[E-rundbrief] Info 669 - Proteste gegen EU-Vertrag, Wien, 5.4.08

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Apr 2 16:22:04 CEST 2008


E-Rundbrief - Info 669 - Kundgebung, Protestzu und Menschenkette der 
Plattform "VolXabstimmung über den EU-Reformvertrag" um das Parlament in 
Wien, 5.4.2008; Materialien; Anita Zielina (derStandard): Bericht von 
der Pressekonferenz der Plattform, Wien, 1.4.08; Statements von Robert 
Menasse, Marlene Streeruwitz, Peter Henisch und Erich Haider. (Siehe 
auch Info 661)

Bad Ischl, 2.4.2008

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Für eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag!

Menschenkette um das Parlament am 5. April

Mittlerweile unterstützen über 50 Organisationen aus den Bereichen 
Frieden, Anti-Atom, Globalisierungskritik, Umwelt, Gewerkschaft, 
Soziales, Datenschutz, Demokratie, usw. die Plattform "VolXabstimmung 
über den EU-Reformvertrag" (www.volxabstimmung.at). Diese Plattform ruft 
nun zu einer Menschenkette am 5. April 2008 rund um das Parlament auf:

EU-"Reformvertrag" ohne Volksabstimmung in Österreich: Nicht in unserem 
Namen!

Menschenkette um das Parlament

Samstag, 5. April 2008, 15.00 Uhr

Auftaktkundgebung 13.00 Uhr, Westbahnhof

Gemeinsamer Zug zum Parlament

(Inhaltliches zum Aufruf - siehe Info 661!)

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Einige Materialien der Werkstatt Frieden & Solidarität:

Plakat "Das verschweigt uns die Regierung" 
(www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=40&Itemid=49)

Info-Zeitung "Für eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag!" 
(www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=40&Itemid=49)

  10 Punkte, die uns die Regierung über den EU-Reformvertrag verschweigt 
(www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=83&Itemid=41)

Unterstützung des Offenen Briefs "Für eine Volksabstimmung!" auf 
www.werkstatt.or.at

Jene, die diesen Offenen Brief bereits unterstützt haben, werden von 
verschiedenen PolitikerInnen Rückmeldungen erhalten haben. Diese 
strotzen teilweise vor Lügen und Halbwahrheiten. Eine Stellungnahme der 
Werkstatt Frieden & Solidarität zu diesen Rückmeldungen finden Sie auf 
www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=58&Itemid=41

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Pressekonferenz der Plattform "Volxabstimmung" am 1.4.2008 in Wien

"Vom ersten Satz der EU-Verfassung -- ,Das Recht geht vom Volk aus' -- ist 
nur mehr übergeblieben: Volk, aus!'" Schauspieler Hubsi Kramar bringt 
auf den Punkt, was viele Kritiker des EU-Vertrags von Lissabon stört. 
Keine schleichende Entdemokratisierung gebe es, so Kramar, sondern "eine 
rasant galoppierende". Aus der EU sei ein "faschistoides Projekt" geworden.

"Jenseits von rechten Rülpsern"

Kramar unterstützt, wie auch Kurt Palm, Marlene Streeruwitz, Robert 
Menasse und Peter Henisch und andere Prominente, die "Plattform 
Volxabstimmung", der inzwischen 54 Organisationen angehören. Sie alle 
kommen aus verschiedenen Spektren des demokratischen Lebens -- "jenseits 
von rechten Rülpsern", wie Elke Renner von der Werkstatt Frieden & 
Solidarität betont. Sie alle eint der Wunsch nach einer Volksabstimmung 
über den EU-Vertrag.

Ein Wunsch, den die Kronenzeitung und die FPÖ ebenfalls teilen. Ob man 
sich mit der Vereinnahmung des Themas durch diese Kräfte nicht 
schwertue? "Die FPÖ ist ja aus völlig unterschiedlichen Gründen für eine 
Volksabstimmung", betont Regisseur Kurt Palm. Ihm und der Plattform 
Volksabstimmung gehe es darum, ein "Europa der Konzerne, der Generäle 
und Bürokraten" zu verhindern -- der FPÖ gehe es nur darum, Nationalismen 
zu schüren.

Der Souverän soll entscheiden

Christian Felber von Attac Österreich weist die Unterstellung zurück, 
dass man als Befürworter einer Volksabstimmung ein Nationalist sei: "Wir 
haben einen guten Grund für unsere Forderungen -- in einer Demokratie ist 
der Souverän die letzte Instanz, die zu entscheiden hat". Das 
wesentliche Unterscheidungsmerkmal des EU-Vertrages gegenüber der 
ursprünglich geplanten EU-Verfassung sei die "Ausschaltung der 
Demokratie" gewesen, gegen die man sich wehren wolle. Das habe aber 
nichts mit einer Ablehnung der EU an sich zu tun.

"Europa steht an einem Scheideweg", so Palm. Er habe zwar nur Teile des 
EU-Vertrages gelesen, aber alles was er gelesen habe, hätte die 
Alarmglocken läuten lassen: "Alles, wofür die EU ursprünglich 
eingetreten ist, bleibt auf der Strecke". Palm berichtete, er habe allen 
183 Nationalratsabgeordneten ein E-Mail mit der Frage geschickt habe, 
warum es keine Volksabstimmung geben solle. "Die erste Antwort war eine 
Abwesenheitsnotiz von Caspar Einem, dass er aus dem Parlament 
ausgeschieden sei und jetzt bei Magna arbeite", erzählt Palm. Dann sei 
lange nichts passiert, nach sechs Wochen habe SPÖ-Klubobmann Josef Cap 
und der Grüne Klub ihm geantwortet, dass "eh alles super mit dem 
EU-Vertrag" sei. Von den restlichen Parteien habe er immer noch nichts 
gehört. "Das sagt ja wohl alles, wie mit diesem Thema seitens der 
Politik umgegangen wird", so Palm.

"Ende der Durchsage"

"Damit ist Österreich gestorben, die Neutralität ist gebeugt, Ende der 
Durchsage", fasst Kramar seine Ansicht zum EU-Vertrag zusammen. Ob das 
heiße, er sei gegen jede Form der EU-Verfassung? "Nein, immer diese 
schwarz-weiß Malerei", ärgert sich Kramar. "Ich bin total für eine 
EU-Verfassung -- aber mit einem sozialen Antlitz".

Am kommenden Samstag organisiert die Plattform Volxabstimmung eine 
Demonstration und eine Menschenkette ums Parlament -- als Gegenbewegung 
zu "völkischen" Kräften, die unter maßgeblicher Nutzung der 
Kronenzeitungs-Leserbriefseite ebenfalls Demonstrationen planen 
(derStandard.at berichtete über die bereits stattgefundenen 
Demonstrationen). Die Plattform befürchtet "Störaktionen" seitens der 
FPÖ. Man bitte die Medien, differenziert zu berichten, was die Aktionen 
des rechten Spektrums angehe: "Wir haben mit diesen Leuten nichts zu 
tun", bekräftigt Renner. (Anita Zielina, derStandard.at, 1.4.2008)

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Statements von Robert Menasse, Marlene Streeruwitz, Peter Henisch und 
Erich Haider

Robert Menasse

Aufwecken und Abstimmen!

Ein gemeinsames demokratisches Europa statt eines Europa konkurrierender 
oder gar verfeindeter Nationalstaaten ist unser Traum.

Das heißt aber nicht, dass wir den Weg als Schlafwandler gehen wollen, 
die Angst davor haben müssen, aufzuwachen.

Diejenigen, die den EU-Reformvertrag ausgehandelt und formuliert haben, 
bezeichnen ihn als wichtigen Schritt zu mehr Demokratie in Europa -- 
warum fürchten sie dann Demokratie just in diesem Fall, bei diesem 
Grundsatzpapier für ein nachnationales demokratisches Europa? Ist unser 
Traum ihr Albtraum? Dann müssen sie aufwachen!

Ein demokratisches, nachnationales Europa darf nicht hinter die 
demokratischen Standards zurückfallen, die in den entwickelten 
Nationalstaaten nach 1945 erreicht wurden, sondern muss sie 
weiterentwickeln und vertiefen.

Die politischen Eliten, die den EU-Reformvertrag als Grundlage für mehr 
Demokratie bezeichnen, diejenigen, die sagen, dass es doch genau darum 
gehe, um mehr Demokratie, sagen damit selbst: Mischt Euch ein! Denn das 
ist Demokratie! Hinterfragt Beschlüsse, die ohne Euer Zutun und gegen 
Eure Interessen zustande kommen! Denn das ist Demokratie! Artikuliert 
Eure Interessen, statt unter faulen Kompromissen zu verfaulen! Denn das 
ist Demokratie! Und nicht zuletzt sagen sie, die in Sonntagsreden eine 
Demokratie feiern, die von Montag bis Freitag angeblich zu kompliziert 
für uns ist, auch dies: Wählt uns ab! Denn das ist Demokratie!

Erweisen wir ihnen und uns diesen Gefallen!

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Marlene Streeruwitz

Wenn die Debatte über das Rauchen in Lokalen wichtiger genommen wird als 
eine Diskussion und Entscheidung über eine EU Verfassung, die tiefer in 
die Leben eingreift als die Frage, ob zum Achterl auch ein Zigaretterl 
geraucht werden darf, dann beschreibt das ein Mißverhältnis zur 
Demokratie. Es ist überhaupt unverständlich von einer Regierung, sich 
gegen eine Abstimmung über das Reformvertragswerk auszusprechen, wenn 
eine europäische Demokratie wirklich gewollt ist. Wie anders sollten 
sich die EU Bürgerinnen und Bürger eine solche Demokratie aneignen , als 
sich in einer Entscheidung mit dieser Form auseinanderzusetzen. Es hat 
auch etwas Übereiliges, wenn in Kleinhandstreichen von Regierungen die 
Geschichte Europas getilgt und eine "neue Zeit" fabriziert  werden soll. 
Es wäre aus dieser Geschichte doch zumindest zu lernen, daß solche 
Verordnungen nicht zu Frieden und Akzeptanz der "Anderen" führen. Ganz 
im Gegenteil. Ein solches Verfahren des Aufzwingens der politischen Form 
führt geradewegs in Ressentiments und Chauvinismen. Also in die 
Sackgassen, aus denen der europäische Gedanke führen sollte. Das 
Reformwerk sieht so eine Rolle von Rüstung und Bewaffnung vor, über die 
die Bürgerinnen und Bürger unter allen Umständen entscheiden können 
müssen. Ohne diese Möglichkeit wird "Obrigkeit" konstruiert, von der wir 
schon annehmen konnten, sie losgeworden zu sein.

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Peter Henisch

Keine Frage: Ich teile das Unbehagen, das Viele angesichts der 
Entwicklung der EU empfinden. Mir missfällt die Dominanz vor allem 
profitorientierter wirtschaftlicher Kräfte und mich ärgern die 
Demokratiedefizite in ihrer bisherigen Praxis. Natürlich habe ich den 
Eindruck, dass die Verfassung, die man uns nun mit kleinen Korrekturen 
vorlegt, alles andere als das ist, was ich mir im Hinblick auf ein 
anderes Europa wünsche. Und ich finde es fatal, dass die europäischen 
Regierungen und im konkreten Fall unsere Regierung es nicht geschafft 
haben, den Demos, das Volk, von dem ja angeblich alle Rechte ausgehen, 
auf überzeugende Weise in die bisherigen Entscheidungsprozesse 
einzubeziehen.

    Dadurch nimmt das Gefühl zu, dass all das einfach über unsere Köpfe 
hinweg geschieht.

Und dass es ohnehin sinnlos ist, sich noch darüber aufzuregen. Wir 
sollten uns aufregen, ja, wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Wir 
sollten uns rühren, wir sollten unser Unbehagen artikulieren, wir 
sollten Demokratie nicht zum bloßen Ritual verkommen lassen.

     Darüber hinaus scheint mir das sozial- und umweltpolitische 
Bewusstsein in dieser EU nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ 
zu mangeln. Die EU sollte kein kritiklos mitfiedelndes Instrument der 
Globalisierung sein, sondern einen anderen Ton anschlagen. Was die 
Verteidigungspolitik betrifft, so bin ich der Meinung, dass sich dieses 
Europa nicht auf Gedeih und Verderb an die NATO ketten und sich in deren 
verdeckte Angriffsplanspiele einbeziehen lassen darf. Die EU war in 
ihren Anfängen nicht zuletzt ein Friedensprojekt und sollte es nicht nur 
bleiben sondern auf noch bewußtere Weise werden.

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Erich Haider (SPÖ Oberösterreich)

"Viele Menschen in Österreich wollen über die Annahme des Vertrages von 
Lissabon abstimmen. Das zeigen auch die vielen Resolutionen aus den 
Gemeinden dieses Landes. Ein Ablehnung dieses Anliegens kann in einer 
entwickelten Demokratie wie Österreich NIE mit der Kompliziertheit der 
Verträge begründet werden. Das ist undemokratisch und untragbar. Denn 
die Menschen in Österreich sind sehr wohl in der Lage sich auf Basis 
umfassender Information eine Meinung zu bilden und über diesen Vertrag 
demokratisch abzustimmen. Es steht niemandem zu, dies in Zweifel zu 
ziehen!"

Dem Land Oberösterreich sind nun mittlerweile von folgenden Gemeinden 
Resolutionen zugegangen, in denen eine Volksabstimmung gefordert wird.

Andorf (SP), Freistadt (VP), Gallspach (SP), Grünbach (VP), Laakirchen 
(SP), Leonding (SP), Neumarkt im Mühlkreis (SP), Ort im Innkreis (VP), 
St. Georgen an der Gusen (SP), St. Marienkirchen an der Polsenz (VP) und 
Waldzell (SP). In vielen weiteren Gemeinden werden die Anträge noch 
behandelt. (In der Klammer die Parteizugehörigkeit des Bürgermeisters: 
SP = Sozialdemokraten, VP = Volkspartei)

Erich Haider wird innerhalb der SPÖ weiter für die Volksabstimmung 
werben und biete in diesem Zusammenhang auch seine Kooperation an.

(Weitere Infos siehe: www.volxabstimmung.at)

(Siehe auch Info 661)

-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Bad Ischl,
Geschäftsstelle Pfandl
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