[E-rundbrief] Info 2179 - Uran für AKWs knapper

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Jun 1 10:44:53 CEST 2022


E-Rundbrief Info 2179 - Uran für die Atomenergie wird immer knapper

Bad Ischl, 1.6.2022

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

================================================

Hans-Josef Fell (D): Uran für die Atomenergie wird immer knapper

Newsletter vom 30. Mai 2022

Liebe Leser*innen,

Im Jahr 2006 veröffentlichte die Energy Watch Group (EWG) eine Studie 
über die künftige globale Uranförderung, erstellt von Jörg Schindler und 
Werner Zittel.

Vielfach gab und gibt es vor allem in der Atom-Community bis heute die 
Meinung, dass Uran immer genügend gefördert werden könnte, egal wie 
viele Atomreaktoren zugebaut und damit Uran in den Brennelementen 
verbraucht würden. Man würde schon „irgendwo“ neues finden und aus den 
Urangruben holen, wenn man nur wolle, so die oft gehörte Meinung aus der 
Atomwirtschaft.

Auf Seite 5 der oben genannten EWG-Studie findet sich eine Grafik über 
die zukünftige Uranförderung, die aus einer umfassenden Untersuchung 
über Urangruben und noch nicht erschlossene Uranlagerstätten hinweg eine 
Aussage wagte, wie sich die künftige Uranförderung auf der Erde 
entwickeln könnte.

Die Studienergebnisse wurden häufig von anderen Instituten bestritten 
und wie so oft als nicht zutreffend gebrandmarkt, denn sie zeigten eine 
Verknappung der Uranförderung etwa ab 2020.

So sagte die EWG für 2020 das Maximum der jährlichen Uranförderung auf 
etwa 55 Kilotonnen (kt) vorher, sofern die Urankosten auf niedrigem 
Niveau von 40 US-Dollar/kg bleiben würden. Nach diesem Höhepunkt würde 
ein steiler Rückgang der Förderung zu erwarten sein. Falls der Preis auf 
130 US-Dollar pro kg steige, würde mit einem Fördermaximum um 2025 auf 
einem Niveau von 70 kt jährlicher Förderung zu rechnen sein und danach 
steil zurückgehen.
Aktuell liegt der Uranpreis bei 56 US-Dollar pro kg.

Wie nun dem neuesten Uranatlas auf Seite 12 zu entnehmen ist, folgt die 
Uranförderung ungefähr den Analysen der EWG von 2006. Im Jahr 2015 war 
der bisherige globale Förderhöhepunkt mit 70 kt überschritten. Seitdem 
ist die globale Uranförderung erheblich gesunken, auf unter 50 kt im 
Jahre 2020. Also deutlich früher und schneller, als selbst die 
EWG-Studie es prognostizierte.

Diese Entwicklung sollte die Energiepolitiker*innen der Welt 
sensibilisieren.
Atomkraft erzeugt im Vergleich zu Erneuerbaren Energien Strom nicht nur 
wesentlich teurer. Auch der Bau eines Atomreaktors dauert meist einige 
Jahrzehnte länger und die Baukosten liegen oft über dem Dreifachen als 
geplant. Zudem sind die Sicherheitsfragen und das Problem der 
Atommüllentsorgung noch immer nicht gelöst und der militärische 
Missbrauch des Atommaterials friedlicher Atomnutzung für Atomwaffen ist 
weiterhin üblich.

Dennoch planen Regierungen in Osteuropa und anderen Ländern heute 
Atomreaktoren, die frühestens in ein bis zwei Jahrzehnten in Betrieb 
gehen können. Blind wird ohne tiefergehende Analyse darauf vertraut, 
dass die Urangruben auch dann noch für weitere 50 Jahre billiges Uran 
fördern würden.

Doch der deutliche und für viele unerwartete Rückgang der globalen 
Uranförderung seit etwa 2015 spricht eine andere Sprache. Es ist eher zu 
erwarten, dass auch bei gestiegenen Preisen das Uran in 20 Jahren nicht 
mehr in ausreichender Menge zur Verfügung stehen wird, um alle 
Atomreaktoren der Welt betreiben zu können.

