über 
ein Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen den USA und der EU 
und setzt sich stattdessen für einen koordinierten Kampf zur 
Abschaffung von Steueroasen und für eine Re-Regulierung der 
internationalen Kapital- und Handelsströme sowie für ein Verbot von 
Hedgefonds ein.

Annette Groth
Mitglied des Deutschen Bundestages
Menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE
Tel.:030 227 – 77207Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Fax: 030 227 – 76207 E-Mail: annette.groth at bundestag.de

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Weitere Texte:

Lori Wallach: TAFTA - die große Unterwerfung.
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/11/08/a0003.text

Peter Nowak: "Sonderrechte für Konzerne" durch Freihandelsabkommen?
Kritiker befürchten, dass das transatlantische Abkommen 
Großunternehmen freie Bahn für "Beutezüge" verschafft
telepolis, 09.11.2013
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155305

attac (D): TTIP - Elefantenhochzeit für Freihandel stoppen
http://www.attac-netzwerk.de/index.php?id=12920

Offizielle TTIP-Homepage:
http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/

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Zu MAI, WTO und Globalisierung:

Claudia von Werlhof: Von der "Lizenz zum Plündern" zur "Lizenz zum 
Töten". Zur Globalisierung, ihren Ursachen und Folgen. Kongress 
"Mütter gegen den Krieg", Erfurt, 12.6.1999.
http://www.thur.de/philo/jug43.htm

Maria Mies: Von der Lizenz zum Plündern zur Lizenz zum Töten II. 
26.11.2001
http://www.begegnungszentrum.at/texte/globalisierung/lizenz-mies.htm

Artikel von Maria Mies aus den Infobriefen zum Thema 
Anti-Globalisierung in "women and life on earth":
http://www.wloe.org/Infobriefe-Anti-Globalis.615.0.html

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Buchtipps:

Maria Mies (Hg.), Claudia von Werlhof: Lizenz zum Plündern. Das 
Multilaterale Abkommen über Investitionen "MAI". Globalisierung der 
Konzernherrschaft - und was wir dagegen tun können. 1998, Rotbuch Verlag

Maria Mies: Globalisierung von unten. 2001 Rotbuch Verlag, öS 190,-

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Nachbemerkung von Matthias Reichl:

Zufällig wurde ich Ende der 90er Jahre zum österreichischen 
Info-Vernetzer der Anti-MAI-Kampagne "berufen". Und in der Folge in 
den Netzwerk-Aufbau von gewaltfreien Globalisierungsgegnern und 
-kritikern (wie Attac u.a.) einbezogen - auch Dank der Freundschaft 
mit Claudia von Werlhof, Maria Mies, Susan George u.a. Buchtipp und 
Links zu Texten: siehe oben!
Sie haben uns nach dem Kurzzeitsieg über das MAI vor einer Neuauflage 
und vor dem Einbetten der Forderungen transnationaler Konzerne in 
bilaterale Verträge gewarnt.

Sind diese Netzwerke stark und effizient genug um erneut dieses 
neoliberale Diktat zu stoppen?

Dass in Österreich im vorauseilenden Gehorsam des Gesetzgebers schon 
entsprechende Gesetzesänderungen durchgedrückt wurden zeigt der 
folgende Beitrag aus unserem "Rundbrief Nr. 149" von Ende Oktober 
2013, Seite 14 (www.begegnungszentrum.at/rundbriefe/Rundbrief149.pdf):

Engagieren gegen die Kriminalisierung von Engagement!

Die Bewegung, die sich rund um den Skandalprozess gegen
TierrechtsaktivistInnen entwickelt hat, hat soviel Druck gemacht, dass 
ein erster Erfolg erreicht werden konnte: Der § 278a, der sog. 
"MafiaParagraf", wurde zumindest soweit entschärft, dass er in 
Hinkunft nicht mehr ganz so leicht gegen politisches Engagement und 
NGO-Arbeit missbraucht werden kann.

Ein grosser Brocken aber bleibt: Die §§ 278 b ff, die sog. 
"Terror-Paragrafen". Diese wurden auf Grund einer EU-Richtlinie in das 
österreichische Strafrecht aufgenommen und sind demokratiepolitisch 
nicht weniger bedenklich. Als "terroristisches Motiv" gilt unter 
anderem, wenn "eine Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit
anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere 
Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen" oder dazu dient 
"öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer 
Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen,
verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen 
eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu 
erschüttern." (§ 278c).

Die SolidarWerkstatt tritt z.B. dafür ein, die EU-Verfassung,
die eine Aufrüstungspflicht und ein Neoliberalismusgebot enthält, 
"ernsthaft zu erschüttern". Treibt uns also terroristisches 
Gedankengut an? Oder waren die Gewerkschaften TerroristInnen, als sie 
2003 zu Massenstreiks gegen den Raubzug bei den Pensionen aufriefen? 
Jeder Streik kann schließlich von findigen Juristen als "schwere 
Schädigung des Wirtschaftslebens" interpretiert werden.

Im Zusammenhang mit dem neuerlichen Prozess gegen fünf 
TierrechtsaktivistInnen bekommen diese "Anti-Terror"-Paragrafen
zusätzliche Brisanz. Denn eine "terroristische Tat" liegt vor, sobald 
sich das oben beschriebene Motiv mit einem bestimmten Straftatbestand
verbindet; dazu zählt der § 278 c unter anderem die "schwere 
Nötigung". Und die würde bereits vorliegen – so das Oberlandesgericht 
Wien in seiner Anklage – wenn friedliche und legale Proteste 
angekündigt werden, die die Geschäfte von Unternehmungen 
beeinträchtigen können.

Fast alle Aktivitäten von NGOs und Gewerkschaften können das tun: 
Kaufboykott gegen Produkte aus Kinderarbeit oder besetzten Gebieten, 
Sitzblockaden gegen Transitlawinen, Brandmarken von 
Rüstungsgeschäften, Streiks für höhere Löhne und bessere 
Arbeitsbedingungen, usw. Strafrahmen der §§ 278 b ff: bis zu 15 Jahre.

Dabei dürfen wir nicht vergessen: Diese Paragrafen entfalten ihre 
demokratiegefährdende Wirkung bereits lange, bevor es zur Anklage oder 
Verurteilung kommt. Denn sobald der Verdacht auf "terroristische 
Aktivitäten" im Raum steht, bekommt die Polizei ein umfassendes Recht
zur Überwachung von Menschen und sozialen Netzwerken. Die 
Tierrechts-AktivistInnen wurden jahrelang bis ins Schlafzimmer bespitzelt.

Dieser Anti-Terror-Paragraf kann sich also zur grossen Keule gegen 
jedes "unerwünschte" Engagement entwickeln.

(SolidarWerkstatt/ bearb. von akin-Pressedienst, 16.10.2013)

Quelle:http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=
com_content&task=view&id=933&Itemid=1


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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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