[E-rundbrief] Info 2192 - Helena Norberg-Hodge - Globalisierung erklärt
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Sep 7 17:52:03 CEST 2022
E-Rundbrief Info 2192 - Die Globalisierung erklärt von Helena Norberg-Hodge
Bad Ischl, 7.9.2022
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Die Globalisierung erklärt von Helena Norberg-Hodge
06.09.22 - Fiorella Carollo
https://www.pressenza.com/de/2022/09/die-globalisierung-erklaert-von-helena-norberg-hodge/
Dieser Artikel ist auch auf Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch
verfügbar
Helena Norberg-Hodge: "Die Wirtschaft nicht den Experten überlassen!"
Im Jahr 1991 veröffentlichte Helena Norberg-Hodge ein Buch, das um die
Welt ging. Unter dem bezeichnenden Titel „Ancient Futures“ berichtete
sie über ihre Erfahrungen in Ladakh und über den Wandel, den sie dort in
mehr als zwanzig Jahren als Europäerin in diesem Landstrich am Fuße des
Himalaya miterlebt hat. In der ersten Zeit ihres Aufenthalts lebte man
in dieser Region noch nach einem Jahrtausende alten Rhythmus, der ein
würdiges, wenn auch spartanisches Leben sicherte. Das Leben war geprägt
von landwirtschaftlicher Tätigkeit und die Ernte diente dem
Lebensunterhalt, den lokalen Gemeinschaften, einer gerechten Verteilung,
dem Tauschhandel mit den Nachbargemeinden und dem Gemeinschaftssinn.
Aber mit dem Einzug der Globalisierung wurde das Leben auch in diesem
abgelegenen Landstrich nicht nur gestört, sondern durch ein wenig
nachhaltiges ersetzt.
2011 war Helena Co-Regisseurin und Co-Produzentin des Dokumentarfilms
„The Economics of Happiness“, der ein großer internationaler Erfolg war.
Der preisgekrönte Film ist eine spannende und gut dokumentierte Kritik
an den Auswirkungen der Globalisierung auf unsere Welt. Helena gehört
inzwischen zu den Experten, die der König von Bhutan um sich
versammelte, um ein Wirtschaftssystem zu entwickeln, das eine
Alternative zu dem von den westlichen Demokratien propagierten System
darstellt und das anstelle des BIP – des Bruttoinlandsprodukts – das
Inlandsprodukt des Glücks und Wohlbefindens berücksichtigt.
Viel der heutigen Kritik an den Auswirkungen der Globalisierung
verdanken wir den einzigartigen Erfahrungen von Menschen wie der
schwedischen Wissenschaftlerin Helena Norberg-Hodge, die 35 Jahre in der
Himalaya-Region Ladakh verbrachte. In dieser Zeit konnte sie mit eigenen
Augen beobachten, wie sich eine isolierte ländliche Gesellschaft, die
komplett eigenständig und nachhaltig war, in eine nicht nachhaltige
Gesellschaft verwandelte, sobald sie mit der westlichen Wirtschaft in
Berührung kam, die seit den 1970er Jahren auch in diesen abgelegenen
Teil des Himalaya vordrang. Der Einfluss des Westens auf diese
Gemeinschaften war so stark, dass er die Wissenschaftlerin dazu
veranlasste, die Paradigmen unseres kulturellen Wirtschaftssystems, die
sie für selbstverständlich hielt, in Frage zu stellen. Sie hinterfragte
auch die Natur und die Gerechtigkeit der westlichen Herangehensweise im
Hinblick auf abgelegene Gemeinden durch die Globalisierung.
Im Zuge des Wandels, der sich in Ladakh vollzog, konnte Helena nicht
umhin, festzustellen, dass die Gemeinschaften in kurzer Zeit ihre
kulturelle Identität und ihre traditionellen Lebensgrundlagen verloren.
Und sie verloren vor allem die jüngeren Generationen. Unter dem äußerst
verlockenden Einfluss der materiellen Güter, die sie nun erwerben
konnten, wenn sie eine westliche Ausbildung und Lebensweise annahmen,
die sich von der ihrer Gemeinschaften völlig unterschied, begannen die
jungen Menschen, sich selbst, ihre Gemeinschaften und ihre Lebensweise
mit westlichen Augen und Maßstäben zu betrachten, und plötzlich war aus
einer glücklichen, einfachen und nachhaltigen Lebensweise Armut
geworden, ohne Komfort, ohne materielle Güter und ohne Geld. Sobald die
Jugendlichen die westliche Sichtweise angenommen hatten, betrachteten
sie ihr eigenes Volk mit Scham und Verachtung. Mit der Zeit mussten auch
diese jungen Menschen, als sie erwachsen wurden, zugeben, dass das eine
Illusion war. Der materielle Wohlstand kam nicht für alle, sondern nur
für einige wenige, und er hinterließ eine Spur von Zerstörung und eine
durch Drogen verwüstete Generation, die in den traditionellen
Gemeinschaften völlig fehlten, in der westlichen Welt aber weit
verbreitet waren.
Die Globalisierung erklärt von Helena Norberg-Hodge
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Globalisierung ein
wirtschaftlich äußerst erfolgreiches System war und ist, aber was genau
ist Globalisierung? Die Definition im Wörterbuch besagt, dass es sich um
ein universelles System handelt, in dem Waren und Finanzen frei und ohne
Regeln bewegt werden können, aber seit wann gibt es dieses System? Man
könnte es als eine neue Form der Kolonisierung betrachten: Vor 500
Jahren haben europäische Schiffe den größten Teil der Welt kolonisiert
und versklavt, heute geschieht dies durch eine Schuldenpolitik, die oft
als Entwicklungshilfe für die Länder der nicht-industrialisierten Welt
getarnt wird. Was sind aber nun die unbequemen Wahrheiten der
Globalisierung? Zunehmende psychische Erkrankungen sind sicherlich eine
der sichtbaren Auswirkungen. Depressionen sind zum Beispiel in England,
in Teilen der Vereinigten Staaten und jetzt auch aufgrund der lang
anhaltenden Dürre in Australien endemisch geworden. Der Konsum hat die
natürlichen Ressourcen unseres Planeten ausgehöhlt, wird aber durch die
Globalisierung unermüdlich gefördert, während er gleichzeitig enorme
Mengen an Müll produziert, die die Städte nicht mehr bewältigen können.
In armen Ländern steigt die Landflucht in die großen Metropolen
unaufhaltsam und vergrößert die Armut, anstatt sie zu verringern.
Die Globalisierung befeuert mit ihrem System des Transports von Waren
aus fernen Ländern zu den Verbrauchern den Klimawandel. In reichen
Ländern werden die gleichen Mengen eines Produktes exportiert, wie sie
importiert werden. Zu jedem Zeitpunkt werden Produkte von einem Land zum
anderen quer über den Planeten transportiert. Es ist völlig normal, dass
ein europäisches Land Butter in einer solchen Menge herstellt, wie es
sie exportiert und die gleiche Menge wieder importiert, dasselbe gilt
für Fleisch, Milch usw..
Da die Globalisierung Urbanisierung und das Leben in den Städten
fördert, sind die ersten, die ihre Arbeit verlieren, die Kleinbauern auf
dem Land, die so zu ungelernten, prekären Arbeitskräften im Dienste der
Industrie werden. Der Verlust von Land, ihrer Lebensgrundlage, hat
Zehntausende indischer Bauern in den Selbstmord getrieben. Das Gleiche
geschieht seit einigen Jahrzehnten in Australien, in Europa und in den
Vereinigten Staaten, obwohl es totgeschwiegen wird.
