[E-rundbrief] Info 10 - RB Nr. 109/110 Claudia von Werlhof - Vom Wirtschaftskrieg zur Kriegswirtschaft.
Matthias Reichl
mareichl at ping.at
Sa Aug 16 17:00:54 CEST 2003
E-Rundbrief - Info 10
Bad Ischl, 16.8.2003
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
109. und 110. Rundbrief (2 und 3/2003) 27.
Jhg. Doppelnummer Frühling und Sommer 2003
August
2003
Teil 3:
Vom Wirtschaftskrieg zur Kriegswirtschaft. Die Waffen der "Neuen-Welt-Ordnung".
Claudia von Werlhof
Vortrag "Austrian Social Forum" 30.5.2003, Hallein
Wir sind es eigentlich nicht gewöhnt - vielmehr, es ist tabuisiert, -
einen Zusammenhang zwischen Krieg und Wirtschaft zu sehen. Für die meisten
Männer zumal gilt der Krieg immer noch als ultima ratio, also als letzter
Ausweg, der ihnen einfach zur Verfügung stehen muß. Sie lieben den Krieg
geradezu, er ist sozusagen ihre vornehmste Erfindung und gilt als eine
Kunst. Der Krieg soll also eine Kulturtat sein - oder aber, paradoxerweise,
ein Naturereignis!
Ich möchte im Gegensatz zu solcher beschönigenden und die Gewalt
ästhetisierenden Irrationalität bzw. angeblichen Unabänderlichkeit des
Krieges den Zusammenhang zwischen der Waren- oder Geldlogik und der
Kriegslogik herstellen.
Denn wir sind heute in der Situation, daß Demokratie, Friede und
Wohlstand auch dort, wo sie nach dem letzten Weltkrieg wieder erstanden
sind, vor unseren Augen zerrinnen und stattdessen eine Verarmung und
Zerstörung begonnen hat, die immer kriegerischere Züge annimmt.
Meine These: Die Logik des Krieges ist, ein neues Wachstum zu schaffen.
Also immer dann, wenn unser System ökonomisch an seine Grenzen stößt, ist
es bereit, den Krieg zur Durchbrechung dieser Grenzen einzusetzen. Der
Krieg ist auf diese Weise eine Bedingung für neues Wachstum, das heißt, er
ist die Fortsetzung nicht etwa nur der Politik, sondern gerade auch die
Fortsetzung der Wirtschaft mit anderen Mitteln.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen einem ökonomischen Krieg, der im
Wesentlichen darin besteht, eine neue Akkumulation durch Okkupation und
Enteignung, das heißt Wachstum durch Raub - man könnte auch sagen, durch
"fortgesetzte ursprüngliche Akkumulation" - zu schaffen. Die zweite
Möglichkeit ist der unmittelbare Krieg, also die militärische Zerstörung
eines Gebiets, um dann durch einen sogenannten Wiederaufbau des vorher
Zerstörten neue Wachstumsraten zu beschaffen.
Das Ganze kann man mit Hannah Arendt als die "Banalität des Bösen"
bezeichnen. Denn: Wer ist schon gegen Wachstum oder kann es sich leisten,
etwas anderes wichtiger zu finden, und das womöglich auch noch öffentlich
zu vertreten? Würde sich so jemand nicht unendlich lächerlich machen?
Was in diesem System jedenfalls nicht in Frage zu kommen scheint, ist
eine Umverteilung nach unten, das heißt ein Verzicht auf Akkumulation,
oder/und die Aufrechterhaltung bzw. neuerliche Ingangsetzung nicht
lohnender, nicht genügend profitabel erscheinender Produktionen. Denn aus
der Systemsicht ist nur das am Profit orientierte Geld akzeptabel, nicht
aber der allgemeine soziale Wohlstand.
