[E-rundbrief] Info 1982 - attac - Konzerne nutzen Corona-Krise
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Di Mai 26 18:52:47 CEST 2020
E-Rundbrief Info 1982 - attac (A): Wie Konzerne die Corona-Krise
nutzen könnten, um Staaten zu plündern. Regierungen müssen diese
Paralleljustiz
für Konzerne ersatzlos abschaffen.
Bad Ischl, 26.5.2020
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
================================================
Neuer Bericht: Wie Konzerne die Corona-Krise nutzen könnten, um
Staaten zu plündern
Attac: "Regierungen müssen diese Paralleljustiz für Konzerne ersatzlos
abschaffen."
„Ich denke definitiv, dass einige Staaten am Ende Fälle gegen
Investoren verlieren werden - ungeachtet der Art und Weise, ob dies
als unfair erscheinen könnte" , Schiedsanwalt Alex Yanos von Alston &
Bird, 29. April 2020
Ein neuer Bericht der Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory (CEO)
und des Transnational Institute (TNI) in Amsterdam zeigt, wie Konzerne
durch Sonderklagerechte (ISDS) von der Corona-Pandemie profitieren
könnten. Internationale Anwaltskanzleien liefen Konzernen in Webinaren
und Briefings bereits konkrete Beispiele, wie sie staatliche
Hilfsmaßnahmen gegen die Corona-Krise anfechten können, um ihre
Profite zu verteidigen. Dabei ermöglicht es diese Paralleljustiz für
Konzerne nicht nur nationale Gerichte zu umgehen. Sie erlaubt es auch
Entschädigung für entgangene zukünftige Profite zu verlangen - etwas,
was nach nationalen Rechtsstandards niemals möglich wäre. Dies würde
die ohnehin schon immense finanzielle Belastung für viele Staaten nur
noch weiter erhöhen.
„Obwohl die Kanzleien wissen, wie schrecklich die Corona-Pandemie für
die Staaten und die Menschen ist, arbeiten sie an einer Welle von
Klagen gegen Staaten, die die öffentlichen Kassen weiter plündern
wird“, erklärt die Autorin Pia Eberhardt von CEO. Es gebe keine
Rechtfertigung dafür, dass Konzerne und Vermögende größere rechtliche
Privilegien genießen als jene, die jetzt schon am stärksten unter der
Pandemie leiden.
Paralleljustiz für Konzerne ersatzlos abschaffen
Alexandra Strickner von Attac ergänzt: „Sonderklagerechte für Konzerne
sind ein soziales und demokratiepolitisches Desaster, bei dem nur
Profite zählen. Doch die Rettung von Menschenleben und die Bewältigung
der Krise sind wichtiger als die Gewinninteressen von Investoren.
Daher müssen alle Klagemöglichkeiten von Investoren gegen staatliche
Hilfsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie sofort ausgesetzt werden.
Mittelfristig müssen die Regierungen diese Paralleljustiz für Konzerne
ersatzlos abschaffen.“
Auch internationale Experten, darunter der UN-Sonderberichterstatter
für extreme Armut und Menschenrechte, Olivier De Schutter, der
Ökonomieprofessor Jeffrey D. Sachs oder der ehemalige UN-Experte für
Auslandsschulden und Menschenrechte, Juan Pablo Bohoslavsky, fordern
in einem gemeinsamen Statement ein Aussetzen dieser Paralleljustiz.
Der Bericht dokumentiert 10 Szenarien für mögliche Klagen gegen
Corona-Schutzmaßnahmen anhand konkreter - von Anwaltskanzleien
genannter - Beispiele. (Eine unautorisierte deutschsprachige
Übersetzung der Szenarien finden sie hier)
1: Klagen gegen Maßnahmen zur Bereitstellung von sauberem Wasser zum
Händewaschen
2: Klagen gegen Maßnahmen zur Stützung des Gesundheitssystems
3: Klagen gegen Schritte in Richtung erschwinglicher Medikamente,
Tests und Impfstoffe
4: Klagen gegen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus
5: Klagen gegen die Deckelung von Mieten oder Energiepreisen zur
Unterstützung Schwacher
6: Klagen gegen Schuldenerlässe für Haushalte und Unternehmen
7: Klagen gegen Maßnahmen zur Bekämpfung von Finanzkrisen infolge von
Corona
8: Klagen gegen gerechte Steuern zur Finanzierung der Corona-Maßnahmen
9: Klagen gegen soziale Unruhen infolge der Pandemie
10: Das Geschäft für Prozessfinanzierer wird boomen
„Öffentliches Interesse“ nur begrenzt anwendbar
90 Prozent der heute geltenden Investitionsabkommen besitzen kaum
Ausnahmen für Maßnahmen im öffentlichen Interesse. Zudem müssten
Staaten nachweisen, dass die von ihnen ergriffenen Maßnahmen die
einzige Möglichkeit waren, mit dem durch die Pandemie verursachten
Schaden umzugehen, was naturgemäß schwierig ist. Zusätzlich müssten
die Staaten nachweisen, dass sie nicht zur Notsituation der Pandemie
beigetragen haben – etwas, das gerade Staaten mit unterfinanzierten
Gesundheitssysteme vor Probleme stellen könnte, wie Anwaltskanzleien
betonen.
Die Zahl der ISDS-Klagen ist in den letzten zehn Jahren in die Höhe
geschnellt. Derzeit gibt es 1023 bekannt gewordene Fälle. Auf Basis
der verfügbaren Daten wurden Staaten bisher auf insgesamt 102,15
Milliarden US-Dollar an Entschädigungszahlungen an Konzerne verurteilt.
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief