[E-rundbrief] Info 2238 - Christine Schweitzer: Wehrhaft ohne Waffen
B.Meier
birgitta.meier at gmail.com
Di Sep 12 20:42:03 CEST 2023
Danke! Könnt Ihr bitte noch unsere Zoom Veranstaltung mit Christine am
22.9. bewerben? S. unsere Website Friedensmuseum-nuernberg.de, da sind alle
Daten.
viele Grüße Birgitta Meier 0176 5440 7145
Matthias Reichl <info at begegnungszentrum.at> schrieb am Di., 12. Sept. 2023,
19:05:
>
> E-Rundbrief Info 2238 - Christine Schweitzer:
>
> Wehrhaft ohne Waffen – In Deutschland nimmt eine Kampagne zur Sozialen
> Verteidigung Gestalt an
>
>
> Bad Ischl, 11.9.2023
>
> Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
> https://www.begegnungszentrum.at/
>
>
> In unserer Radiosendung Begegnungswege 21. September 2023 bringen wir ein Interview mit Christine Schweitzer über ihre Arbeit.
> Sie schickte uns für den Rundbrief noch folgenden Text:
>
>
> 1. Wehrhaft ohne Waffen – In Deutschland nimmt eine Kampagne zur
> Sozialen Verteidigung Gestalt an
>
> Christine Schweitzer
>
>
>
> Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben die NATO-Staaten
> angekündigt, neue Milliarden in die Rüstung zu stecken; Truppen und
> Waffensysteme werden nach Osteuropa verlegt. Aber was ist, wenn die
> Abschreckung versagt? Ein Krieg in Europa, dann wahrscheinlich auch mit
> Atomwaffen? Und wann hört Verteidigung auf? Denn irgendwann gibt es nichts
> mehr zu verteidigen, sondern es heißt dann nur noch „gemeinsam in den
> Abgrund“, wie der Sozialpsychologe Friedrich Glasl die letzte Stufe seiner
> Konflikteskalationsleiter so treffend genannt hat.
>
> Es waren solche Fragen, die Friedensforscher*innen - und auch einige
> Militäroffiziere wie den Briten Stephen King-Hall - dazu gebracht haben,
> nach dem 2. Weltkrieg über Alternativen zu militärischer Verteidigung
> nachzudenken. Ihre Antwort mag utopisch klingen, basiert aber auf realen
> Erfahrungen in vielen Ländern der Erde: Gewaltfreier Widerstand gegen eine
> Besatzung. Der Fachbegriff: Soziale Verteidigung.
>
> Mit dem Ukraine-Krieg ist zumindest in Deutschland das Interesse an diesem
> Konzept wieder erwacht. Im Sommer 2022 gründete ein Kreis von
> Aktivist*innen rund um den Bund für Soziale Verteidigung die Kampagne
> „Wehrhaft ohne Waffen“. Sie will über Soziale Verteidigung informieren,
> Druck erzeugen und sie in drei sog. „Modellregionen“ konkret vorbereitet.
> Denn eine umfassende und menschliche Verteidigung muss an Ort und Stelle
> vorbereitet und erlebt werden. Sie kann nicht „von oben“ angeordnet werden
> kann.
>
> Das Konzept der Sozialen Verteidigung geht von dem Gedanken aus, dass
> letztlich alle Macht vom Volk ausgeht, d.h. die Ausübung von Macht beruht
> auf der Zustimmung und Kooperation der Regierten. Wenn diese Kooperation
> entzogen wird, dann bricht die Basis der Macht zusammen. Versucht der
> Herrschende, Kooperation durch Gewalt zu erzwingen, so mag das zwar
> kurzfristig gelingen, aber wie der Sturz zahlloser Diktaturen in
> Vergangenheit und Gegenwart zeigt, ist diese Strategie irgendwann zum
> Scheitern verurteilt.