Die Unternehmen, die die Umwelt verschmutzen, können nur deshalb Handel
treiben, weil sie von staatlichen Subventionen profitieren, ohne die sie
auf dem freien Markt, auf den sie sich ständig berufen, nicht bestehen
könnten. Die großen Umweltverschmutzer sind diejenigen, die die
Globalisierung gewollt haben, die verlangten, keine Steuern zu zahlen,
beim Handel mit Waren keine Zölle zu entrichten und die dank dieser
Steuerbefreiung in unlauterem Wettbewerb mit lokalen Produkten und
Anbietern stehen, die hingegen Steuern zahlen müssen. Doch diese großen
umweltverschmutzenden Industrien können nur dank der fortgesetzten
Unterstützung des Staates existieren, der gleichzeitig daran gehindert
wird, kleinen Firmen, Handwerkern, Kleinunternehmern oder Kleinbauern zu
helfen. Sie sind gezwungen, die Steuern zu zahlen, die die Großen nicht
bezahlen, und mit den Unannehmlichkeiten des Klimawandels, der
Zerstörung der Umwelt und den industriellen Mengen an Müll fertig zu
werden, die von der Urbanisierung und der Großindustrie produziert werden.
Lokalisierung ist die Antwort auf Globalisierung
Genau aus diesem Grund ist die Lösung, die viele befürworten, die
Lokalisierung als Gegenmittel zur Globalisierung, also die Abschaffung
der Steuervergünstigungen, die die Finanz- und Wirtschaftsgiganten
derzeit genießen. Die Abhängigkeit von importierten Produkten zu
verringern und stattdessen mehr auf die heimische Produktion zu setzen,
sind Maßnahmen, die als isolationistisch und protektionistisch
bezeichnet werden, weil sie die heimischen Märkte schützen. Die
Regierungen müssen aufhören, den Löwenanteil ihrer Unterstützung an
multinationale Konzerne zu vergeben, und die Geldströme zugunsten
lokaler und regionaler Anbieter umkehren.
Die großen Lebensmittelkonzerne behaupten, dass die
Lebensmittelindustrie in einer zunehmend bevölkerten Welt die einzige
sei, die den Bedarf einer wachsenden Bevölkerung decken kann. Die
Realität ist jedoch, dass der kleine Hersteller eine Flexibilität hat,
die für die Großindustrie unmöglich ist. Vor allem beschäftigen die
Kleinerzeuger mehr Arbeitskräfte, weil der Kleinbauer nicht so
mechanisiert ist wie die Großindustrie, die stattdessen aus Gründen der
Arbeitsersparnis Maschinen einsetzt. Außerdem, und das wissen nur
wenige, kann der Kleinbauer in Wirklichkeit viel mehr Gemüse pro
Quadratmeter produzieren als die Großindustrie. Der Grund? Ganz einfach.
Die Fruchtbarkeit des Bodens ist größer, weil Düngemittel und Herbizide
nicht in industriellen Mengen eingesetzt werden, wie es die Großerzeuger
tun müssen. Auf kleinen Parzellen gibt es eine größere Artenvielfalt von
Pflanzen, die nicht zu Monokulturen verurteilt sind, wie es in der
Agrarindustrie der Fall ist. Das Produktivitätsverhältnis ist 3, 4 oder
sogar 5 Mal höher. Auch Energiequellen funktionieren besser, wenn sie
dezentralisiert und lokalisiert sind, denn auf diese Weise können sie
den Energiebedarf mit größeren Einsparungen decken.
Ein internationales Beispiel für die Auswirkungen einer Politik der
Lokalisierung im Gegensatz zur Globalisierung finden wir in der
englischen Transition-Town-Bewegung, die als das am schnellsten
wachsende Experiment bezeichnet wird, und die es auch bereits in
Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt. In Österreich:http
Quelle: Dokumentarfilm „The Economics of Happiness“ von Helena Norberg-Hodge
Link zur DVD mit deutschen Untertiteln
Steven Gorelick, John Page & Helena Norberg-Hodge
EAN 4250128411394
DVD, 68 Minuten
15,00 € (D)
Buchtipp: „Lokal ist unsere Zukunft – Schritte zu einer Ökonomie des
Glücks“ von Helena Norberg-Hodge (Neue Erde, 2022)
Zu Transition Österreich: transition.at
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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