[E-rundbrief] Info - 1711 - J. Grässlin - Rede gegen Münchner Unsicherheitskonferenz 17.2.18
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Feb 21 18:44:22 CET 2018
E-Rundbrief - Info 1711 - Jürgen Grässlin (D): Redebeitrag bei der
Demonstration und Kundgebung gegen die 54. „Münchner
Unsicherheitskonferenz von Warlords und Waffenhändlern, Kriegstreibern
und Kriegsprofiteuren“ am 17. Februar 2018 auf dem Münchner Marienplatz.
Bad Ischl, 21.2.2018
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Nie wieder Krieg!
Nie wieder Waffenhandel!
Nie wieder Münchner Unsicherheitskonferenz!
Redebeitrag von Jürgen Grässlin bei der Demonstration und Kundgebung
gegen die 54. „Münchner Unsicherheitskonferenz von Warlords und
Waffenhändlern, Kriegstreibern und Kriegsprofiteuren“ am 17. Februar
2018 auf dem Marienplatz.
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreund*innen,
auf der sogenannten 54. Münchner Sicherheitskonferenz (kurz SiKo)
treffen sich heute hunderte von Teilnehmern, unter ihnen mehr als 30
Staats- und Regierungschefs sowie über 100 Verteidigungs- und
Außenminister. Doch der schöne Schein trügt. Die bei der
Sicherheitskonferenz im Bayrischen Hof diskutierte Politik hat nichts
mit Sicherheit, mit Stabilität oder mit Frieden zu tun. Denn im
Bayrischen Hof haben sich heute Politiker*innen und Generäle
eingefunden, die Unsicherheit und Unfrieden in die Welt hinaustragen.
Wer verstehen will, welch schwere Schuld die Regierungen und die
Armeen vieler der hier vertretenen Staaten auf sich geladen haben, der
muss die Rolle der USA, Deutschlands und ihrer Verbündeten in der NATO
– der größten Militärallianz der Welt – bei den Kriegen des 21.
Jahrhunderts analysieren. Wir fragen: Was haben all die Kriegseinsätze
bewirkt in Afghanistan, in Libyen, in Syrien und im Irak? Die Antwort
liegt auf der Hand: Sie haben die Kriegssituation verschärft.
Billionen Dollar und Euro wurden verpulvert für kontraproduktive
Kriegseinsätze.
Kontraproduktiv sind Folgen: Korrupte Regierungen wurden gestützt,
weite Regionen destabilisiert, ganze Länder zusammengebombt,
Abertausende von Zivilistinnen und Zivilisten getötet. Dies alles
geschah und geschieht unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Aber das
Ergebnis ist mehr als ernüchternd: Realiter ist der Terrorismus
weltweit weiter gewachsen.
* Diese Politik ist keine Friedenspolitik! Diese Politik ist
Kriegspolitik! Deshalb fordern wir von den Regierungschefs und
Ministern der 54. Münchner SiKo: Stoppen Sie die Kriegseinsätze Ihre
Militärs, nehmen Sie Verhandlungen mit den Gegnern auf und
unterzeichnen Sie Friedensabschlüsse!
* Für Deutschland fordern wir: Als ersten Schritt in Richtung Frieden
müssen die kriegerischen Auslandseinsätze der Bundeswehr gestoppt werden!
An der heutigen 54. SiKo nehmen auch mehr als 50 Vorsitzende großer
Konzerne teil. Viele von ihnen sind Profiteure der Kriegspolitik ihrer
Länder. Denn die Rüstungsindustrie boomt in Zeiten von Kriegen. Sie
boomt unter der Führung von US-Präsident Trump, der die Führungsrolle
der USA als Waffenexport-Weltmeister sogar noch weiter ausbaut.
Laut Recherchen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI lag
das Volumen der Waffenverkäufe und militärischer Dienstleistungen der
100 weltweit führenden Rüstungsunternehmen im Jahr 2016 bei 374,8
Milliarden Dollar. Dies bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine
Steigerung um 1,9 Prozent. Maßgeblich profitierten deutsche
Unternehmen von dieser Entwicklung. Sie legten 2016 gegenüber dem
Vorjahr um 6,6 Prozent beim Waffenhandel zu. Unter der Ägide von
Bundeskanzlerin Angela Merkel und für drei Jahre
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wurden während der Großen
Koalition von CDU, CSU und SPD beim Waffenhandel neue Rekordhöhen
erklommen.
Am schlimmsten war das Jahr 2015 mit Ausfuhrgenehmigungen in Höhe von
12,8 Milliarden Euro. Unter Bruch deutscher Rüstungsexportgesetze
wurden Warlords in Krisen- und Kriegsgebiete mit deutschen Waffen
versorgt. Merkel und Gabriel haben ihre Wahlversprechen gebrochen. Sie
haben in den letzten vier Jahren eine Politik der Waffenexport
Förderung betrieben und Gesetze gebrochen.