Eine zweite Periode wie von 1995 bis 2005, wo erfolgreiche nukleare 
Abrüstungsbeschlüsse eine Vernichtung von Waffenuran in Atomreaktoren 
bewirkten und damit die Förderung von Uran aus Bergwerken teilweise 
überflüssig machte, ist heute nicht mehr in Sicht. Nach Ende dieser 
Waffenuranvernichtung 2005 stieg daher die Uranförderung wieder steil an.

Dieser Wiederanstieg der globalen Förderung gelang aber nicht, indem 
traditionelle Fördergruben in USA, Russland, Deutschland (DDR), 
Südafrika, Tschechien wieder eine höhere Uranförderung lieferten, 
sondern fast nur mit dem Erschließen neuer Fördergruben und das 
insbesondere in Kasachstan, sowie etwas in Australien und Kanada. Auch 
dies wird in Zukunft kaum mehr möglich sein, weil Regionen mit großen 
unerschlossenen Uranlagerstätten, so wie in Kasachstan vor 20 Jahren, 
heute in der Welt nicht mehr bekannt sind.

Viele der Ankündigungsprojekte zum Ausbau der Atomreaktoren in der Welt 
können höchstwahrscheinlich selbst nach fertigem Bau nicht in Betrieb 
gehen, weil sie schlicht kein Uran mehr haben werden oder die dann sehr 
hohen Uranpreise den Betrieb von Atomreaktoren gegenüber Erneuerbaren 
Energien noch tiefer in die Unwirtschaftlichkeit treiben.

Allerdings kann natürlich auch ein Stillstand oder gar ein Abschalten 
bestehender Atomreaktoren den Uranbedarf verringern. Genau das findet im 
Moment statt.

Alle Behauptungen aus der Atom-Fangemeinde, dass die Atomkraft eine 
verlässliche Energiequelle sei, wird gerade im Atomland Nr. 1 in 
Frankreich widerlegt. Wegen Rost und Rissen in Rohrleitungen und anderen 
Ursachen stehen aktuell in Frankreich 29 von 56 Atomkraftwerken still.

Die Versorgungssicherheit für Strom ist in Frankreich daher ernsthaft 
gefährdet. So liegen in Frankreich die Stromgroßhandelspreise trotz 
einer staatlich verordneten Strompreisobergrenze aktuell bei 240 Euro 
pro MWh. Für 2023 werden gar Preise über 500 Euro gehandelt.
Zum Vergleich: Der Börsenstrompreis in Deutschland am EPEX-Spotmarkt lag 
im April 2022 bei 165 Euro/MWh.

Die deutschen Börsenstrompreise würden sicherlich noch niedriger liegen, 
wenn nicht der teure und knappe französische Atomstrom über den 
internationalen Stromhandel die Strompreise auch in Deutschland nach 
oben treiben würde.

Es zeigt sich erneut, dass die Mär vom billigen und versorgungssicheren 
Atomstrom eben nur eine Mär ist. In wenigen Jahren ist eh zu befürchten, 
dass die weitere Verknappung der Uranförderung zusätzlich die 
Atomstrompreise nach oben treiben könnte. Die Analyse der EWG aus dem 
Jahre 2006 scheint mit den bisherigen Realitäten gut zu liegen, um die 
tatsächliche Verfügbarkeit von Uran auch in den kommenden Jahren zu 
beschreiben.

Damit ist klar: Jeder Neubau von Atomkraftanlagen baut auf das 
Luftschloss der endlosen Verfügbarkeit von Uran und der Betrieb von 
bestehenden Reaktoren ist höchst unsicher, wie das aktuelle Bespiel 
Frankreich lehrt.

Es gibt keinen anderen Weg als den schnellen Ausbau der Erneuerbaren 
Energien, um eine sichere und kostengünstige Stromversorgung in Zukunft 
zu haben. Das Setzen auf Atomstrom ist der Irrweg, der in der 
Antiatombewegung schon vor Jahrzehnten längst erkannt wurde und der 
heute immer offensichtlicher wird.

Hammelburg, 30. Mai 2022,

Ihr Hans-Josef Fell


Diesen Beitrag finden Sie hier auch auf meiner Homepage.

https://hans-josef-fell.de/uran-fuer-die-atomenergie-wird-immer-knapper/

-- 

     Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at


Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief