[E-rundbrief] Info 151 - RB Nr. 114 - Beirut Anti-War Declaration; Leo Gabriel: Wiedersehen in Falludscha?

Matthias Reichl mareichl at ping.at
Sa Okt 30 12:24:59 CEST 2004


E-Rundbrief - Info 151 - RB Nr. 114 - The Beirut Declaration. Declaration 
of the international strategy meeting of anti-war and anti-globalisation 
movements in Beirut, Lebanon on 17-19 September 2004; Leo Gabriel: 
Wiedersehen in Falludscha?

Bad Ischl, 30.10.2004

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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The Beirut Declaration

Declaration of the international strategy meeting of anti-war and 
anti-globalisation movements in Beirut, Lebanon on 17-19 September 2004

20.9.2004

We are delegates from social movements, organizations, political parties, 
networks, and coalitions from 43 countries who are struggling for global 
peace and justice and who are committed to equality, solidarity, and 
diversity. We are from Latin America, North America, Asia and Pacific, 
Africa, the Middle East and Europe engaged in our own campaigns and 
struggles against militarization, globalization, nuclearisation, US bases 
and corporate globalization.

Gathered in Beirut at a critical moment in history, we welcome and 
celebrate this historic opportunity to deepen and strengthen our bonds with 
our friends and comrades in the Arab region. We reaffirm the principles of 
unity and plan of action articulated in the Jakarta Peace Consensus and 
commit to continue waging the struggle against the occupation of Iraq, 
Palestine, corporate-led globalization and dictatorships.

We express our solidarity with the people in the region fighting for 
democracy and social, economic, political and civil rights and who are 
suffering repression because of their opposition to dictatorship.

The Middle East is the strategic battleground of US. Iraq and Palestine are 
the two critical focal points of aggression and resistance. The liberation 
of the Iraqi and Palestinian peoples is crucial to build global justice. 
Their struggles are ours.

We support the right of the people of Iraq and Palestine to resist the 
occupations. We call for the unconditional withdrawal of US and "coalition" 
forces from Iraq. We demand the end to the Israeli occupation of Palestine. 
We demand that the Right of Return be fulfilled. Until then, Palestinian 
refugees in the diaspora and internally displaced Palestinians need to be 
granted full economic, political and social rights. We denounce the racist 
and colonial character of Zionism, Israel's State ideology. We demand the 
dismantlement of the Apartheid Wall and all settlements. We ask for the 
release of all Palestinian and Iraqi political prisoners.

In commemorating twenty-two years of the Lebanese people's resistance and 
the anniversary of the Sabra and Chatila massacre, we salute the Lebanese 
resistance which has inspired us the world over, and we express our 
solidarity with the continuing resistance in Southern Lebanon.

We will build our solidarity through common campaigns and this positive 
dynamic of dialogue and common action must continue.

Diese "Beirut Declaration" (in Englisch, Französisch, Spanisch, 
Italienisch, Griechisch und Arabisch) wurde vom Mitorganisator, dem 
internationalen Anti-Globalisierungs-Netzwerk "Focus on Global South", auf 
ihrer homepage www.focusweb.org/ dokumentiert.


Vorbemerkung zum folgenden Bericht von Leo Gabriel:

Auch wenn wir den gewaltsamen Teil der politischen Ansichten und Strategien 
- wie sie "Die Beirut Declaration" andeutete und Leo Gabriel schildert - 
nicht teilen, ist der Konferenzbericht doch eine wichtige Dokumentation 
über den schwierigen Dialog - und über das Mitgefühl für die Opfer von 
Krieg und Okkupation - der alle geographischen und ideologischen 
Differenzen überwinden will.

Matthias Reichl

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Wiedersehen in Falludscha?

In Beirut trafen die weltweiten Antikriegsbewegungen erstmals mit 
VertreterInnen des irakischen und palästinensischen Widerstands zusammen.

Leo Gabriel, aus Beirut (Libanon)

Aus 54 Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und Europas stammten die 220 
Delegierten, die sich vom 17. bis 19. September in Beirut zu einer 
dreitägigen Konferenz unter dem Titel: "Wie geht's weiter mit der 
Antikriegsbewegung" eingefunden haben. Im Mittelpunkt der Gespräche und 
Diskussionen standen die Auseinandersetzungen um die Lage im Irak und 
Palästina, war es doch das erste Mal, dass VertreterInnen westlicher und 
fernöstlicher Bewegungen mit SprecherInnen des Widerstands aus dem Nahen 
und Mittleren Osten zusammentrafen.

Den Auftakt dieser Konferenz, die von der thailändischen NGO "Focus on the 
Global South" unter Leitung des international bekannten 
Globalisierungskritikers Walden Bello veranstaltet wurde, ein Besuch im 
libanesischen Flüchtlingslager Sabra und Schatila, wo vor genau 22 Jahren 
auf Anordnung Ariel Sharons Hunderte Palästinenser massakriert worden 
waren. "Inzwischen ist der Libanon zum Symbol einer islamischen Befreiung 
geworden, um die es heute auch im Irak und in Palästina geht", erklärte der 
libanesische Anthropologe Mohsen Saleh unter Berufung auf die Werte, die 
die schiitische Hisbollah-Bewegung damals motivierte.

