[E-rundbrief] Info 93 - RB Nr.112 - Rolf Hochhuth: McKinsey kommt - Symposium "Geld der Zukunft"
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Do Mär 4 22:50:01 CET 2004
E-Rundbrief - Info 93 - RB. Nr 112 - Rolf Hochhuth: McKinsey kommt;
Diskussion im Volkstheater Wien - Symposium "Geld der Zukunft"
Bad Ischl, 4.3.2004
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
=============================================================
McKinsey kommt
Rolf Hochhuth
McKinsey- Zeit, McKinsey- Welt, McKinsey- Politik wird man noch in hundert
Jahren sagen, so wie wir heute von Gründerjahren sprechen. Denn "das
Effizienzprinzip hat einen Namen: McKinsey" (Dirk Kurbjuweit). Ebenso wie
jetzt Rationalisieren und Fusionieren das Denken aller Arbeitgeber auf
Kosten zahlloser einst Beschäftigter beherrscht, ebenso waren um 1900 - zum
Segen der Arbeitnehmer - die Bosse, die Wirtschaft überhaupt vom
Gründertrieb besessen, das heißt von der Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Seit Arthur Miller vor fünfzig Jahren "Tod eines Handlungsreisenden" auf
die Bühne brachte, wird hier erstmals wieder der "Rausrationalisierte" ins
Zentrum eines Dramas gerückt: Die Katastrophe der Entlassenen.
Ich zeige nicht McKinsey, sondern die Opfer einer weltweiten "Religion", zu
der die - von unseren Politikern total unbeaufsichtigte - Diktatur der
Weltwirtschaft geworden ist: Der Abbau von Arbeitsplätzen wurde zum Maß
aller Dinge. Ein Beispiel, das symptomatisch für den "Terror der Ökonomie"
überhaupt geworden ist:
Die Deutsche Bank, so alt wie das Deutsche Reich, 1871 gegründet, hat im
erfolgreichsten Jahr seit ihrem Bestehen - 9,8 Milliarden Reingewinn
2001/2002 - sämtliche Filialen mit weniger als acht Angestellten
geschlossen und mehr als elftausend ihrer Mitarbeiter hinausgeworfen, was
die Bosse mit zynischer Unmenschlichkeit "freisetzen" nennen. Der oberste
Herr Josef Ackermann "verdient" jährlich 6,95 Millionen Euro. Die Deutsche
Bank hat den "Propheten der Effizienz", der Firma McKinsey 179.000
Beraterstunden mit je 300 Euro bezahlt.
Zitat von Oliver Munk (Regie):
Arbeit und gesteigerte Leistungsfähigkeit werden wie kaum jemals zuvor
heute zu einem Mythos stilisiert, in einer Zeit, in der ein immer größer
werdender Anteil der Bevölkerung genau von dieser Arbeit ausgeschlossen
wird. Hier entsteht ein enormes gesellschaftliches Konfliktpotential, das
in seiner Dramatik geradezu nach einer Bühnenumsetzung schreit!
Hochhuth wendet sich in dem Stück gegen die Rhetorik der Heilung durch
Rausschmiss, die von den Medien und der Öffentlichkeit unisono propagiert
wird. Er greift in seinem Stück das Thema aus der Sicht der Betroffenen auf
und schafft somit eine Gegenöffentlichkeit zur kritiklos akzeptierten
scheinbaren Logik von Rationalisierung und Globalisierung, die nichts
anderes als bedingungslose Solidarität mit den Arbeitgebern kennt.
Für Brecht war ein entscheidendes Kriterium dafür, ob Theater politisch ist
oder nicht, die nach Frage nach der Haltung, sowohl des Autors als auch des
Regisseurs, der Darsteller etc. Wir wollen in unserer Haltung bewusst
parteiisch sein, polarisieren und für diejenigen Stellung beziehen, die
einer vordergründig ökonomisch legitimierten Denkweise geopfert werden,
eine Denkweise, die auch die mächtigen Entscheidungsträger nicht davor
schützt, sich selber zugunsten eines steigenden Aktienkurses freizusetzen'.