Andererseits: Gänzlich unmöglich ist auf die Dauer jedoch das Wachstum
auf Kosten der Ausbeutung von sog. Naturressourcen, vor allen Dingen derer,
die sich nicht erneuern, weil sie irgendwann - und diesmal wirklich
unausweichlich - an ihr Ende gelangen und damit auch vielleicht noch etwas
verzögert durch eventuelle technische Erfindungen - das entsprechende
System. Das heißt: Gegen die Endlichkeit der Erde wird auch der Krieg
letztlich nichts vermögen, so viel er auch dazu beiträgt, die irdischen
"Ressourcen" im und für den Krieg bzw. die Wirtschaft aufzuspüren,
herzurichten, anzuhäufen, in Geld/Ware/Kapital zu transformieren und
schließlich zu zerstören.
Uns wird ja nun seit zwei Jahrzehnten immer wieder mit großem Nachdruck
gesagt, daß es keine Alternative gäbe zum Neoliberalismus. "There is no
alternative", das war der Spruch von Margaret Thatcher seit den 80er
Jahren. Das heißt, die Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus wird als eine
Art "höhere Gewalt" definiert bzw. als eine Naturnotwendigkeit, eben: wie
der Krieg.
Ich würde sagen, daß das heute inzwischen regelrecht obszön wirkt, denn
alle Gesellschaften, die diese Politik angewandt haben, befinden sich
bereits mehr oder weniger überall auf der Welt "im freien Fall": Die
Nationalstaaten lösen sich auf, politische Parteien sind nicht
wiederzuerkennen, Regierungen mutieren zu Geheimgesellschaften, der
Sozialstaat wird zerstört, Familien implodieren, der Einfluß der
Gewerkschaften wird zersetzt, Unternehmen verschwinden im Rachen der
Konzerne, öffentliche Güter werden an private Konzerne verscherbelt, und
die Versorgung mit lebensnotwendigen Leistungen ist nicht mehr garantiert.
Bildungseinrichtungen werden zertrümmert, die Verteuerung des Lebens hat
enorm zugenommen, ohne daß dies zugestanden würde, und eine allgemeine
Verelendung durch ein rapides Anwachsen der Arbeitslosigkeit ebenso wie nur
mehr prekärer, hausfrauisierter, wenn nicht gar sklavenartiger
Arbeitsverhältnisse ist überall und nun auch in den Industrieländern zu
beobachten.
Dieser sogenannten "höheren Gewalt" folgt dann gewissermaßen, angeblich
ebenso notwendig, die so könnte man sagen - "niedere" Gewalt der
unmittelbaren Kriegshandlung. Demnach befinden wir uns im Schritt eins auf
dem Weg zum Krieg. Denn beim globalisierten Neoliberalismus handelt es sich
um eine mutwillige Enteignung, Ausplünderung sowie Zerstörung der nicht
konzerngesteuerten Wirtschaft, also vor allen Dingen des öffentlichen
Sektors, aber auch der kleinen und mittleren, ja sogar der größeren
"nationalen" Unternehmen.
Auf der anderen Seite der Medaille haben entsprechend einige wenige
transnationale Konzerne explosionsartig anwachsende Umsätze und Einkommen
zu verzeichnen, ihr Reichtum ist skandalös und in der Welt von nie
dagewesenem Ausmaß. Es ist aber dieser Reichtum zusätzlich auch noch mit
Subventionen, Steuerbefreiungen und unseren Steuereinnahmen sowie
Zinszahlungen mitbezahlt worden. Die Nutznießer sind Konzernchefs und
Manager, Versicherungen, Banken und andere multinational engagierte und oft
am Rande der Legalität oder gar mafios operierende Konzerne, die auch in
der Untergrundwirtschaft des Waffenhandels, des Drogenhandels, des
Menschenhandels und der sexuellen Versklavung tätig sind und anschließend
ihre Gelder "weißwaschen", insbesondere auch bei "seriösen" Schweizer
Banken, also gleich nebenan. Eine solche Politik hat zur Bildung von
Oligopolen und Monopolen geführt, die längst die Märkte unter sich
aufgeteilt und ihnen eine etwa noch bestehende Freiheit genommen haben.
