[E-rundbrief] Info 1771- Attac: Das Griechenland-Programm endet, die Verarmungspolitik geht weiter
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Aug 17 16:24:02 CEST 2018
E-Rundbrief - Info 1771 - Attac (A): Das Griechenland-Programm endet,
die Verarmungspolitik geht weiter.
Bad Ischl, 17.8.2018
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Attac: Das Griechenland-Programm endet, die Verarmungspolitik geht weiter
Utl.: Programm war das größte wirtschaftspolitische Verbrechen in der
Geschichte der Eurozone
Am Montag, den 20. August endet nach über acht Jahren das europäische
Kreditprogramm für Griechenland. Doch für Attac Österreich ist das
kein Grund zur Freude. „Nicht nur wurden die griechische Gesellschaft
und Wirtschaft zugrunde gerichtet. Die Überwachung und der Zwang zu
immer weiterer Verarmungspolitik werden noch Jahrzehnte weitergehen“,
sagt Lisa Mittendrein, Referentin für Eurokrise und Finanzmärkte bei
Attac.
Verstärkte Überwachung und Kürzungs-Automatismus
Griechenland tritt mit Ende des Programms in eine sogenannte
„verstärkte Überwachung“ ein. Bis 75 Prozent der Schulden beglichen
sind, wird die Troika weiterhin alle drei Monate in Athen die
Einhaltung der Kürzungspolitik prüfen. „Selbst optimistischen Annahmen
zufolge wird das bis 2059 der Fall sein. Damit entzieht die EU
Griechenland über mehrere Generationen hinweg die politische
Souveränität“, kommentiert Lisa Mittendrein.
Griechenland darf in dieser Zeit keine der aufgezwungenen Maßnahmen
der letzten Jahre rückgängig machen. Außerdem kann die Kommission
neuerliche Einschnitte von Griechenland fordern, wenn der Europäische
Rat sie nicht binnen weniger Tage ablehnt. Hinzu kommt die Wirkung
eines sogenannten Eventualmechanismus, der mit dem dritten Programm
durchgesetzt wurde. Sollte Griechenland das selbst vom IWF als
unrealistisch betrachtete Primärüberschussziel von zunächst 3,5% pro
Jahr nicht einhalten, werden die Staatsausgaben automatisch im
fehlenden Ausmaß gekürzt. „Auf die griechische Bevölkerung kommen also
aller Wahrscheinlichkeit weitere von der EU erzwungene
Verarmungsmaßnahmen zu“, fasst Lisa Mittendrein zusammen.
Die politische Rolle der EZB setzt sich fort
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird im Rahmen der verstärkten
Überwachung eine zentrale Rolle einnehmen. Um die Regierung in die
Knie zu zwingen, kappte sie dem griechischen Bankensystem schon 2015
gezielt die Liquidität und beschädigte damit die dortige Wirtschaft
weiter. Nun zieht die EZB ihren „Waiver“ zurück, dank dem Banken
griechische Staatsanliehen als Sicherheiten hinterlegen konnten. Das
führt sofort zu mehr Instabilität im griechischen Bankensystem und
könnte dieses erneut von Notfallliquidität abhängig machen.
Der Grund für die Rücknahme des „Waivers“ liegt in den schlechten
Ratings griechischer Staatsanleihen. Dazu Lisa Mittendrein: „Hier wird
die ganze Absurdität der sogenannten Griechenland-Rettung deutlich.
Die Troika – und damit auch die EZB - zwingen Griechenland desaströse
Kürzungspolitik auf und verweigern einen Schuldenschnitt. Auf Grund
des untragbar hohen Schuldenstandes und der schlechten Wirtschaftslage
erhält Griechenland schlechte Ratings – was die EZB wiederum nutzt um
Griechenland zu sanktionieren.“
Staatsschulden nicht nachhaltig
Dass Griechenland seine Staatsschulden jemals zurückzahlen kann,
bleibt unrealistisch. Denn der Schuldenstand ist mit den
Kreditprogammen nur weiter gestiegen und beträgt heute 180% des BIP.
Nicht einmal der Internationale Währungsfonds (IWF) hält die
griechischen Staatsschulden für tragbar, wie seinem letzten
Griechenland-Bericht zu entnehmen ist. „Schon 2010 wäre der einzig
richtige Schritt ein Schuldenschnitt für Griechenland gewesen. Doch
stattdessen wurden hunderte Milliarden an öffentlichen Geldern über
den Umweg Griechenlands indirekt in den europäischen Bankensektor
gepumpt. Nur bei den Menschen in Griechenland blieb von diesen Geldern
nichts hängen. Sie haben sogar teuer für diese Politik bezahlt“,
argumentiert Lisa Mittendrein.
Banken gerettet, Bevölkerung verarmt
Attac Österreich veröffentlichte 2013 die erste Studie, die aufdeckte,
dass die Gelder aus den sogenannten Rettungsprogrammen großteils
direkt in den europäischen Bankensektor flossen. Dies geschah über die
Rückzahlung alter Schulden, Zinszahlungen und die Rekapitalisierung
der griechischen Banken. Die griechische Bevölkerung sah nichts von
all dem Geld. Eine neuere Studie des ESMT kam zu dem Schluss, dass nur
5 Prozent der Gelder aus den ersten zwei Programmen an die öffentliche
Hand flossen. „Trotzdem behaupteten die politisch Verantwortlichen,
dieses Geld käme Griechenland und den Menschen dort zu Gute. Das
Gegenteil ist der Fall“, kommentiert Lisa Mittendrein.
Griechenlands Wirtschaft wurde durch die Kürzungsprogramme zerstört.
Während im Inland die Nachfrage komplett einbrach, gibt es keine
Anhaltspunkte, dass die erzwungene Kürzungs- und Lohnsenkungspolitik
die Exportfähigkeit Griechenlands verbessert hat.
Seit Beginn der Krise ist das BIP um ein Drittelgefallen – das ist
historisch nur mit der Weltwirtschaftskrise in den 1930ern zu
vergleichen. Über ein Viertel der Bevölkerung und die Hälfte aller
Jugendlichen wurden arbeitslos. Und selbst wenn heute die offizielle
Arbeitslosenrate auf 20% gefallen ist, so ist das kein Grund zur
Erleichterung. „Es gibt viel verdeckte Arbeitslosigkeit in
Griechenland, die nicht in der Statistik aufscheint. Hinzu kommt eine
halbe Million Menschen, die in der Krise Griechenland verlassen haben
um ihren Lebensunterhalt anderswo zu verdienen. Und die neuen Jobs,
die in den letzten Jahren entstanden sind, sind prekär und schlecht
bezahlt.“
„Die politischen Eliten von Merkel über Juncker bis Draghi tragen eine
enorme Schuld gegenüber Griechenland. Sie haben das Land über
Generationen hinweg verarmt, anstatt den europäischen Finanzsektor
seinen gerechten Beitrag an den Kosten der Krise zahlen zu lassen. Die
Griechenland-Programme sind das vermutlich größte
wirtschaftspolitische Verbrechen in der Geschichte der Eurozone“,
zieht Lisa Mittendrein Bilanz.
Quellen:
IWF-Bericht:
http://www.imf.org/en/Publications/CR/Issues/2018/07/31/Greece-2018-Article-IV-Consultation-and-Proposal-for-Post-Program-Monitoring-Press-Release-46138
Attac-Studie zur Verwendung der Kredite:
https://www.attac.at/fileadmin/_migrated/content_uploads/hintergrundmaterial_bailout_deutsch.pdf
ESMT-Studie: http://static.esmt.org/publications/whitepapers/WP-16-02.pdf
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Lisa Mittendrein
Attac Österreich
Tel: +43 (0)1 544 00 10 - 10
Mobil: +43 (0) 664 21 21 680
lisa.mittendrein at attac.at, www.attac.at
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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