Mit der Uraufführung in Brandenburg hoffen wir sehr, einen
gesellschaftlichen Diskurs über das Theater hinaus in Gang setzen zu
können, der vor allem auch wieder stärker die Belange der Betroffenen
thematisiert, zumal die Betroffenen, heute noch in einer Minorität, sich
schnell in eine Majorität verwandeln könnten...
www.culture1.de/theater/brandenburg.html
Buchtipp: Rolf Hochhuth: McKinsey kommt. Molières Tartuffe. Zwei
Theaterstücke (über Arbeitslose im Kampf gegen Banker und Rationalisierer -
der Autor als enthüllender Provokateur). 2003 dtv Nr. 13134. 10,-)
Ergänzung von M. Reichl:
In der österreichischen Bankengruppe BA-CA sollen trotz hohem Gewinn die
Bediensteten um 1.500 Angestellte auf 10.000 reduziert werden. Auch in
Polen soll diese gewinnsteigernde Maßnahme forciert werden (STANDARD, 26.2.04).
Das US-Bankenkosortium US-City-Bank soll nach Medienmeldungen angeblich
ernsthaft am Kauf der Deutschen Bank interessiert sein. Auch der deutsche
Bundeskanzler Schröder soll damit einverstanden sein. (M.R. 4.3.04)
=======================================
Rolf Hochhuth diskutiert am 14.3. 11.00h im Volkstheater Wien.
Am Sonntag bei der Matineenreihe "Globalisierung und Gewalt" über "Global
Player beim Medientraining".
Wien - Mit seinem jüngsten Stück McKinsey kommt, einer bitteren Abrechnung
mit Neoliberalismus, Globalisierung und unkontrollierbaren
Wirtschaftsstrategen, hat er zuletzt wieder für Aufsehen gesorgt: Der
deutsche Dramatiker Rolf Hochhuth, berühmt geworden mit Der Stellvertreter
oder Wessis in Weimar, wird seine kontroversiell diskutierten Ansichten zur
"Kriminalisierung unseres Wirtschaftslebens" nun auch in Wien darlegen.
Am Sonntag, dem 14. März um 11.00 Uhr ist Hochhuth Gast der
VT/STANDARD-Matineenreihe "Globalisierung und Gewalt" und wird dort Auszüge
aus "McKinsey kommt" (inklusive einer neuen Szene) vortragen und mit
STANDARD-Kulturressortleiter Claus Philipp diskutieren: über "Global Player
beim Medientraining", Wilhelm Tell heute oder was das heißen könnte:
"Aktien steigen, wenn Arbeitnehmer fallen." Karten (zu je 5 Euro) kann man
unter 01-524 72 63, e-mail: tickets at volkstheater.at vorbestellen. (red
/DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2004)
Open Space Symposium
"Das Geld der Zukunft" und die Rehabilitation "weiblichen" Wirtschaftens
28. bis 31. Mai 2004 im Bildungshaus St. Hippolyt, Eybnerstr. 5, A- 3100
St. Pölten
Durch einseitige Fixierung auf Konkurrenz und Geldgewinn wird
"weibliches", gemeinschaftliches, subsistenzorientiertes Wirtschaften
abgewertet und ausgebeutet und "männliches" Forschen, Kämpfen, Streben nach
Entfaltung, Macht und Sicherheit zu einem destruktiven Wachstumswahn
pervertiert. Dabei werden global unsere Lebensgrundlagen in einer bisher
nicht dagewesenen Weise bedroht.
Aus dieser Krise kommen wir heraus, wenn wir die "männlichen" und
"weiblichen" Pole unseres Wirtschaftens wieder ins Gleichgewicht bringen.
Ein neues zins- und renditenfreies Geldsystem stärkt regionale
Gemeinschaft, gesellschaftliche Solidarität und Demokratie. So können wir
auch destruktiven Kapitalismus auf friedliche Weise von unten verändern und
eine Wirtschaft der Genüglichkeit, des Friedens und des guten Lebens für
alle aufbauen.
Referate von Bernard Lietaer, Veronika Bennholdt-Thomsen, Margrit
Kennedy, Heidemarie Schwermer, Liese-lotte Wohlgenannt, Anton Moser,
Helmut Waldert, Gerhard Margreiter, Heini Staudinger u.a.
Information: Dr. Markus Distelberger, Jubiläumsstraße 1, A-3130
Herzogenburg, Tel.:02782/82444 Fax:
02782/82929 info at 7generationen.at www.7generationen.at mit Forum zum
Gedankenaustausch zum Symposiumsthema im Vorhinein)
Matthias Reichl
========================================
Matthias Reichl
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
Wolfgangerstr.26
A-4820 Bad Ischl
Tel. +43-6132-24590
e-mail: mareichl at ping.at
http://www.begegnungszentrum.at
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief