[E-rundbrief] Info 1661 - F. Langer - Jubiläum des Grauens - Israels Siedlungspolitik
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Sep 7 19:16:43 CEST 2017
E-Rundbrief - Info 1661 - Felicia Langer (D): Das Jubiläum des
Grauens. Israel feiert 50 Jahre „rechtmäßige“ Siedlungspolitik.
Bad Ischl, 7.8.2017
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Das Jubiläum des Grauens
Felicia Langer
August 2017
Israel feiert 50 Jahre „rechtmäßige“ Siedlungspolitik. Die erste
Veranstaltung Netanyahus wird am 28. August im Industriepark von
Barkan, im Norden der besetzten Gebiete stattfinden, und das in
Begleitung einer großen Zahl von Ministern und Abgeordneten der
israelischen Rechten. (Palästina Portal, 23.8.2017)
Ich muss gestehen, für mich war das wie ein Schlag ins Gesicht. Hanan
Ashrawi, Mitglied des Exekutivkomitees der PLO sagte u.a.:
»Nachdem Israels illegale Siedlungspolitik und Praktiken eindeutig ein
Kriegsverbrechen nach dem Rom Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs sind und das internationale Recht (Völkerrecht) und
Konventionen einschließlich der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates
Nr. 446 (1979), 452 (1979), 465 (1980) und 2334 (2016) direkt
verletzen, wird jedes Unternehmen, das versucht Geschäfte in den
illegalen Siedlungen zu machen, zum Komplizen des Verbrechens und ist
daher dafür vor Gericht verantwortlich.« (Palästina Portal, 23.8.2017)
Meine Vergangenheit kommt zu mir zurück. Als ich zum ersten Mal ins
Gefängnis von Hebron kam, das war Ende 1969, bemerkte ich auf dem
großen Hof eine Frau mit einem kleinen Kind und einige
„Yeshiva“-Studenten. Neben ihnen lag diverser Hausrat. Auf meine
Frage, was sie dort machen, antwortete mir einer der Soldaten: „Das
sind die Siedler von Hebron. Das sind die, die nicht arbeiten, aber
garantiert viel Geld kriegen“.
Ich zitiere aus meinem Buch „Zorn und Hoffnung“: »Das war meine erste
Begegnung mit den Angehörigen der neuen Siedlung in der „Stadt der
Väter“. Danach sah ich sie öfters im dortigen Militärgericht
versammelt, wo sie die Verhandlungen verfolgten. Sie verhehlten ihre
Freude nicht, wenn einer der „Eingeborenen“ bestraft wurde, deren
Gefängniszellen nur wenige Schritte von den Räumen entfernt lagen, in
denen sie untergebracht waren.
Ich beobachtete dort einmal eine Szene, die sich in mein Gedächtnis
einbrannte: Im Gefängnishof standen lange Tische, beladen mit
Delikatessen, um die herum sich die Siedler niederließen. Ich bahnte
mir einen Weg durch die fröhlichen Reihen, und ein Gefängniswärter
erklärte mir, daß sie eine Hochzeit feierten, und da seien sie eben
glücklich. Die Stimmen der Feiernden drangen durch die Gitterstäbe.
Ich konnte mich nur wundern, wie sie hier fröhlich sein konnten,
zwischen den Gefängnismauern, und was die Einwohner von Hebron,
eingezwängt in ihren finsteren Zellen, beim Klang der heiteren Lieder
wohl fühlen mochten. Ich fragte mich auch, wie die Siedler seelenruhig
im Schutz unserer Panzer leben konnten, mit der militärischen Stärke
des Regimes als Garantie für ihre Existenz vor Ort. Wie erklärten die
Kindergärtnerinnen und die Lehrerinnen den Kindern diese Nachbarn, die
Häftlinge, mit den gelblichen Gesichtern denen ein täglicher
Spaziergang von einer Viertelstunde vergönnt war?
Und was sagten die Erzieherinnen, wenn sie zusammen mit ihren
Schützlingen auf Massen von Frauen und Kindern stießen, die ihre
Verwandten besuchten? Wie brachten sie den Kindern die Begriffe von
Gut und Böse bei, um sie sicher durchs Leben zu geleiten? Und was für
eine Schule konnte das sein, der der Gefängnishof als Spielplatz diente?«
Ich bin Zeugin von vielen Enteignungen palästinensischen Landes
gewesen und bin gegen viele juristisch vorgegangen, aber meistens
vergebens. Die Gerichtsverfahren sind zu einer Farce geworden. Ich
weiß, wie die Bauern empfinden, wenn der Bulldozer das Land zerstört,
und mit ihm alles, was über Generationen aufgebaut und gepflegt wurde.
Ich werde nie die Worte einer meiner Mandanten vergessen, im Jahre 1980:
»Sagen Sie ihnen, daß wir hier seit Beginn der Zeit leben. Dieser
Boden stammt aus dem Staub unserer verstorbenen Lieben. Wir haben das
Land mit unserem Schweiß begossen und mit unserem Blut getränkt.
Unsere Toten haben wir hier begraben. Wir sind tief mit ihm verwurzelt
und sind durch seine große Güte ernährt worden. Selbst die Steine auf
ihm gehören uns.« (Zeit der Steine, F.L.)
So denken die Enteigneten und die Entwurzelten bis zum heutigen Tag,
und kein unverschämtes Grauens-Jubiläum wird das ändern.
Das Völkerrecht, die Gerechtigkeit werden das letzte Wort haben, und
die Menschen mit Gewissen überall, auch in Israel, den
Kriegsverbrechern zum Trotz.
http://www.palaestina-portal.eu/Stimmen_Israel_juedische/Langer_Felicia_Das-Jubilaeum_des_Grauens.htm
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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