[E-rundbrief] Info 774 - Obama - Friedensratschlag
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Dez 11 21:10:19 CET 2008
E-Rundbrief - Info 774 - Gitta Düperthal/ Peter Strutynski (Kasseler
Friedensratschlag, D): Barack Obama bindet die Bündnispartner besser ein
- Welche Erwartungen hat die deutsche Friedensbewegung an den neuen
US-Präsidenten? (Weiters zu Nato-Treffen, Finanzkrise,
Antiterrorkrieg...). (Ergänzung zu Info 769)
Bad Ischl, 11.12.2008
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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»Barack Obama bindet die Bündnispartner besser ein«
Welche Erwartungen hat die deutsche Friedensbewegung an den neuen
US-Präsidenten?
Ein Gespräch mit Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag
Gitta Düperthal
Der Bundesausschuß Friedensratschlag hat vergangenes Wochenende unter
dem Motto »Die Welt nach Bush« getagt. Rund 400 Leute diskutierten in
Kassel, ob die Welt nach dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack
Obama friedlicher wird. Wird sie das?
Ein Teil der Teilnehmer hat eine eher ernüchternde Einschätzung. Die
Besetzung seiner Regierung mit Hillary Clinton als Außenministerin und
Robert Gates als Verteidigungsminister deutet auf Kontinuität hin --
nicht auf den versprochenen Politikwechsel. Ein anderer Teil gab Obama
einen größeren Vertrauensvorschuß: Als Schwarzer repräsentiere er einen
neuen Politikstil und zeige, daß die USA nicht nur aus Weißen und
Rassisten bestehen.
Was bedeutet Obamas Wahlsieg hierzulande?
Der bisherige Präsident George Bush war in der deutschen Öffentlichkeit
diskreditiert -- seinem von der Durchsetzung der US-Interessen geprägten
Politikstil wollte niemand mehr folgen. Obama hingegen geht kooperativer
mit den Bündnispartnern um und kann sie besser einbinden. Die
Bundesregierung kann also sagen: Sogar Obama verlangt größeres
Engagement in Afghanistan -- dem können wir uns nicht entziehen. Der
Opposition wird es schwerer fallen, den Abzug deutscher Truppen aus
Afghanistan zu fordern.
Anfang April will die NATO in Strasbourg und Baden-Baden ihr 60jähriges
Bestehen feiern. In Baden-Württemberg sollen zuvor Gesetze durchgesetzt
werden, die die Versammlungsfreiheit einschränken ...
Die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit kam nicht erst wegen des
NATO-Gipfels auf die Tagesordnung. Absehbar ist jedoch ein riesiges
Polizeiaufgebot gegen Aktionen des zivilen Ungehorsams, gegen
Demonstrationen und Friedenscamps. Dabei gilt: Je martialischer die
Staatsmacht auftritt, desto eher provoziert sie Ereignisse, die sie zum
Eingreifen bringt. In einem überfüllten Workshop ging es um die
Militarisierung der Inneren Sicherheit. Pläne Bayerns,
Baden-Württembergs und des Innenministeriums in Berlin,
Antiterrorgesetze zu verschärfen, Überwachungsmechanismen zu verstärken
und Demonstrationsfreiheit einzuschränken, sehen wir mit Sorge: Militär
wird zunehmend nach außen eingesetzt -- zugleich geht man im Inneren mit
Repressionen gegen Protestbewegungen vor.
Wie wirkt die weltweite Finanzkrise auf die friedenspolitische Situation?
Professor Rudolf Hickel aus Bremen zeigte in einem Vortrag auf: Die
Finanzkrise ist Vorbote einer tiefen Rezession, die die Realwirtschaft
erfaßt. Die Dritte Welt wird leiden, weil Lebensmittelpreise erhöht und
Angebote verknappt werden. Staatshaushalte treiben dem Ruin entgegen,
weil sie ihre Kreditinstitute und bestimmte Branchen stützen müssen.
Auch bei uns wird es am härtesten die Ärmsten treffen, mit einem Anstieg
der Arbeitslosigkeit ist zu rechnen. Vermutlich wird es zu verstärkter
Ausgrenzung und mehr Gewaltausübung kommen -- friedenspolitisch ist das
verheerend.
Der Friedensratschlag fürchtet, daß die Bundesregierung stärker ins
Fahrwasser des US-geführten Antiterrorkriegs gerät ...
Militär kennt im Krieg nur eine Antwort: noch mehr Militär. Die
Bundesregierung hat ihre Lektion nicht gelernt, sondern Marine-Einsätze
abgenickt und geht mit einem EU-Mandat vor Somalias Küsten auf
Piratenjagd. Friedensforscher bestreiten, daß Terrorismus militärisch zu
bekämpfen ist -- sie empfehlen ausschließlich zivile Mittel des
Rechtsstaats.
"JUNGE WELT", 12.12.2008 / Inland / Seite 2
(Ergänzung zu Info 769)
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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