>
> Auf den Fall einer militärischen Besetzung übertragen bedeutet dies, dass
> letztlich die Bevölkerung des angegriffenen Landes darüber entscheidet, ob
> ein (militärischer) Angreifer sein Ziel erreicht oder nicht. Es wird nicht
> das Territorium an den Landesgrenzen verteidigt, sondern die
> Selbstbestimmung einer Gesellschaft durch die Verweigerung der Kooperation. Sie
> ist damit eine Alternative zu Aufrüstung und Abschreckung. Besonders dann,
> wenn ein Angriff auf die politische Beherrschung des okkupierten Landes
> zielt, dann hängt es an den Menschen, ob sie sich der Besatzung unterwerfen
> oder mit dem Besatzer nicht zusammenarbeiten.
>
>
>
> *Vorbilder und Erfahrungen*
>
> Das mag utopisch klingen, aber es gibt viele Beispiele, die andeuten, wie
> Soziale Verteidigung funktionieren könnte:
>
> -
>
> Der Kapp-Putsch 1920, bei dem Reichswehroffiziere gegen die Regierung
> der jungen Weimarer Republik putschten. Er scheiterte nach fünf Tagen, vor
> allem weil ein Generalstreik das öffentliche Leben lahmlegte, dem sich auch
> der Deutsche Beamtenbund anschloss.
> -
>
> Der Ruhrkampf 1923 war ein vorrangig mit zivilen Mitteln geführter
> Protest im Ruhrgebiet, als französische und belgische Truppen 1923 die
> Region besetzten, um Reparationen in Form von Kohle und Stahl einzuziehen.
> Die Reichsregierung rief die Bevölkerung zu „passivem Widerstand“ (Streik)
> auf. Nach knapp neun Monaten wurde der Widerstand abgebrochen; es folgten
> aber Verhandlungen, die zum Rückzug Frankreichs und Belgiens führten.
> -
>
> Prag 1968: Ein Versuch der vorsichtigen Demokratisierung im
> sogenannten „Prager Frühling“ von 1968 endete am 21. August 1968 mit dem
> Einmarsch von Truppen der anderen Länder des Warschauer Pakts. Die
> Reformregierung und Dubcek verzichteten auf militärischen Widerstand; die
> Bevölkerung der Tschechoslowakei wehrte sich aber durch vielfältige
> Aktionen Zivilen Widerstands gegen die Invasoren.
>
> Es gibt noch zahlreiche weitere Erfahrungen mit gesamtgesellschaftlichem
> zivilem Widerstand. Hierzu gibt es inzwischen viele Studien. Die
> US-amerikanischen Forscherinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan (2011)
> zählten 107 gewaltfreie Aufstände („civil resistance“, „ziviler
> Widerstand“) im Zeitraum zwischen 1900 und 2006.1
> <#m_-3545676306464265969_m_-935733864573512998_sdfootnote1sym> Sie
> stellten fest, dass die gewaltlosen Aufstände seit 1905 mehr als zweimal so
> erfolgreich waren (53%) als die gewaltsamen. Anders formuliert: Nur jede
> vierte gewaltlose Kampagne versagte total, und etwas mehr als einer von
> vier gewaltsamen Aufständen (26%) war erfolgreich.
>
>
>
> Dr. Christine Schweitzer ist Geschäftsführerin beim Bund für Soziale
> Verteidigung (soziale-verteidigungde) und wissenschaftliche Mitarbeiterin
> im Institut für Friedensarbeit und gewaltfreie Konfliktaustragung (ifgk.de
> )
>
> 1 <#m_-3545676306464265969_m_-935733864573512998_sdfootnote1anc>
> Chenoweth, Erica und Stephan, Maria J. (2011): Why Civil Resistance Works. The
> Strategic Logic of Nonviolent Conflict. New York: Colombia University Press.
>
>
>
> ---
>
> Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
> Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
> Center for Encounter and active Non-Violence
> Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
> fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
> Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
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