[E-rundbrief] Info 1261 - Alternaitver Nobelpreis 2013 Hans Rudolf Herren (CH)
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Sa Sep 28 16:24:18 CEST 2013
E-Rundbrief - Info 1261- Right Livelihood Foundation (S): Hans Rudolf
Herren / Stiftung Biovision (Schweiz)
Bad Ischl, 28.9.2013
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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"Alternativer Nobelpreis" 2013
HANS RUDOLF HERREN / STIFTUNG BIOVISION (Schweiz)
„weil er mit wissenschaftlicher Expertise und bahnbrechender
praktischer Arbeit einer gesunden, sicheren und nachhaltigen
globalen Nahrungsversorgung den Weg bahnt.“
Der Schweizer Agrarwissenschaftler und Entomologe, Dr. Hans R. Herren,
ist einer der weltweit führenden Experten auf den Gebieten der
biologischen Schädlingsbekämpfung und des nachhaltigen Landbaus. Als
ein neuer Schädling die Maniokwurzel in Afrika gefährdete, entwarf und
implementierte er ein erfolgreiches biologisches Bekämpfungsprogramm,
das Millionen von Menschen das Leben rettete. Später wurde Herren zum
Co-Präsidenten des IAASTD (Weltagrarbericht), der von 59 Ländern
angenommen wurde. Heute hilft Herren mit seiner Schweizer Stiftung
Biovision Landwirten in Afrika, Hunger, Armut und Krankheit durch
ökologischen Landbau zu bekämpfen. Durch seine theoretische und
praktische Arbeit hat Herren bewiesen, dass eine auf agro-ökologischen
Prinzipien fußende Landwirtschaft auch in Zeiten von
Bevölkerungswachstum und neuen Bedürfnissen die Welt ernähren kann.
Laufbahn
Hans Herren wurde am 30. November 1947 geboren. Als Kind erlebte er
die negativen Auswirkungen der Einführung von Herbiziden und
Pestiziden auf dem Bauernhof seines Vaters in der Schweiz. Seinen
Hochschulabschluss machte er in Entomologie (Insektenkunde) an der
ETH in Zürich. 1977 promovierte er in biologischer
Schädlingsbekämpfung, wonach er für zwei Jahre zu weiterführenden
Studien an die University of California nach Berkeley wechselte.
Von 1979 bis 1994 wirkte Herren am International Institute of Tropical
Agriculture (IITA) in Nigeria, erst als Direktor des Biologischen
Bekämpfungsprogramms, und ab 1992 als Direktor
der Pflanzengesundheits-Abteilung. Während seiner Zeit dort arbeitete
er an Schädlingsbekämpfungsprogrammen gegen die Maniok-Schmierlaus,
die Grüne Maniok Milbe und die Mango-Schmierlaus sowie an integrierten
Schädlingsbekämpfungsprogrammen für andere Schädlinge der Kuhbohne und
des Mais. Er gründete außerdem das Biological Control
Centre for Africa in Cotonu, Benin. Von 1994 bis 2005 war Herren
Generaldirektor des International Centre for Insect Physiology and
Ecology (icipe). Unter seiner Führung entwickelte das Zentrum das 4-H
Paradigma (die Integration von Menschen-, Tier-, Pflanzen- und Umwelt-
Gesundheit in eine gemeinsame Grundstruktur für Forschung und
Entwicklung), sowie die Push-Pull-Methode, um den Stängelbohrer und
Striga zu bekämpfen, die eine große Bedrohung für Maisbauern in Afrika
darstellen. Zwischen 1994 und 2005 war Herren Herausgeber der
internationalen Zeitschrift Insect Science and its Application. Herren
ist zudem Mitglied der Amerikanischen National Academy of Sciences
(NAS) und der Developing World Academy of Sciences (TWAS).
Das größte biologische Schädlingsbekämpfungsprogramm der Welt
Maniok wurde im 16. Jahrhundert aus Südamerika nach Afrika eingeführt
und wird zur Zeit in ca. 40 afrikanischen Staaten angebaut. Bis in die
1970er Jahre hinein gab es in Afrika relativ wenig natürliche Feinde
oder Schädlinge, weshalb sich Maniok zu einem der Grundnahrungsmittel
des Kontinents entwickelte, das einen großen Teil des täglichen
Nahrungsbedarfs von ca. 200 Millionen Afrikanern abdeckt. In den
1970er Jahren wurde jedoch aus Versehen die Schmierlaus nach Afrika
importiert, die sich dort als Schädling der Maniokwurzel rapide
ausbreitete und das Überleben von Millionen von Menschen gefährdete.
Die von den betroffenen Regierungen
initiierte Ausbringung von Pestiziden stellte sich als wenig
erfolgreich heraus. Wäre sie über den gesamten Kontinent ausgedehnt
worden, hätte das nicht absehbare Folgen für Mensch und Umwelt gehabt,
ohne dass eine dauerhafte Lösung des Problems erreicht worden wäre.
Herren wurde vom International Institute of Tropical Agriculture (ITA)
in Nigeria angestellt, um einen alternativen Umgang mit dem Problem zu
entwickeln. Zu diesem Zweck entwarf er das afrikaweite Biological
Control Programme, bildete eine internationale Koalition und sorgte
für die Finanzierung des Kampfes gegen die Maniok-Schmierlaus. Mit
Hilfe seines weltweiten Netzwerkes gelang es ihm, den natürlichen
Feind der Schmierlaus, eine parasitäre Wespe, in
Paraguay ausfindig zu machen. Nach weiteren Forschungen begann Herren,
die Wespe, zuerst unter Quarantänebedingungen, zu züchten sowie auf
Sicherheit und Wirksamkeit zu überprüfen. Nachdem feststand, dass die
Wespe nicht selbst zu einem Problem für das afrikanische AgroÖkosystem
werden würde, begann er mit einer der größten Freisetzungskampagnen in
der Geschichte der Menschheit. In 24 Ländern des Maniok-Gürtels, vom
Senegal bis nach Angola, wurden zwischen 1982 und 1993 1,6 Millionen
Wespen sowohl von einem speziell ausgerüsteten, tief fliegenden
Flugzeug als auch am Boden freigelassen.
Dieses Programm stellte das natürliche Gleichgewicht zwischen der
Schmierlaus und ihrem Feind wieder her und führte somit zu einer
nachhaltigen und langfristigen Lösung des Schmierlaus-Problems. Nach
einer Schätzung des Welternährungspreises (World Food Prize) hat das
Programm 20 Millionen Menschen das Leben gerettet. Vandana Shiva,
ebenfalls Trägerin des Right Livelihood Award, bemerkte hierzu: „Noch
nie hat es ein ökologisch und sozial angepasstes Programm gegeben, das
in so kurzer Zeit einen so großen Einfluss auf die
Ernährungssicherheit hatte.“
Co-Vorsitz des Weltagrarberichts
2004 wurde Herren Co-Präsident des International Assessment of
Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development
(IAASTD), der im deutschen Sprachraum auch als „Weltagrarbericht”
bekannt ist. Wie das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change)
im Bereich der Klimawissenschaften umfasste das IAASTD einen
zwischenstaatlichen Beratungsprozess, der in Zusammenarbeit mit den
internationalen Organisationen FAO (Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen), GEF, UNDP, UNEP,
UNESCO, Weltbank und Weltgesundheitsorganisation durchgeführt wurde.
Es evaluierte die Relevanz, Qualität und Effektivität von
landwirtschaftlichem Wissen, Forschung und Technologie mit Blick auf
die Erreichung von Entwicklungs- und Nachhaltigkeitszielen: die
Reduzierung von Hunger und Armut, die Verbesserung der Ernährung, der
Gesundheit und der ländlichen Lebensumstände sowie die Förderung
sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. Die Ergebnisse basierten auf
der Übereinstimmung von 400 Wissenschaftlern und wurden auf der
Plenarsitzung 2008 in Johannesburg von 59 Regierungen angenommen,
sowie 2009 in der Berichtsreihe „Agriculture at a Crossroads“
veröffentlicht.
Der Report betont die Notwendigkeit einer höheren Produktivität und
einer gerechteren Verteilung landwirtschaftlicher Produkte. Er
empfiehlt organische Landwirtschaft und agroökologische Praktiken als
Weg in die Zukunft, um die langfristige Produktivität des Bodens und
eine multifunktionale Landwirtschaft zu sichern. Der Bericht betont
die Dringlichkeit, mit der dieses neue Paradigma umgesetzt werden
muss. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass ‚business as usual‘ keine
gültige Option mehr ist, da das gegenwärtige landwirtschaftliche
System, basierend auf externen Einträgen und der Ausbeutung nicht
erneuerbarer, natürlicher Ressourcen, die globale Nahrungsproduktion
mittel- bis langfristig gefährdet. Der Report weist
überdies auf die Notwendigkeit hin, dass Landwirte, und unter ihnen
ganz besonders die Frauen, in die Erforschung und Verbreitung
landwirtschaftlicher Methoden und Organismen einbezogen werden müssen.
Die ‚entwickelten‘ Länder haben seither jedoch nur eine geringe
Bereitschaft gezeigt, die Ergebnisse des IAASTD-Berichts umzusetzen,
was Herren darauf zurückführt, dass der Bericht eine kritische
Position gegenüber der Handelsliberalisierung von Agrarprodukten
einnimmt und den potentiellen Nutzen der Gentechnik bei der Lösung
zentraler Probleme wie Hunger und Armut anzweifelt. Das Problem, so
Herren, sind „die finanziellen Interessen einiger weniger Konzerne und
großer Landwirte, die gegen die einzig sinnvollen Lösungen arbeiten“.