Deutschland, aber auch die USA, Frankreich und Großbritannien, zählen
zu den Unterstützern der Militärintervention von Saudi-Arabien im
Jemen. Mit ihrer offensiven Rüstungsexportpolitik an Saudi-Arabien, an
die Vereinigten Arabischen Emirate, an Ägypten und weitere
kriegführende Staaten leistet die Bundesregierung Beihilfe zu schweren
Menschenrechtsverletzungen und Mord. Wer Waffen in die Welt
exportiert, macht sich mitschuldig am Morden mit den Exportwaffen.
* Wir fordern deshalb: Keine Fortsetzung der Großen Koalition!
Stattdessen: Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen
Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen und Beihilfe zu Mord durch
Waffenexportgenehmigungen an menschenrechtsverletzende und an
kriegführende Staaten!
Grundlage des weltweiten Waffenexport-Booms sind globale
Instabilitäten. Weltweit werden zurzeit mehr als 30 Kriege und
bewaffnete Auseinandersetzungen ausgefochten. Dabei ist die Region des
Vorderen und Mittleren Orients am stärksten betroffen. Hier wüten
zwölf Kriege und bewaffnete Konflikte, zudem neun Kriege in Afrika und
acht in Asien.
Von Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete profitieren in
Deutschland allen voran bayerische Rüstungskonzerne. Kein Wunder also,
dass die 54. SiKo hier in München stattfindet. Nirgendwo sonst in der
Bundesrepublik werden so viele Waffen produziert. Mit der Airbus Group
(ehemals EADS), mit MAN Rheinmetall Military Vehicles, mit der IABG,
MTU Aero Engines, Raytheon Deutschland, Rhode & Schwarz und Krauss
Maffei Wegmann und unzähligen Zulieferbetrieben ist München die
Waffenhauptstadt Deutschlands. Von Bayern aus werden Kampfpanzer,
Kampfhubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge und Startanlagen für gelenkte
Raketen auf die Schlachtfelder der Welt exportiert.
* Schande über all diese Rüstungsmanager in München, in Bayern, in
Deutschland und in den anderen Staaten, die Profite mit
Waffenverkäufen und Krieg verdienen! Auch sie gehören vor Gericht
gestellt!
Die Politik der Militarisierung, der Aufrüstung und des Waffenhandels
zeitigt dramatische Folgen – gerade in der Flüchtlingsfrage. Denn die
Waffenexporte der Industriestaaten gehen vielfach an autokratische
Regime, Diktatoren und Repressoren in den Krisen- und Kriegsgebieten
im Maghreb, im Nahen und Mittleren Osten und in Entwicklungsländern
des Südens. Millionen von Menschen müssen fliehen vor dem Einsatz
dieser Waffen. Waffenhandel ist zentraler Fluchtgrund.
* Falls Bundeskanzlerin Merkel und weitere Regierungschefs wirklich
Fluchtgründe beseitigen wollen, dann müssen sie unsere der Forderung
umsetzen: Stoppt den Waffenhandel – aus Deutschland und aus all den
anderen Staaten!
Schauen wir uns die Situation in Syrien an: Russland und befreundete
Staaten haben das syrische Assad-Regime bis an die Zähne mit
Kriegswaffen hochgerüstet. Die USA haben mit befreundeten Nationen in
der Nato über Jahre hinweg Rebellengruppen mit Kriegswaffen
ausgestattet. Das Ergebnis: Das Land liegt in Schutt und Asche,
Millionen Menschen wurden und werden in die Flucht getrieben. Die
Erfahrung zeigt: War Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!
* Wir von Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“
fordern mit unseren weit mehr als 100 Mitgliedsorganisationen von den
Regierungs- und Staatschefs auf der 54. SiKo: Öffnen Sie die Grenzen
für Menschen, schließen Sie die Grenzen für Waffen!
Lasst uns noch einen Blick auf ein weiteres Kriegsgebiet werfen, in
dem gerade deutsche Regierungspolitiker und deutsche Rüstungsmanager
zur militärischen Eskalation beitragen haben. Mit Genehmigung der
jeweiligen Bundesregierung rüstet die deutsche Rüstungsindustrie seit
Jahrzehnten den türkischen Militärapparat mit Kleinwaffen – wie
Pistolen und Gewehre von Heckler & Koch – mit Militärfahrzeugen von
Mercedes sowie mit Großwaffensystemen – wie Kampfpanzer von Krauss-
Maffei Wegmann und Rheinmetall sowie Kriegsschiffe von Thyssenkrupp
Marine Systems – hoch.
