[E-rundbrief] Info 2050 - Gewaltfreie Aktion gegen US-Atomwaffen
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Sa Jan 2 17:24:38 CET 2021
E-Rundbrief Info 2050 - Rüdiger Göbel/ Red. Nachdenkseiten: Freiheit
für die Plowshares 7. Gewaltfreie Aktionen von der Gruppe „Kings Bay
Plowshares 7“ gegen Atomwaffenstützpunkt in den USA.
Bad Ischl, 2.1.2021
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Freiheit für die Plowshares 7
02. Januar 2021 um 9:30 Ein Artikel von Rüdiger Göbel |
Verantwortlicher: Redaktion Nachdenkseiten
Angesichts steigender Corona-Fallzahlen sind im Sommer Tausende
Häftlinge aus US-Gefängnissen freigelassen worden, weil ihre
Sicherheit und die des Personals in den überbelegten Haftanstalten in
der Pandemie nicht gewährleistet werden konnte. Für Friedensaktivisten
kennt die US-Justiz kein Erbarmen. Martha Hennessy und Carmen Trotta
von der gewaltfreien Gruppe „Kings Bay Plowshares 7“ mussten gerade
ihre Haftstrafen antreten, zu denen sie wegen einer symbolischen
Abrüstungsaktion auf einem US-Atomwaffenstützpunkt verurteilt worden
sind. Von Rüdiger Göbel
Vor gut einem Jahr habe ich für die NachDenkSeiten mit Martha Hennessy
von der katholischen Friedensinitiative „Schwerter zu Pflugscharen“
über ihre mutige Protestaktion gegen das US-Atomwaffenprogramm
gesprochen, für die ihr und ihren sechs Mitstreitern Clare Grady (61),
Patrick O‘Neill (61), Carmen Trotta (57), Pater Steve Kelly (71), Mark
Colville (58) und Elizabeth McAlister (81) ab dem 21. Oktober der
Prozess gemacht wurde. Die „Kings Bay Plowshares 7“, wie sie sich
nennen, oder kurz: #KBP7, waren am 4. April 2018, dem 50. Jahrestag
der Ermordung von Martin Luther King, in die US-Marinebasis in Georgia
eingedrungen, einen der größten atomaren Stützpunkte der
US-Kriegsflotte. Die Pflugscharaktivisten durchtrennten den
Sicherheitszaun, gossen ihr eigenes Blut auf das offizielle Siegel der
Basis, hängten an einem Verwaltungsgebäude Tatortbänder und
Transparente auf – und hämmerten auf ein am Eingangsbereich zur Schau
gestelltes Modell einer Tomahawk-Rakete ein. Ziviler Ungehorsam gegen
atomaren Wahnsinn, der keinen verletzte, aber viele aufrütteln sollte.
Vor Gericht mussten sich die Pazifisten für ihre symbolische
Abrüstungsaktion wegen Verschwörung, Zerstörung von Eigentum an der
Kings-Bay-Marinebasis und Verwüstung von Staatseigentum sowie
Hausfriedensbruch verantworten. Nach nur vier Prozesstagen hatte ein
zwölfköpfiges Geschworenengericht alle Angeklagten in allen
Anklagepunkten für schuldig befunden. Die Hintergründe ihrer
Protestaktion, die Motivation für ihren religiös begründeten zivilen
Ungehorsam, die existentielle Bedrohung durch Atomwaffen wie die in
der Kings-Bay-Marinebasis gelagerten Trident-Interkontinentalraketen,
durften sie vor Gericht in Brunswick erst nicht vortragen. Das
Strafmaß sollte Anfang 2020 verkündet werden, Martha Hennessy und den
anderen der #KBP7 drohten jeweils bis zu 25 Jahre Gefängnis.
Die Plowshares 7 haben ihre Freiheit riskiert, indem sie ihren
christlichen Glauben in die Praxis umsetzten. Martha Hennessy verwies
im NachDenkSeiten-Gespräch auf das Alte Testament, wo es bei Jesaia 2,
4 heißt: „Der Herr wird zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre
Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es
wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden
hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.“
Für die Pflugschar-Aktivisten sind Atomwaffen nicht nur ein
Damoklesschwert, das über der Menschheit hängt und ihre globale
Vernichtung ermöglicht. Atomwaffen töten jeden Tag, indem sie den
Armen die Ressourcen stehlen, die weiße Vorherrschaft verstärken und
das Land verseuchen, so Martha Hennessy. Tatsächlich könnte mit einem
Bruchteil der 1000 Milliarden Dollar, die von der US-Regierung für die
Modernisierung des amerikanischen Atomwaffenarsenals eingeplant sind,
mit einem Schlag der Hunger in der Welt beseitigt und armen Ländern
eine Entwicklungsperspektive eröffnet werden.
Auf eben diesen Zusammenhang weist auch Papst Franziskus hin. Auf
einem Symposium des Vatikan 2017 bezeichnete er die nukleare
Abschreckung als ethisch nicht mehr vertretbar. Bei einem Besuch im
japanischen Hiroshima im November 2019 verurteilte der Papst den
Besitz von Atomwaffen als „unmoralisch“. In seiner in diesem Oktober
veröffentlichten Enzyklika „Fratelli tutti“ nennt Papst Franziskus die
vollkommene Abschaffung von Atomwaffen eine „moralische und humanitäre
Pflicht“. Die eingesparten Rüstungsausgaben sollten in einen Weltfonds
fließen, „um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die
Entwicklung der ärmsten Länder zu fördern“.
Die Pflugschar-Aktivisten begrüßen die Initiativen aus Rom. „Die
klaren Worte von Papst Franziskus gegen Kriege an sich und die
Massenvernichtungswaffen auf dieser Welt machen uns Hoffnung, mehr
Gehör zu finden“, so Martha Hennessy.
Am 13. November wurde das Strafmaß gegen sie bekanntgegeben. Die
Verkündung war durch die Corona-Pandemie verzögert worden. Martha
Hennessy, wie alle anderen per Video der Verhandlung zugeschaltet,
bekräftigte, dass ihr Glaube, ihre soziale Verantwortung und ihre
Liebe zur Menschheit sie dazu gezwungen hätten, so zu handeln, wie sie
und ihre Mitstreiter es getan hätten. Am Ende wurde sie zu zehn
Monaten Haft in einem Bundesgefängnis verurteilt, die sie am 14.
Dezember, Covid-19 hin, Covid-19 her, antreten musste, wie auch Carmen
Trotta, der 14 Monate Gefängnisstrafe erhalten hat. Patrick O’Neill
wurde zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt und soll sich Mitte Januar
melden, um diese Strafe anzutreten. Clare Grady wurde zu 12 Monaten
Haft verurteilt und erwartet den Strafantritt im kommenden Februar.
Bereits im Juni war Elisabeth McAlister zu einer Haftstrafe verurteilt
worden, die sich deckt mit den 17 Monaten Untersuchungshaft, die sie
im Glynn-County-Gefängnis verbringen musste. Die härteste Strafe hat
im Oktober Pater Steve Kelly mit 33 Monaten erhalten. Dies entspricht
der Zeit, die er in U-Haft war – durchgehend seit der Verhaftung auf
der Marinebasis im April 2018. Statt nun im Dezember freizukommen, ist
er von US-Marshalls nach Tacoma, Washington, gebracht worden, wo er
eine Strafe aus einer früheren Plowshares-Aktion absitzen soll.
Gegen Mark Colville sollte am 18. Dezember das Strafmaß verkündet
werden. Er war bereits 15 Monate in Untersuchungshaft. Richterin Lisa
Godbey Wood verschob die Bekanntgabe auf den 19. Februar.
Tatsächlich sind die Haftstrafen deutlich niedriger ausgefallen, als
die Plowshare-Aktivisten befürchtet hatten. Sie fühlen sich fast wie
ein Sieg an, bekundete Martha Hennessy nach Bekanntwerden. Zum
Gefängnis kommen Geldstrafen: Mehr als 33.000 Dollar müssen die sieben
jeweils zahlen, um die Kosten der Marine für die Beseitigung der bei
der Protestaktion entstandenen Schäden zu decken, wie es in der
Begründung des Gerichts heißt. Nach ihrer Haftentlassung müssen sie
zudem drei Jahre lang eine Fußfessel tragen, mit der sie von den
Behörden überwacht und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden.
Am 20. Januar wird Joe Biden als US-Präsident vereidigt. Nach John F.
Kennedy ist er der zweite Katholik, der ins Weiße Haus einzieht.
Während des Wahlkampfes gegen Amtsinhaber Donald Trump hat sich der
Demokrat immer wieder auf seinen Glauben berufen. Es heißt, der
regelmäßige Kirchgänger trage stets einen Rosenkranz bei sich. Es wäre
ein Leichtes, seine Glaubensschwestern und Glaubensbrüder der
Plowshares zu begnadigen und zu zeigen, dass er ihre aus dem
katholischen Glauben rührenden Beweggründe versteht.
Und es wäre selbstredend ein starkes Zeichen internationaler
Solidarität, wenn sich der Vatikan, der sich nach eigenem Bekunden auf
völkerrechtlicher Ebene weiter für eine weltweite Ächtung von
Atomwaffen starkmachen will, endlich auch für die katholischen
Atomwaffengegner in Haft einsetzte. Gute Gelegenheit ist der 22.
Januar, wenn der internationale Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft
tritt. Das Abkommen war im Sommer 2017 von 122 Staaten bei den
Vereinten Nationen in New York verabschiedet worden. Mehr als 80
Länder haben es bisher unterzeichnet, darunter auch der Vatikan als
eigenes Völkerrechtssubjekt. Deutschland zählt nicht dazu. Die
Bundesregierung will an der nuklearen Teilhabe in der NATO festhalten
und auch an der Stationierung der US-Atomwaffen in Büchel.
Titelbild: twitter/KingsBayPloughshares7 (Mark Colville, Martha
Hennessy, Clare Grady, Patrick O’Neill, Liz McAllister, Steve Kelly
und Carmen Trotta (v.l.n.r.))
Es wäre ein Zeichen internationaler Solidarität, wenn die inhaftierten
KBP7 Unterstützungspost gerade auch aus Deutschland bekommen, wo eine
große Mehrheit der Bevölkerung den Abzug der US-Atomwaffen fordert:
Martha Hennessy #22560-021
FCI Danbury
Route 37
Danbury, CT 06811
USA
Carmen Trotta #22561-021
FCI Otisville
Federal Correctional Institution
Satellite Camp
PO Box 1000
Otisville, NY 10963
USA
Erlaubt sind Briefe auf weißem Papier mit blauer oder schwarzer Tinte,
aber keine Zeichnungen.
Weitere Informationen: https://kingsbayplowshares7.org
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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