[E-rundbrief] Info - 2123 - Arbeitslosengeld rauf - Volksbegehren
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Di Sep 14 15:29:25 CEST 2021
E-Rundbrief Info 2123 -
Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf! (A)
Bad Ischl,14.9.2021
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Volksbegehren Arbeitslosengeld rauf!
https://www.arbeitslosengeld-rauf.at/
Herzlich Willkommen! Wir setzen uns für eine deutliche Erhöhung des
Arbeitslosengeldes ein. Gerade angesichts der Pandemie und dem damit
verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen darf niemand zurückgelassen werden.
Wir fordern vom Nationalrat eine Novellierung des
Arbeitslosenversicherungsgesetzes,
*mit der die Nettoersatzrate für die Bemessung der Höhe des
Arbeitslosengeldes – wenigstens auf 70 % – und entsprechend die
Notstandshilfe sofort und dauerhaft erhöht wird
*und die Zumutbarkeitsbestimmungen entschärft werden sowie die
Rechtsstellung der Arbeitslosen insgesamt verbessert wird.
Unsere Argumente für die Notwendigkeit einer sofortigen und
dauerhaften Erhöhung des Arbeitslosengeldes
https://www.arbeitslosengeld-rauf.at/presse/
Die Anhebung des Arbeitslosengeldes ist gesellschaftspolitisch notwendig
Emmerich Tálos
Die Corona-Krise unterstreicht, wie unverzichtbar der österreichische
Sozialstaat für unsere Gesellschaft ist. Angesichts der mit der Krise
verbundenen prekären Arbeitsmarktsituation zeigt sich insbesondere die
Wichtigkeit der materiellen Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit.
Zugleich wird aber auch deren Reformbedürftigkeit offenkundig, denn
die bestehende Arbeitslosenversicherung ist für viele Betroffene nicht
ausreichend. Ein Volksbegehren könnte hier Anstoß zu einschlägigen
Reformen sein.
Die Arbeitslosenversicherung: Kernbereich des Sozialstaates
Die soziale Sicherung im Fall der Arbeitslosigkeit zählt zu den
Kernbereichen des österreichischen Sozialstaates. Sie wurde 1920
eingeführt und um die Notstandsaushilfe in den 1920er-Jahren erweitert.
Es gab bei der Einführung einen politischen Konsens, dass
Arbeitslosigkeit kein individuell verursachtes Problem, sondern
Konsequenz einer Arbeitsmarkt- und Wirtschaftssituation ist und daher
die Arbeitslosenversicherung einen befristeten Ersatz für den Entfall
des Erwerbseinkommens sicherstellen soll.
Ebenso wie die anderen Bereiche der Sozialversicherung war die
Arbeitslosenversicherung im Laufe der Geschichte immer wieder
Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Es gab ein Auf und Ab,
Rückschläge vor allem in der Zeit der Faschismen, nicht zuletzt auch
in den letzten Jahrzehnten unter schwarz/türkis-blauen Regierungen.
Im Unterschied zur Pensions- und zur Krankenversicherung, bei denen
Österreich nach 1945 im internationalen Vergleich im Spitzenfeld lag
und liegt, ist das Niveau des Arbeitslosengeldes mit einer
Nettoersatzrate von zurzeit 55 Prozent vergleichsweise niedrig
(Belgien 90 Prozent, Luxemburg 84 Prozent, Italien 73 Prozent,
Schweden 70 Prozent, Deutschland 60 Prozent). In Österreich ist zudem
das Niveau in den letzten Jahrzehnten von 57,9 Prozent auf 55 Prozent
reduziert worden.
Die aktuell herausgeforderte Arbeitslosenversicherung
Die Notwendigkeit und Bedeutung der Arbeitslosenversicherung ist in
der aktuellen Corona-Pandemie beträchtlich gestiegen. Die
Arbeitslosigkeit erreichte das bisher höchste Niveau in der 2.
Republik: Im Frühjahr 2020 waren mehr als 570.000 Menschen davon
betroffen. Zugleich kam es zu einem beträchtlichen Anstieg der
Langzeitarbeitslosigkeit mit mehr als 170.000 Betroffenen.
Das niedrige Leistungsniveau schlug sich in wachsender
Armutsgefährdung nieder: Die Hälfte der Arbeitslosen erhielt weniger
als 993 Euro – die Armutsschwelle liegt in Österreich laut Berechnung
von EU-SILC bei ca. 1.300 Euro. Aufgrund des niedrigen Niveaus müssen
viele Leistungen auf das Niveau der (auch) niedrigen Sozialhilfe
aufgestockt werden.
Die Rufe nach einer Reform werden lauter
Vor diesem Hintergrund wurde von verschiedenen AkteurInnen
(AktivistInnen zivilgesellschaftlicher Organisationen, VertreterInnen
von ÖGB, AK, SPÖ) der Ruf nach Verbesserung der Situation von
Arbeitslosen erhoben (z. B. AK Oberösterreich: Arbeitslose müssen mehr
unterstützt werden). Einen Kernpunkt dabei stellt die Anhebung des
Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe auf mindestens 70 Prozent
Nettoersatzrate dar.
Seitens der derzeitigen türkis-grünen Regierung wurden angesichts der
Massenarbeitslosigkeit im Wesentlichen zwei Maßnahmen ergriffen:
Einerseits eine Ausweitung der Kurzarbeitsbeihilfe, die erheblich zur
Begrenzung der Arbeitslosigkeit beitrug. Zudem gab es Einmalzahlungen
beim Arbeitslosengeld – was für die Betroffenen gut war, aber vor
allem auf längere Sicht nicht ausreicht(e).
Gegenüber den Forderungen nach einer Verbesserung der materiellen
Leistungen für Arbeitslose propagierten Unternehmer und deren
Interessenvertretungen (WKÖ, ÖVP-Wirtschaftsbund, nicht zuletzt auch
der derzeitige Arbeitsminister Kocher) eine sogenannte „Reform in Form
eines degressiven Modells“ – basierend auf neoliberalen
Leistungskürzungsvorstellungen.
Nach einer kurzen Zeit der Anhebung des Arbeitslosengeldes von 55
Prozent auf 70 Prozent soll bei Andauer der Arbeitslosigkeit eine
schrittweise Verkürzung auf 40 Prozent erfolgen – mit dem angeblichen
Ziel, Anreize für die Betroffenen zu schaffen, schneller eine
Beschäftigung aufzunehmen. Betroffen von der substanziellen
Verschlechterung der materiellen Sicherung von Arbeitslosen wären in
erster Linie länger arbeitslose Personen.
Zugleich sollen die Zumutbarkeitsbestimmungen verschärft werden: durch
Verlängerung der Wegzeit und durch einen Vermittlungszwang in ganz
Österreich.
Worum geht es bei den neoliberalen Vorstellungen, was wären die Folgen?
• Es geht um eine Verschiebung der Debatte über die Folgen der
Pandemie auf dem Arbeitsmarkt. Das führt dazu, dass nicht über die
Massenarbeitslosigkeit gesprochen wird, sondern sich die Debatte um
eine unterstellte Arbeitsunwilligkeit dreht.
• Es geht bei diesen Vorstellungen nicht darum, Anreize für
Arbeitslose zu schaffen, sondern darum, Druck aufzubauen. Druck zur
Annahme schlechter Jobs – wie es das deutsche Beispiel von Hartz IV
eindrücklich zeigt.
• Was zu befürchten war, zeigt sich aktuell sehr deutlich: Die
Krise wird für Unternehmerorganisationen und deren politische
Vertretung zu einem Sprungbrett für Druck und Leistungskürzungen. Das
sogenannte degressive Modell läuft auf eine massive Leistungskürzung
für Langzeitarbeitslose hinaus. Ein Forschungsprojekt aus den
1990er-Jahren hat bereits vor Augen geführt: Je länger die
Arbeitslosigkeit andauert, desto größer wird das Armutsrisiko.
Deutlich ist auch heute: Ein geringes Arbeitslosengeld schafft Arme,
aber keine zusätzlichen Arbeitsplätze. Die Spaltung in der
Gesellschaft wird größer.
• Der Vermittlungsdruck steht der wiederholten Forderung nach
einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen. Wie soll
eine Vereinbarkeit möglich sein, wenn beispielsweise der/die
burgenländische Kellner/Kellnerin gezwungen wird, einen Job in Tirol
oder Vorarlberg anzunehmen?
Es braucht eine Reform: eine nachhaltige Anhebung des Leistungsniveaus
Dass es in der österreichischen Gesellschaft andere Vorstellungen
gibt, belegt eine aktuelle Studie im Auftrag der Volkshilfe
(Sozialbarometer): Sechs von zehn Befragten treten für ein höheres
Arbeitslosengeld ein, 58 Prozent sind für eine Arbeitszeitverkürzung.
Das nunmehr eingeleitete Volksbegehren (www.arbeitslosengeld-rauf.at)
könnte Anstoß zu einschlägigen und notwendigen Reformen sein.
Kernpunkte dabei sind eine dauerhafte Anhebung von Arbeitslosengeld
und Notstandshilfe, auch Maßnahmen wie eine Arbeitszeitverkürzung und
der Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik.
Eine Schätzung des Momentum Instituts hat ergeben, dass sich bei einer
Zahl von 400.000 Arbeitslosen (Mittelwert aus 2019 und 2020) die
Kosten der Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 Prozent auf 1,02 bis
1,12 Milliarden Euro belaufen. Für die breite Palette von
Unternehmensunterstützungen werden von der öffentlichen Hand ungleich
mehr finanzielle Mittel verausgabt.
https://awblog.at/anhebung-arbeitslosengeld-gesellschaftspolitisch-notwendig/?jetztlesen&fbclid=IwAR2WTgiQntSVLy5BT3MyogQ4FO_uqkIt9YjxIl9V4qckuCoK4v664RNk-HU
Wir sammeln derzeit Unterstützungserklärungen für die Einleitung des
Volksbegehrens. Diese Phase ist zunächst zeitlich nicht befristet. Die
gesetzliche Hürde zur Beantragung einer Eintragungswoche wurde bereits
erreicht. Mit Anfang August 2021 haben 10.206 Menschen für das
Volksbegehren Arbeitslosengeld Rauf unterschrieben. Wir wollen aber
mit deutlich mehr UnterstützerInnen einreichen, um ein breites
Netzwerk für die Eintragungswoche aufzubauen und werden deshalb
voraussichtlich bis November d. J. UnterstützerInnen einwerben. Das
Volksbegehren kann auf jedem Gemeinde- bzw. Bezirksamt (nicht nur der
Heimatgemeinde) oder online mittels Bürger*innenkarte unterschrieben
werden.
Video zum Volksbegehren: Der Film zeigt, dass nicht die Arbeitslosen
für ihr Schicksal verantwortlich sind. Arbeitslosigkeit ermöglicht
Lohndruck durch Konzernvorstände.
18.9.2021: Aktionskonferenz
https://www.arbeitslosengeld-rauf.at/aktionskonferenz/in Wien
Aktionskonferenz
WANN: 18.9.2021 , 10:45 bis 18:00
WO: Katamaran, Veranstaltungssaal Wilhelmine Moik 1501-B1,
Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien (U2 Donaumarina)
Ziel der Aktionskonferenz ist es, gemeinsam Ziele und Schwerpunkte für
die Mobilisierung des Volksbegehrens im Herbst festzulegen. Zugleich
soll ein Diskurs um die Folgen der derzeitigen Arbeitslosen-Politik
angestoßen und Alternativen formuliert werden.
Das Volksbegehren Arbeitslosengeld Rauf ist eine Antwort auf die
verfehlte Politik der österreichischen Regierung, welche die
wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, insbesondere durch
Unternehmenssubventionen abzufedern versuchte, während
Arbeitnehmer:innen und insbesondere jene, die in Folge der Lockdowns
ihre Arbeitsstelle verloren haben. Wir wollen den Sozialstaat und das
diesem zugrundeliegende Versicherungsprinzip stärken, um eine gute
Verhandlungsposition von Arbeitnehmer:innen in Bezug auf Lohnpolitik
und Arbeitsbedingungen zu sichern.
Um besser abzuschätzen zu können, wieviele Personen teilnehmen möchte,
bitten wir um eine Anmeldung unter: info at arbeitslosengeld-rauf.at
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
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