Zusammengefaßt: Die Riesen-Vermögen sind in den letzten Jahrzehnten
immer mehr auf parasitäre Weise zustandegekommen, also ohne eigene Arbeit
und Produktion, sondern durch Enteignung, Subventionierung, Geldverleihung
gegen hohe Zinsen und Spekulation.
Wir befinden uns aus dieser Sicht in einem Wirtschaftskrieg/ einer
Kriegswirtschaft, die inzwischen in eine wahrhaftige Zivilisationskrise
münden. Denn es ist absehbar, daß eine Fortführung dieser
Umverteilungspolitik von unten nach oben zu einem Kollaps von Wirtschaft,
Ökologie und Gesellschaft führen muß.
Das wissen vermutlich auch die global players, denn sie sind zu einem
Amoklauf gestartet, um die letzten Märkte, Investitionsfelder und
Ressourcen der Welt so hemmungslos und ausgiebig und so lange wie noch
möglich auszubeuten. Der Name dieses Projekts heißt WTO,
Welthandelsorganisation bzw. Freihandel weltweit, unterstützt vom
Internationalen Währungsfond, der Weltbank und den transnationalen
Konzernvereinigungen.
Zuletzt hat als Unterabkommen der WTO das GATS, das allgemeine Abkommen
über den Handel mit Dienstleistungen, zu diesem Projekt beigetragen. Es ist
die erweiterte Form des multilateralen Abkommens über Investitionen, MAI.
Dabei ist inzwischen deutlich geworden, daß das GATS zum Problem Nummer
eins auch im Westen bzw. Norden geworden ist, ohne daß dies aber zugegeben
würde.
Das GATS ist sozusagen eine neue "Massenvernichtungs-Waffe" im
Wirtschaftskrieg. Sie soll für ein neues Wachstum sorgen, indem praktisch
der gesamte "non-profit"-Bereich nun auch in die Privatisierung und
Kommerzialisierung einbezogen wird. Das GATS soll nämlich bewirken, daß die
gesamte Reproduktion, der Rest von Subsistenz und die Hausarbeit, also die
gesamte sog. Daseinsvorsorge bzw. -versorgung zu profitablen
Warenproduktionen umgestaltet werden. Der gesamte Alltag soll
durchkommerzialisiert und monetarisiert und die Rationalität des
profitorientierten Geldes auch noch in die intimsten Winkel der
Privatsphäre katapultiert, die letzten Momente von Moral, Rücksichtnahme,
Mitleid, Altruismus oder liebevoller Zuwendung ausgemerzt werden.
Die letzten öffentlichen Gemeingüter und Almenden sollen durch eine
entsprechende Politik der Bildung von neuem Privateigentum mittels
"Einhegungen", der Enklaven ("enclosures"), also durch eine Politik der
gewaltsamen Privatisierung bzw. unmittelbaren Beraubung verschwinden. Nach
und nach sollen damit alle öffentlichen Bereiche auch endgültig und
irreversibel der demokratischen Kontrolle entzogen werden.
Das GATS ist wie ein Krieg der Versuch, auch noch die letzte Grenze der
Durchkapitalisierung aller Verhältnisse zu überwinden. Die bereits weltweit
zu beobachtenden Folgen davon sind: Die neuen Dienste sind schlecht, teuer
und knapp. Sehr viele Menschen sterben einfach, weil sie keine Gesundheits-
oder keine Wasserversorgung mehr haben. Das geschieht bereits in den
Ländern des Südens, wo diese Politik schon seit den 80er Jahren betrieben
wird: Privatisierung geht jetzt schon buchstäblich über Leichen.
Dabei ist das GATS als weltweiter Vertrag noch gar nicht
unterschrieben. Wenn er nämlich unterschrieben wird, dann ist das GATS auch
eine weltweite Verfassung. Es hat den Status des Völkerrechts, ein neues
internationales Recht, das top down wirkt, nämlich nationales und
kommunales Recht unwirksam macht. Renato Ruggiero, einstmals WTO-Chef,
sagte bereits über das MAI : "Wir schreiben die Verfassung einer einzigen
Weltwirtschaft". Es wäre zu ergänzen: "... einer einzigen Weltpolitik".
Auf diese Weise ist das GATS Teil der Neuen-Welt-Ordnung, NWO, die
schon der Vater von George W. Bush 1991 im ersten Golfkrieg als politisches
Projekt propagiert hat. Mit dem GATS kann eine solche NWO nun also auch
erzwungen werden, weil alle, die nicht mitmachen wollen, durch
Schadensersatzklagen der interessierten Konzerne wegen sog. "indirekter
Enteignung" welche eine groteske Verkehrung! vor dem WTO-Schiedsgericht,
einer Art internationalem Konzerngerichtshof, gezwungen werden können, alle
GATS- Regeln anzuerkennen, also den Konzernen ein zu ihren Gunsten völlig
dereguliertes Feld zur Plünderung zu überlassen.
Ich bezeichne die Politik mit dem GATS als eine Kolonialpolitik zum
Zwecke fortgesetzter ursprünglicher Akkumulation und Enteignung: der
Aneignung von Volksvermögen und Naturressourcen seitens der Konzerne in
aller Welt. Das heißt, diese "Wirtschafts"- Politik ist eine gewalttätige
und unmittelbar verknüpft mit dem anderen Gesicht der Globalisierung,
nämlich dem Krieg. Hier bilden Krieg und Wirtschaft nicht mehr nur ein
einziges Kontinuum, sondern werden immer ununterscheidbarer in ihrer
Vermengung. Sie werden zu den zwei Seiten derselben Medaille.
Daß Freihandel, Piraterie und Krieg zusammengehören, hat schon Goethe
festgestellt. Wir haben es hier aber mit einer noch erweiterten Form davon
zu tun, nämlich dem militärischen high-tech- Überfall. Denn was heißt heute
Krieg? Er ist eigentlich militärischer Überfall oder sog. "Angriffskrieg"
von Westmächten, bisher auf geopolitisch wichtige und ressourcenreiche
Gebiete des Ostens und des Südens. Rosa Luxemburg hat diese Politik, wie
sie gegenüber den Kolonien des 19. Jahrhunderts gang und gäbe war,
folgendermaßen definiert: Der Militarismus sei "der Vollstrecker der
Kapitalakkumulation". Der Krieg ist demnach eine Art Gerichtsvollzieher,
der eine Zwangsvollstreckung durchführt, um sich alle vorhandenen bzw. die
letzten Ressourcen mit Hilfe von Gewalt anzueignen. Das "Recht" dazu wird
durch ein neues "Völkerrecht" perverserweise als Recht der Konzerne gegen
die Völker "gesetzt". GATS ist ein Schritt auf diesem Weg, der die
fehlende Legitimierung dieser Politik durch die Legalisierung eines neuen
Un-Rechts ersetzen soll.
"Frag Bechtel, wofür der Krieg gut ist", schrieb Bob Herbert in der
Herald Tribune im April, denn Bechtel, der US-Wasserkonzern, bekam im Irak
bereits Euphrat und Tigris für die Wasserprivatisierung zugesprochen. Das
Öl wird indessen mit UNO-Zustimmung zur Finanzierung des "Wiederaufbaus"
durch US-Konzerne an die Besatzungsmächte USA und Großbritannien übergeben.
Auf diese Weise war der Krieg gegen den Irak, also der Überfall auf den
Irak, nicht nur ein Geschäft von Rüstungskonzernen und dem
militärisch-industriellen Komplex, sondern auch ein platter Raub am Öl, am
Wasser und anderen Ressourcen des Irak sowie die Aneignung der Verfügung
über einen sog. Wiederaufbau nach der Zerstörung. Danach folgt die
Durchsetzung neoliberaler Politik im Irak und in der Folge möglichst
überall im Mittleren Osten, beginnend etwa mit Syrien und dem Iran, wie
sich schon abzeichnet. Das Ganze wird uns auch noch verkauft als ein
"humanitärer Akt" der Befreiung einer Bevölkerung von ihrem Tyrannen und
seinen "Massenvernichtungswaffen", die bisher - im Gegensatz zu denen der
Kriegsherren - nirgends aufgetaucht sind.
Auf diese Weise wird der Irak-Überfall zum Modell für die Zukunft.
Globalisierung ist gewaltsame Durchsetzung des Neoliberalismus als einer
"Lizenz zum Plündern" ebenso wie einer "Lizenz zum Töten" und bedeutet: Die
Konzerne wollen alles, jeden Markt, jedes Investitionsfeld, jede Ressource
für sich allein. Das ist des Pudels Kern der neoliberalen
Wirtschaftspolitik, die uns immer aggressiver als angeblich "seriös" und
alternativlos verkauft wird.
Und wenn kein Investitionsfeld da ist, dann wird es eben geschaffen,
nämlich als und durch Krieg bzw. als Krieg mit dem Krieg. So sehen wir, wie
Michel Chossudovsky analysiert hat, daß z. B. sowohl die Taliban in
Afghanistan wie auch die UCK im Kosovo mit westlichen Drogengeldern
aufgebaut worden sind und am Ende die NATO gegen die vom Westen selbst
organisierte UCK Krieg führte.
Daß auch die EU eine Waffe der Neuen-Welt-Ordnung ist, zeigt der
geplante und bereits laufende Aufbau einer Euro-Armee, die nicht zur
Verteidigung gedacht ist, weil ja niemand Europa angreift, sondern zur
Sicherung "unserer" Interessen in aller Welt sowie zur Bekämpfung eines
inneren Aufstands, mit dem z.B. in der Folge der Privatisierungen wohl
schon gerechnet wird. Schließlich war und ist dies doch im Süden schon
längst der Fall. Er wird dort zynisch "der IWF-Aufstand", also der zu
erwartende Aufstand der Bevölkerung gegen die Spar- und
Priviatisiertungspolitik des Internationalen Währungsfonds, genannt. Solche
Aufstände werden dann als "terroristische Akte" definiert (werden), um sie
durch den neuen "gerechten" Krieg gegen den Terrorismus bekämpfen zu
können, wofern das GATS zur Kriminalisierung seiner Gegner nicht ausreichen
sollte, ist doch darin die Einschränkung der Rechte der Konzerne illegal.
Zusammengefaßt: Wir haben es hier und heute mit einer bewußten
Kolonisierung und Unter-Entwicklung auch im Norden bzw. Westen und einem
Ende der Demokratie in allen Ländern der Erde zu tun.
Die entsprechende Politik kommt daher im Gewand von Sparpaketen,
Sozialabbau, schafft Armut und Ausgrenzung, bringt Oligarchen an die Macht
und einen historisch bisher unbekannten "monetären Totalitarismus" in die
Welt, wie es das GATS darstellt. Der "Subkommandante" Marcos von den
indianischen Aufständischen gegen die Politik des Neoliberalismus, den
Zapatisten von Chiapas in Mexico, hat den Liberalismus daher nicht nur - im
Gegensatz zu seinem Namen - als Zwangssystem, sondern sogar als neuen
"liberalen Faschismus" bezeichnet.
Eins ist noch zu sagen zum 11. September 2001: Er wird immer als
Rechtfertigung für die beschleunigt vorangetriebene Politik der Errichtung
einer Neuen-Welt-Ordnung durch Krieg genommen. Ich muß daran erinnern, daß
Michel Chossudovsky ein Buch darüber geschrieben hat, nämlich "War and
Globalisation. The thruth behind september 11". In diesem Buch zeigt er
auf, daß alle Daten im Zusammenhang mit dem 11. September darauf hinweisen,
daß der Terrorismus gerade von denen begangen wurde, die heute den Krieg
gegen ihn predigen. Das heißt, die US-amerikanische Regierung hat aller
Wahrscheinlichkeit nach diesen Terrorakt selbst organisiert, um eine
öffentliche Akzeptanz für den Krieg nach außen und im Inneren zu schaffen.
Ich möchte das endlich einmal in die Diskussion werfen, weil viele
Leute diese Möglichkeit und die Konsequenzen daraus immer noch nicht zur
Kenntnis nehmen. Politik mit dem Terror, Terror als Politik würde das Bild
der Entstehung der Neuen- Welt-Ordnung nur noch abrunden.
Der Neoliberalismus kippt in den Krieg als dem Recht des Stärkeren
überall auf der Welt, sei es auf der Ebene der "low-intensity-", also der
"niedrig intensiven", wie auf der der" high-intensity-war-fare",also der
"hoch intensiven" Kriegführung, wie das in der Fachsprache heißt
(-"high-intensity-" ist allerdings von mir erfunden). Nach Paul Virilio
geht es den Herrschenden um die Schaffung des Zustands des "reinen
Krieges", nämlich eines Dauerkrieges mitten im Alltag, der alles Zivile und
damit alles Demokratische, Zivilisierte, Humane und Lebensfreundliche aus
der Gesellschaft verbannt, - also sozusagen aus allen Gesellschaften
militarisierte, entzivilisierte - un -zivilisierte - Gesellschaften macht.
Ich halte die mit "Wirtschaft" und Krieg erzwungene
Durchkapitalisierung allen Lebens für eine neue Große Transformation "the
great transformation" nach Karl Polanyj - , aber nach Robert Kurz auch für
ein Mord- und ein Selbstmordprogramm, das auf die Dauer nicht durchführbar
ist. Es wird längerfristig, wahrscheinlich schon mittelfristig scheitern.
So finde ich es zum Beispiel sehr interessant, daß der Krieg als Modell
für die Zukunft der Neuen Welt-Ordnung auch gleichzeitig das Modell der
Vergangenheit ist, nämlich der Entstehung des Patriarchats vor 5000 Jahren
eben im Irak. Dort ist nämlich damals das entstanden, was wir heute
überhaupt als Krieg bezeichnen: Invasion, Okkupation, Aneignung von
Ressourcen und Verbrauch zu Gunsten einiger weniger sowie totale
Abhängigkeit der meisten. Es ist, als würde die im alten Mesopotamien oder
Zweistromland, dem heutigen Irak, nach der Eroberung vor 5000 Jahren
erfundene sog. "Orientalische Despotie" oder "Asiatische Produktionsweise",
kurz APW - als einer, die auch mit einer Art zentralen
Wasserverwaltungswirtschaft operierte - gerade heute neu erfunden, nämlich
als "Amerikanische Produktionsweise", auch APW, bzw. als "Amerikanische
Despotie." Damit kommt die Entwicklung an ihrem Ende an ihren historischen
Ausgangspunkt zurück.
Ich halte die Kurzfristigkeit der Perspektive dieser Politik für
maßgeblich für ihr kommendes Scheitern. Denn es geht ihr allein um die
Kapitalverwertung einiger weniger, die Angst haben, daß ihr Geld
"verdunstet", wie Marx sagt, wenn es nicht profitabel angewendet werden
kann. Man kann aber auf die Dauer keine Politik betreiben, die
ausschließlich einigen Wenigen nützt und auf die Mehrheit lediglich mit
Gewalt reagiert. Das hat die Geschichte immer wieder bewiesen. Dabei zeigt
die absolute Priorität der Kapitalverwertung auch auf, daß die
kapitalistische Wirtschaft im Prinzip an ihr Ende gekommen zu sein scheint
und auch der sog. "Fortschritt" dieses Systems eine Lüge war, denn sonst
gäbe es solche enormen Verwertungsprobleme nicht.