Bereits im Bürgerkrieg von 1985 bis 1999 wüteten das türkische Militär
und türkische Sicherheitskräfte bestialisch in ihrem Kampf gegen
Kurd*innen. Längst hat sich dieser Bürgerkrieg zu einem
grenzüberschreitenden Krieg entwickelt. Völkerrechtswidrig setzen
türkische Streitkräfte bei ihrer Militärintervention in Afrin in
Nordsyrien auch deutsche Waffen gegen Kurd*innen ein. Mehr als
dreihundert Kampfpanzer vom Typ Leopard II A4 wurden zwischen 2006 und
2014 an die Türkei exportiert. Gefertigt wird der Leo II in München
bei Krauss-Maffei Wegmann. Zentrale Teile, wie die Glattrohrkanone,
liefert der Düsseldorfer Waffenproduzent Rheinmetall zu.
Und mit der aktuell erfolgten Freilassung des Journalisten Deniz Yücel
steht die Tür weit offen für den nächsten Deal: den Bau einer
Panzerfabrik in Karasu – ein Joint Ventures mit der Rheinmetall AG.
* Unsere Forderungen sind klar: Die deutsch-türkische
Waffenbrüderschaft muss sofort beendet werden! Gelieferte deutsche
Kriegswaffen müssen nach Deutschland zurückgeholt und hierzulande
verschrottet werden! Lasst uns stattdessen dabei mithelfen, dass die
Ära der deutsch-türkisch-kurdischen Freundschaft anbricht.
Lasst mich zum Schluss meiner Rede eine Bitte und eine Kritik und äußern.
Zum Ersten meine Bitte: Macht mit bei...
• der Internationalen Friedenskonferenz mit äußerst sehenswerten
Veranstaltungen heute und morgen im DGB-Haus München;
• bei den Gegenaktionen Kritischer Aktionär*innen in den
Hauptversammlungen der Daimler AG und der Rheinmetall AG am 5. April
und am 8. Mai 2018 in Berlin;
• beim „Staffellauf gegen Rüstungsexporte FRIEDEN GEHT“ von Oberndorf
über Kassel nach Berlin durch (www.frieden-geht.de und www.dfg-vk.de)
vom 21. Mai bis 2. Juni 2018. Die DFG-VK und viele weitere
Organisationen organisieren in Bayern begleitende Friedensaktionen.
• Kommt zu den Strafprozessen gegen Topmanager von Heckler & Koch vor
dem Landgericht Stuttgart wegen illegaler G36-Gewehrexporte in
verbotene Unruheprovinzen Mexikos. Und kommt zur H&K-Hauptversammlung
im Sommer 2018 (www.rib-ev.de).
- um nur einige wichtige Aktionen der Friedensbewegung zu nennen.
Zum Zweiten unsere Kritik: An diesem Wochenende palavern führende
Regierungs-, Rüstungs- und Militärvertreter bei der 54. SiKo über
Frieden, Freiheit und Demokratie. Ehrlicherweise müsste für die SiKo
umgetauft werden: in „Münchner Unsicherheitskonferenz von Warlords und
Waffenhändlern, Kriegstreibern und Kriegsprofiteuren“.
* Wir fordern stattdessen: Diese 54. SiKo muss die letzte SiKo sein!
Was wir wollen sind Friedens- und Abrüstungsverhandlungen unter dem
Dach der Vereinten Nationen auf neutralem Boden – z.B. in Genf oder Wien.
Unser Motto lautet: Nie wieder Krieg! Nie wieder Waffenhandel! Nie
wieder Münchner Unsicherheitskonferenz!
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Jürgen Grässlin ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt
den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft
- Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Vorsitzender des
RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.), Sprecher der Kritischen
AktionärInnen Daimler (KAD) und Mitbegründer der Kritischen
Aktionär*innen Heckler & Koch (KAH&K).
Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte
sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale
Bestseller. Zuletzt verfasste er das »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie
Deutschland am Krieg verdient« mit weit mehr als 200 Lesungen und das
»Netzwerk des Todes. Die kriminellen Verflechtungen von
Waffenindustrie und Behörden«.
Grässlin wurde mit bislang zehn Preisen für Frieden, Zivilcourage,
Medienarbeit und Menschenrechte ausgezeichnet, u.a. mit dem »Aachener
Friedenspreis«. Zuletzt wurde er mit dem »GRIMME-Medienpreis« und dem
»Marler Medienpreis Menschenrechte« von Amnesty International geehrt.
Weitere Informationen siehe www.juergengraesslin.com,
www.aufschrei-waffenhandel.de
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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