[E-rundbrief] Info 2115 - Stopp-Air-Base-Ramstein (D)
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Jul 14 17:09:04 CEST 2021
E-Rundbrief Info 2115 - Reiner Braun (D):
Stopp-Air-Base-Ramstein-Protestwoche 2021 (D): Es bleibt dabei, die
Base muss geschlossen werden
Bad Ischl, 14.7.2021
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
================================================
Stopp-Air-Base-Ramstein-Protestwoche 2021: Es bleibt dabei, die Base
muss geschlossen werden
Reiner Braun
14. Juli 2021
https://www.nachdenkseiten.de/?p=74250#more-74250
Wir sind wieder da und kommen wieder. Dieses war die einheitliche
Meinung der über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dem
Friedenscamp in Ramstein, das trotz gruseligem Wetters eine prägende
Erinnerung für alle bleiben wird: für die Organisatoren, die in drei
Wochen nach der endgültigen Bestätigung, dass ein Camp möglich ist,
dieses unter unsäglichen Mühen aus dem Boden stampften, für die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgrund der so vermissten vielfältigen
Kommunikations- und Begegnungsmöglichkeiten. Groß ist die Hoffnung,
mindestens in der frischen Luft wieder zu einer Normalität des
Zusammenlebens zu kommen. Von Reiner Braun.
Miteinander reden und streiten bestimmte die Atmosphäre. Groß war die
Freude, den oder die andere nach langer Zeit wiederzusehen. Die
solidarische Atmosphäre dieses streitbaren Camps hat gezeigt, wie wir
leben, lieben, streiten und kämpfen wollen. Die Diskursfähigkeit der
Campierenden war beeindruckend. Nicht eine Meinung herrschte, aber
immer der Respekt vor der anderen Meinung. Viel können linke Diskurse
aus diesen Diskussionen und diesem Zusammenleben lernen!
Das Engagement jedes Einzelnen für die gemeinsame Sache: Zum
Flaggentag nach Kaiserslautern, mit Flugblättern und Plakaten in die
Umgebung, um für die Aktionen zu werben und aufzuklären, aktiv an den
Veranstaltungen der Friedenswerkstatt mitwirken, zum internationalen
Basekongress und der Abendveranstaltung fahren und gleichzeitig noch
ein Camp mitorganisieren, vom Essen, über die Bar bis zur Sauberkeit –
das alles bei permanenten Regenschauern. Nur das solidarische
Miteinander, das Vorleben der besseren, gerechten und
umweltfreundlichen Welt hat es möglich gemacht. Viel Spaß hat es auch
noch gemacht und viele haben auch neue Kraft „getankt“.
In einer 2-tägigen Zukunftswerkstatt wurden Visionen für die Region
ohne Militärbasen entwickelt. U.a. wurde auf dem Gelände der Air Base
ein neues solidarisches Wohngebiet ausgewiesen, autofrei und nur mit
Fahrradstraßen, Seniorentagesstätten, Kindertagesstätten, Schulen und
Jugendzentren haben ebenso Platz gefunden wie das Handwerk und
solidarische Landwirtschaft. Ökologisches Bauen ist genauso
selbstverständlich, wie dass Grund und Boden Gemeinschaftseigentum
sind. Im nächsten Jahr wollen wir weiter an unseren Visionen von einer
friedlichen Welt, einer Welt ohne Krieg und Militarismus, einer Welt,
in der viele Welten Platz haben, wie es die Zapatistas sagen würden,
arbeiten. Wir wollen noch besser versuchen, die Bevölkerung stärker
mit einzubeziehen.
Das Camp war hochpolitisch, nicht nur in den intensiven Diskussionen
über die Konsequenzen der Corona-Maßnahmen, nein, besonders im
Engagement für den Frieden.
Die Airbase ist ein zentrales Kettenglied in der Konfrontation mit
Russland, hier sind die Einsatzzentralen für die US-Atomwaffen in
Europa und des Raketenabwehrsystems. Hier wird der zukünftige
Cyberkrieg mitorganisiert und koordiniert. Von Ramstein aus starten
die Interventionstruppen und die Bomber überall hin in die Welt. Der
Drohnenkrieg geht – trotz oder gerade wegen des Truppenabzugs in
Afghanistan – weiter, die Bundeswehr will bewaffnete Drohnen, die
Eurodrohne droht. All das ist mit dieser US- und NATO-Air-Base
untrennbar verbunden und völkerrechtswidrig.
Dazu kommt das nur als Wahnsinn zu bezeichnende Projekt des
europäischen Kampfflugzeuges FCAS: Bomber, Drohne und Drohnenschwarm
sollen es auszeichnen. 500 Milliarden soll es kosten, real wohl das
Dreifache.
Ist es anders als ungehemmte Aufrüstungspolitik zu bezeichnen, wenn
der Verteidigungsausschuss in seiner letzten Sitzung 32 Projekte mit
mehr als 20 Milliarden durchwinkte.
Alle Waffen, die entwickelt wurden, werden eingesetzt, wenn nicht bei
uns, dann in den Interventionskriegen, den Stellvertreterkriegen oder
durch Rüstungsexporte in bewaffneten Konflikten. Immer sind die
Bundesregierung, EU-Europa sowie die NATO dabei.
Das politische, moralische und ethische Nein zu dieser Politik
durchzog das Camp und alle Aktionen wie ein roter Faden. Es verband
die alten Friedensbewegten mit den vielen neuen. Das Camp war „jung“
und viele waren das erste Mal dabei! Zeigt aber auch, dass
Friedensbewegte fehlen!
Die tiefe Einsicht und das Verständnis, dass nur unser Engagement, die
Solidarität und die Stärkung der Friedensbewegung die Kriegsgefahren
stoppen und einen alternativen Weg der Kooperation und der Abrüstung
erreichen können. „Wie viele Camps wird es denn noch geben?“, fragte
eine junge Teilnehmerin besorgt. Es hängt auch von uns ab! Eine sicher
nicht vollständig überzeugende Antwort, aber sie verdeutlicht: Wir
müssen nach diesem Anfang wieder mehr werden.
Die Fahrradsternfahrt von 4 Orten in der Umgebung der Air Base zur Air
Base Ramstein und um die Air Base mit mehr als 100 Fahrrädern und
einer ähnlich großen Anzahl von begleitenden „Zuschauenden“
verdeutlichte den Willen zur Aktion. Die große Sympathie der
Bevölkerung, in den Dörfern und auf den passierten Straßen war
ermutigend und strahlte aus. Die kritische Haltung in der Bevölkerung
der Umgebung der Airbase wächst, immer mehr Fragen werden zu den
ökologischen Konsequenzen dieser wahnwitzigen Militärbasis gestellt:
Was ist mit dem Grundwasser, warum immer dieser Lärm, diese elende
Luftverschmutzung, immer mehr Bäume werden abgeholzt. Das
gesellschaftliche Klima der Region verändert sich, leider noch nicht
die Aktionsbereitschaft der Hauptbetroffenen. Hier gilt es weiter
aufzuklären, zu informieren und die Aktionen konkret fortzusetzen.
Konversion bleibt ein entscheidendes Kettenglied für den Erfolg der
Gewinnung der Menschen. Dieses wurde auch noch einmal durch die
öffentliche – für Corona-Bedingungen gut besuchte – Abendveranstaltung
in der Apostelkirche in Kaiserslautern unterstrichen.
Der internationale Kongress gegen Militärbasen und Krieg – dieses Mal
hybrid – mit Referierenden und Teilnehmerinnen aus 14 Ländern zeigt
die internationale Vernetzung der Kampagne und die notwendige
internationale Solidarität im Ringen um den Abbau der über 8oo
Militärbasen auf der Welt.
Pläne für die Zukunft wurden geschmiedet, die Friedenswerkstatt soll
ausgebaut werden, Friedensveranstaltungen über das ganze Jahr
stattfinden, der Protest regionalisiert, die Kommunikation online und
offline verstärkt werden. Einig waren sich alle, wir sind nächstes
Jahr wieder in „Ramstein“.
Bleibt darüber nachzudenken, wie wir wieder noch mehr werden, wie neue
Kräfte angesprochen und gewonnen werden können. Auch für die Kampagne
Stopp Air Base Ramstein steht die zentrale Herausforderung: Wie kann
sie zu einer solch breiten Bewegung der Vielfalt ohne Ausgrenzung
(Faschisten sind nicht angesprochen, siehe den Konsensbeschluss der
Kampagne) werden, dass sie die offizielle Politik beeinflussen und
real korrigieren kann, dass sie eine neue Dimension von Ausstrahlung
erfährt?
So bleiben für alle viele „Hausaufgaben“, die mit neuer Kraft und
neuen MitstreiterInnen angegangen werden können. Verunsicherung, was
überhaupt noch geht, nachdenken, ob es sich lohnt, sich zu engagieren
und die bange Frage, wie viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter habe
ich eigentlich noch in diesen so gespaltenen sozialen Bewegungen,
konnten mindestens für die Ramstein-Kampagne in neue Hoffnung und
Handlungsbereitschaft verwandelt werden.
Die Ramstein-Aktionen haben viele Fragen der zukünftigen Gestaltung
aufgeworfen, sie haben eine beantwortet. Die Kampagne Stopp Air Base
Ramstein lebt allen Widerständen zum Trotz.
Und bereits beim Abbau werden schon Pläne für das nächste Camp im
Sommer 2022 geschmiedet.
Rubriken:
Aufbau Gegenöffentlichkeit Friedenspolitik
Schlagwörter:
Atomwaffen Bürgerproteste Drohnen Friedensbewegung
Interventionspolitik Militärstützpunkte Ramstein
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief