[E-rundbrief] Info 2099 - Atomwaffenfreier Golf von Triest

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mi Mai 26 10:43:58 CEST 2021


E-Rundbrief Info 2099 - Sibylle Hoffmann (D):  Eine Friedenskonferenz 
an der Adria - Konferenz „Für einen atomwaffenfreien Golf von Triest"

Bad Ischl, 26.5.2021

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Per un Golfo di Trieste libero dal Nucleare

Eine Friedenskonferenz an der Adria

von Sibylle Hoffmann

https://www.friedenskooperative.de/friedensforum/artikel/eine-friedenskonferenz-an-der-adria

Friedensforum 3/2021

„Für einen atomwaffenfreien Golf von Triest“ lautete die Einladung zu 
einer Videokonferenz, die im Januar (2021) stattfand, gerade als der 
UN-Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft trat. Der Golf von Triest ist 
wunderschön anzusehen, aber extrem gefährdet. Atomar angetriebene und 
mit atomarer Ausrüstung beladene Militärschiffe kreuzen unter und auf 
dem Wasser, die Militärmarine landet in den Häfen Koper-Capodistria in 
Kroatien und im benachbarten italienischen Triest an. Dies geschieht, 
ohne dass die Bevölkerung über die Gefahren informiert wird und ohne, 
dass ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden können.

Diese Friedenskonferenz behandelte folglich die Frage, was vor Ort zu 
tun ist, um den UN-Atomwaffenverbotsvertrag im Golf von Triest 
umzusetzen. Redner aus der Region, die daran teilnahmen, waren Davide 
Stokovac als Vertreter der Stadtverwaltung der Gemeinde San Dorligo 
nahe Triest, der Ex-Bürgermeister der slowenischen Hafenstadt 
Koper-Capodistria Aurelio Juri und Alessandro Capuzzo vom Democracy in 
Europe Movement 2025 Trieste (vgl. auch Friedensforum Heft 1/2019).

Zur Lage
Triest verfügt über den größten Tiefseehafen im oberen Adriatischen 
Meer, ist also eine logistische Drehscheibe. Beide Häfen, Triest und 
Koper-Capodistria, bieten Zugang zur Alpenregion, wo unter anderem der 
italienische Militärflughafen Aviano liegt, den die United States Air 
Forces seit 1954 nutzen. Es ist der südlichste Flughafen der US Air 
Forces in Europa. Das weltweit operierende 
Thirty-First-Fighter-Wing-Geschwader ist dort stationiert. Diese 
US-Air-Base half bei der Zerschlagung Jugoslawiens. Auch heute dient 
sie als Atomwaffenlager und ist ein Abflugort für militärische 
Angriffe im südlichen Mittelmeerraum.

Der so günstig gelegene Tiefwasserhafen von Triest hat die Hamburger 
Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) interessiert. Am 7. 
Januar diesen Jahres meldete die HHLA, sie habe zu 50,1 Prozent das 
Multifunktions-Terminal „Piattaforma Logistica Trieste“ (PLT) 
übernommen. Deshalb nahm auch eine Vertreterin der Hamburger 
Initiative gegen Rüstungsexporte an der Friedenskonferenz teil. In 
Triest, in Hamburg und andernorts, sagte sie, sollte es gelingen, mit 
Hafenarbeitern und anderen Informanten Kontakt aufzunehmen, um die 
Einhaltung regional vorhandener Regelungen und Verträge zu forcieren. 
Die Hamburger Initiative gegen Rüstungsexporte greift zum Beispiel den 
in der Präambel der Hamburgischen Verfassung formulierten 
Friedenswillen der Stadt auf und setzt 2021 eine gut vernetzte 
Volksinitiative für einen zivilen Hafen in Gang: Transporte von 
Kriegs- und atomaren Gütern durch den Hamburger Hafen sollen verboten 
werden, wie Martin Dolzer im Friedensforum 2-2021 berichtet.

Nördlich von Triest liegt das vermeintlich neutrale Österreich, das 
1994 einerseits der „ Nato-Partnerschaft für den Frieden“ beigetreten 
ist, andererseits bereits 2017 den UN- Atomwaffenverbotsvertrag 
ratifiziert hat. Aus Klagenfurt war Professor Werner Wintersteiner der 
Adria-Videokonferenz zugeschaltet. Er ist Leiter des Zentrums für 
Friedensforschung und Friedenspädagogik an der Alpen-Adria-Universität 
Klagenfurt und Mitiniator des Alpen-Adria-Manifestes (1), das 2018 
erschien, 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Grausame Erinnerungen 
an diesen „Großen Krieg“ sind in der Region immer noch gegenwärtig. 
Das Manifest ruft dazu auf, Rückschau als Zukunftsarbeit zu betreiben, 
globales und regionales Denken miteinander zu verbinden. Der Golf von 
Triest, seine Häfen und die Alpen-Adria-Region bieten dafür viel 
Anlass. Die Region ist durch das hochmoderne Waffenarsenal der Nato 
und der USA extrem gefährdet. Nicht nur in Aviano, sagt Wintersteiner, 
liegen heute wesentlich gefährlichere Bomben als während des Kalten 
Krieges, heute lagert dort zum Beispiel auch die thermonukleare 
Wasserstoffbombe B61-12.  Und: Die politische Weltsituation ist 
instabiler als früher.

Weaponwatch
Carlo Tombola sprach während der Konferenz von seinen Recherchen, die 
er auf weaponwatch.net publiziert (2). Wir werden, sagt er, selten 
über die „Ökonomie des Krieges“ unterrichtet: Produktion und Lagerung 
von Waffen, Waffentransporte und Waffenhandel finden eher unauffällig 
und doch vor unseren Augen statt. Tombola gründete weaponwatch.net, 
nachdem Hafenarbeiter und Friedensaktivist*innen im Zuge einer 
europaweiten Kooperation im Februar 2020 im Hafen von Genua die 
Anlandung der Bahri Yanbu blockierten. Das Schiff  hatte entgegen der 
Genfer Konvention Waffen für Saudi-Arabien geladen, die im Krieg gegen 
den Jemen eingesetzt werden sollten. Erst als diese Information 
durchgesickert war, konnte in einer europaweiten Kommunikationskette 
die Bahri Yanbu in Genua blockiert und damit das Augenmerk der 
Öffentlichkeit auf diesen illegalen Transport gelenkt werden. 
Inzwischen hat die italienische Regierung Waffentransporte nach 
Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate untersagt. (3)

Das Ergebnis
Anfang März ging als Ergebnis der Adria-Videokonferenz ein Appell an 
verschiedene Gemeinden der Region, ihre Verpflichtungen einzulösen, 
die sie als „Bürgermeister*innen für den Frieden“ eingegangen waren. 
Es gelte nun, den UN-Atomwaffenverbotsvertrag umzusetzen und 
„Fallstudien über das Risiko von atomaren Bedrohungen im Golf von 
Triest zu veröffentlichen“. Die Fallstudien sollen der Wiener 
Atombehörde (IAEO), respektive der „IAEO School of Nuclear Prevention“ 
am „Miramare International Institute of Theoretical Physics in Triest“ 
anvertraut werden.

Anmerkungen
1 siehe https:--colloquium.aau.at-index.php-colloquium-article-view-141
2 siehe: www.weaponwatch.net
3 vgl. IMI-Standpunkt 2021/005

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     Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
     Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
     Center for Encounter and active Non-Violence
     Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
     fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
     Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at


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