Obwohl das Sekretariat des IAASTD inzwischen aufgelöst ist, setzt sich
Herren, zusammen mit seiner Stiftung Biovision und einer Allianz von
140 internationalen NGOs, für die Umsetzung der Ergebnisse des
Weltagrarberichts ein – zu diesem Thema hat er mehr als 250 Vorträge
gehalten. Herrens Ziel ist es, dass die FAO mit Unterstützung des
UN-Komitees für Welternährungssicherheit (CSF), ein Mandat bekommt,
die Handlungsempfehlungen des IAASTD-Reports in die Tat umzusetzen. Er
setzt sich für die Einrichtung eines permanenten Gremiums ein, das das
landwirtschaftliche Wissen sowie die landwirtschaftliche Wissenschaft
und Technologie regelmäßig überprüft. Sein Ziel besteht dabei in der
Bildung einer starken Allianz auf politischer Ebene, die sich
rückhaltlos für nachhaltige Landwirtschaft einsetzt.
Stiftung Biovision
1998 gründete Herren die Biovision Stiftung für Ökologische
Entwicklung mit dem Ziel, in Afrika Hunger und Armut an der Wurzel zu
bekämpfen und ökologische Methoden zu verbreiten, die die
Lebensbedingungen auf nachhaltige Weise verbessern. Heute betreut
Biovision fast dreißig Projekte in Ost-Afrika (Kenia, Äthiopien,
Tansania, Uganda) und der Schweiz. Das Budget der Stiftung von ca. 7
Millionen CHF wird von über 35.000 Spendern finanziert. Dazu zählen
Einzelpersonen genauso wie Stiftungen, staatliche Institutionen der
Schweiz und Unternehmen.
Biovision arbeitet vor Ort in Ostafrika, um die Lebensgrundlagen von
Kleinbauern zu verbessern, indem ihnen wissenschaftliche Kenntnisse
und Methoden des ökologischen Landbaus vermittelt werden. Im Zentrum
dieser Projekte steht das Farmer Communication Programme, das
wesentliches Wissen an bäuerliche Kleinbetriebe weiterleitet. Dabei
bedient man sich verschiedener Kanäle wie etwa einer Zeitschrift für
Landwirte (die über 240.000 Bauern erreicht), einer Radiosendung (die
bis zu 4 Millionen Zuhörer in der Woche hat), einer Internetplattform
(www.infonet-biovision.org mit über 30.000 Klicks im Monat) und SMS,
um Landwirten in ganz Ostafrika ökologische Methoden wirksam zu
vermitteln.
Zusätzlich arbeitet Biovision an Aufklärungskampagnen mit dem Ziel,
politische Prozesse und das Bewusstsein der Verbraucher sowie einer
breiten Öffentlichkeit zu verändern. Diese Projekte werben für einen
allgemeinen Paradigmenwechsel im Sinne des Weltagrarberichts und
informieren Schweizer Verbraucher über die ökologischen und sozialen
Folgen ihres Konsumverhaltens.
Weitere Funktionen
Seit 2005 ist Herren Präsident des Millennium Institute in Washington
D.C., das Entscheidungsträgern dabei hilft, die Wechselwirkungen
zwischen ökonomischen, sozialen und ökologischen Faktoren sowie
Friedens- und Sicherheitsthemen zu verstehen. Das Institut bietet
Regierungen und dem privaten Sektor eine ganze Reihe von Hilfsmitteln
und Beratungsdienstleistungen für holistisches, langfristiges Planen
unter Beachtung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Grenzen an.
Auszeichnungen
Herren hat eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten, unter anderem
den Welternährungspreis (1995), den One World Award von Rapunzel
(2010) und den Tyler Prize for Environmental Achievement
der University of Southern California (2003).
Herren lebt in Washington D.C., Rom und Kalifornien, wo er ein Weingut
nach den Prinzipien der organischen Landwirtschaft betreibt. Er ist
Schweizer Staatsbürger.
Zitat von Hans Herren:
„Der Dialog über Nahrung und Ernährungssicherheit muss sich weg
bewegen von kostenintensiven ‚Wunderwaffen’ hin zu erschwinglichen,
realistischen und erwiesenen Lösungen, die inklusiv sind, das Wissen
der Landwirte mit nachhaltigen Innovationen verbinden und die
Verbraucher wieder mit den Produzenten verbinden.“
Übersetzung: Markus Wülfing
Kontaktdaten
Biovision, Schweiz:
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Videos: http://www.rightlivelihood.org/herren_videos.html
Interview: http://www.rightlivelihood.org/herren_interview.html
Publikationen: http://www.rightlivelihood.org/herren_publications.html
http://www.rightlivelihood.org/herren_otherbios.html
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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