Dass es gerade die politisch-religiös fundamentierten Konzepte von 
"Befreiung" und "Selbstbestimmungsrecht der Völker" sind, welche heute die 
USA und Israel dazu veranlassen, eine "Islamophobie" als Rechtfertigslehre 
für ihre Interventionstruppen im Irak und in Palästina weltweit zu 
verbreiten, gab den Anlaß für stundenlange Diskussionen zwischen den 
Delegierten westlicher Antikriegsbewegungen und den zahlreichen 
VertreterInnen des arabischen Widerstands. Insbesondere über die 
Geiselnahmen im Irak entspann sich eine äußerst hitzige Debatte. Die 
irakische Delegation, unter denen sich auch (namentlich nicht genannt 
werden wollende) Vertreter von Mohaqutar Al Sadr und der Aufständischen in 
Falludscha befanden, vertraten die Meinung, dass es sich bei den Geiseln in 
den allermeisten Fällen um Männer und Frauen handelte, die den 
"Kriegstreibern" in der einen oder anderen Weise zuarbeiteten.

Der Einwand der italienischen und französischen KonferenzteilnehmerInnen, 
dass die Gefangennahme von Journalisten und MitarbeiterInnen humanitärer 
Organisationen  sowohl den irakischen als auch den westlichen 
Antikriegsbewegungen schade, wurde von den IrakerInnen zunächst mit dem 
sehr emotial vorgetragenen Argument entkräftet, sie hätten eben angesichts 
der Gräueltaten das Recht, Widerstand zu leisten. Erst als eine Vertreterin 
der Opposition in Afghanistan sagte, dass von der afghanischen Bevölkerung 
die arabischen, unter dem Namen Al Kaida bekannten Netzwerke "genauso wie 
die USA" als ausländische Besatzungsmacht empfunden würden, entfuhr es 
einem Scheich aus Bagdad: "Naja, es gibt ja auch wirkliche Terroristen".

Im allgemeinen verdichtete sich der (nicht immer offen zugegebene) 
Eindruck, dass der irakische Widerstand zwar durch den gemeinsamen Kampf 
gegen die (ziemlich weit definierte) Besatzungsmacht irgendwie verbunden 
ist, aber über keine gemeinsame Organisationsstruktur verfügt. Deshalb 
tauchte bei den irakischen Delegierten immer wieder der Ruf nach einer 
politischen "Einheitsfront" auf, eine Forderung, die auch die Delegierten 
aus anderen Teilen der Welt unterstützen wollten. Es wurde sogar über die 
Abhaltung einer internationalen Konferenz im Irak selbst diskutiert, die 
gleichzeitig mit einer nationalen Versammlung der oppositionellen Kräfte 
des Irak stattfinden könnte. Den Sicherheitsbedenken kam der Vertreter des 
Widerstands in Falludscha mit der firm vorgetragenen Bemerkung zuvor: "Ich 
garantiere eure persönliche Sicherheit."

In der gemeinsamen Abschlusserklärung unterstützten die TeilnehmerInnen 
abgehaltenen Konferenz der weltweiten Antikriegsbewegungen einhellig  "das 
Recht der Völker des Irak und Palästinas auf Widerstand gegen die 
Besatzung" und forderten den sofortigen Abbruch der "Apartheid-Mauer". 
Ebenso kündigten sie eine "Anti-Apartheid-Kampagne zur diplomatischen, 
politischen und ökonomischen Isolierung Israels" unter Einschluß eines 
weltweiten Boykotts israelischer Produkte und weltweite Mobilisierungen 
gegen Krieg und Besatzung im Irak und Palästina an.

Es war dies das zweite Mal nach den weltweiten Demonstrationen am 15. 
Februar 2003, an denen sich an die 30 Millionen Menschen beteiligt hatten, 
dass sich die Antikriegsbewegungen trafen. Unmittelbar nach dem Irakkrieg 
hatten sich VertreterInnen dieser Bewegungen in Jakarta, Indonesien 
getroffen und internationale "Tribunale gegen Bush und Blair" sowie eine 
Kampagne gegen die US-Militärbasen initiiert. Auch durch die Abstimmung 
ihrer Aktivitäten auf die Sozialforen (vor allem auf dem Weltsozialforum in 
Mumbai und Porto Alegre und auf dem Europäisches Sozialforum vom 14.-17. 
Oktober in London) ist jetzt ein Prozeß in Gang gekommen, der - unabhängig 
vom Ausgang der Wahlen in den USA - die Aktivitäten der Antikriegsbewegung 
mit denen des Widerstands in den betroffenen Kriegsregionen weltweit 
koordiniert.

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Matthias Reichl

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