Es stehen daher, wenn wir über Alternativen nachdenken, nicht nur 500
Jahre Kapitalismus, sondern 5000 Jahre Patriarchat in Frage. Die Zeit
dieser Gesellschafts-"Ordnung", die sich im Kapitalismus womöglich in ihrer
letzten Phase befindet, ist gerade wegen der Globalisierung, die die
unüberwindbare Endlichkeit des Globus aufzeigt, ihrem Ende nahe. Die
Methoden, die angewandt werden, funktionieren selbst für ihre Nutznießer
letztlich immer weniger und nur noch unter Zurhilfenahme eines großen
Aufwands an Gewalt und münden noch dazu in eine allgemeine Annihilation des
schließlich Akkumulierten, also in dessen durchgehende Vernichtung.
Indem dies aber gesehen werden kann, ist das kapitalistische
Patriarchat geistig schon Vergangenheit. Es ist durchschaut, und die
Menschen fallen bereits vom Glauben ab. Unsere Religion, unser "Glaube" ist
der an die Gewalt. Nach Gandhi ist die Gewalt aber immer eine Lüge - die
Wahrheit ist gewaltfrei.
So frage ich mich, was Gandhi gesagt hätte zur Tatsache, daß inzwischen
auch das Wasser von "Mother Ganga", also dem Heiligen Ganges in Indien,
verkauft werden soll, nämlich an die Firma Suez aus Frankreich. "Killing
the Ganga" nennt das Vandana Shiva. Für die Menschen in Indien heißt dies,
daß inzwischen des Profits wegen auch die eigene Mutter verkauft und
ermordet werden soll..
Dieses Beispiel zeigt, wo wir wirklich sind, was tatsächlich der Fall
ist, und was wir deshalb zu tun haben. Denn wir müßten nun eigentlich unser
verfassungsmäßig garantiertes Widerstandsrecht in Anspruch nehmen,
öffentliche Räume wieder zurückerobern und insbesondere die Frauen zur
allgemeinen Arbeitsniederlegung, zum "Frauenstreik", aufrufen. Denn das
würde wie schon einmal in Island 1975 zeigen, daß ohne die Frauen nichts
läuft auch keine Globalisierung, keine "Wirtschaft" und kein Krieg.
Paul Virilio sagt: "Echte Zivilisten haben keine Angst", und wir sind
die Zivilgesellschaft der Welt. Aber wir müssen klarer, glasklar, werden,
uns vermehrt zusammenschließen und uns nicht spalten lassen. Wir haben die
Wahrheit der Geschichte, der Zukunft der Welt und der Natur auf unserer
Seite und alle guten Geister dazu!
Aus: Nach dem Krieg ist vor dem Krieg. Broschüre der Friedenswerkstatt
Linz zu Hintergründen und Folgen des Irak-Krieges. Mit Beiträgen von
Claudia von Werlhof, Winfried Wolf, Noam Chomsky, Michel Chossudovsky u.a.
2003 Friedenswerkstatt Linz (Waltherstr. 15b, A-4020 Linz). 3,50 + Porto
"Was passiert, wenn Frauen nichts mehr tun? Frauen-Streik das letzte
Mittel gegen GATS"
Unter diesem Titel hat uns Claudia von Werlhof knapp vor
Redaktionsschluß ihren Aufruf gemailt, der ihre Überlegungen - und jene von
Maria Mies, siehe folgenden Bericht - zu Widerstandsstrategien von Frauen
präzisiert. Leider hat der Text in diesem "Rundbrief" keinen Platz mehr.
Wir haben ihn jedoch im "e-Rundbrief" ausgesendet und damit ist er auch auf
unserer homepage www.begegnungszentrum.at im Archiv unter "[E-rundbrief]
Info 2: Werlhof Claudia - Frauen-Streik gegen GATS" allgemein zugänglich.
Buchtipp: Claudia von Werlhof/ Maria Mies: Lizenz zum Plündern.
Aktualisierte Neuauflage 2003, eva - Europ. Verlagsanstalt (erscheint im
Sept. 2003)
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