[E-rundbrief] Info 1621 - EUFOR-Erklärung: Das Schweigen brechen!
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Mai 12 12:53:56 CEST 2017
E-Rundbrief - Info 1621 - EUFOR-Erklärung: Das Schweigen brechen!
Verlautbarung der EUFOR-Versammlung in Wien am 28. bis 30. April 2017
(u.a. für ein Verbot von Atomwaffen).
Bad Ischl, 12.5.2017
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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EUFOR-Erklärung: Das Schweigen brechen!
Verlautbarung der EUFOR-Versammlung in Wien am 28. bis 30. April 2017
Vor 50 Jahren, am 4. April 1967, hielt Dr. Martin Luther King Jr. eine
bemerkenswerte Rede in der Riverside Church in New York City: “Beyond
Vietnam. A Time to Break Silence” (1), „Jenseits von Vietnam“ (2).
Darin wendet er sich an seine eigene Nation, die Vereinigten Staaten
von Amerika, und seine eigene Bevölkerung und spricht über die
Notwendigkeit, „den Verrat meines eigenen Schweigens“ über den
Vietnamkrieg „zu durchbrechen“. Dann aber geht er weiter zu dem Aufruf
zu einem „grundsätzlichen tiefen Wandel (…) in Leben und Politik
Amerikas (…), einem Wandel von einer ‚sachorientierten‘ Gesellschaft
zu einer ‚an der Person orientierten‘ Gesellschaft (…) Wenn Maschinen
und Computer, Profitbestrebungen und Eigentumsrechte für wichtiger
gehalten werden als Menschen, dann wird die schreckliche
Dreier-Allianz von Rassenwahn, extremem Materialismus und Militarismus
nicht mehr besiegt werden können.“ Und er macht geltend, dass nur eine
„radikale Revolution der Werte“ die Probleme Ungleichheit, Armut und
Krieg überwinden wird.
Wir, der europäische Zweig des IFOR, des internationalen
Versöhnungsbundes, haben uns dieses Wochenende in Wien getroffen. Kurz
bevor der neue Zyklus der Überprüfungskonferenz des
Atomwaffensperrvertrages beginnt und wenige Wochen nach dem Beginn der
Verhandlungen in den UN in New York über ein Instrument zu Verbot und
Verbannung aller Kernwaffen wird es jetzt für uns Zeit, die Stimme zu
erheben. Wir wenden uns an unsere, die europäischen Länder, unsere
Regierungen ebenso wie an unsere Bevölkerungen. Wir glauben, dass
Waffen, besonders Massenvernichtungswaffen, nicht auf legitime Weise
bereitgehalten oder verteidigt werden können. Da wir an die aktive
Gewaltfreiheit als die einzige Macht glauben, die in der Lage ist, den
Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen und friedliche Lösungen für
bestehende Konflikte zu finden, weisen wir jede Möglichkeit des
Einsatzes von Kernwaffen aus folgenden Gründen zurück:
● Kernwaffen sind moralisch und ethisch verwerflich, da sie das Leben
von Millionen Menschen, wenn nicht der gesamten Menschheit bedrohen.
● Die humanitären Folgen eines jeden Einsatzes von Kernwaffen wären
katastrophal. Daran haben uns viele Untersuchungen und Appelle der
drei „humanitären Konferenzen“ (in Oslo, Nayarit und Wien, 2013 und
14) aufs Neue gemahnt.
● Darüber hinaus wären die ökologischen Folgen eines jeden Einsatzes
von Kernwaffen in seiner unmittelbaren und Langzeit-Wirkung verheerend.
● Der Einsatz (die Drohung mit dem Einsatz) von Kernwaffen ist nach
internationalem humanitären Recht illegal.
● Durch Kernwaffen wird der absolute Wert eines jeden Lebens negiert
und ihr möglicher Einsatz ist nicht an Personen („menschlicher
Sicherheit“) orientiert.
Wir begrüßen die Entscheidung von mehr als 130 Staaten, nach
Jahrzehnten des Stillstandes bei der nuklearen Abrüstung das Schweigen
zu brechen und in Verhandlungen über einen Vertrag einzutreten, in dem
Kernwaffen für illegal erklärt werden. Wir möchten alle Staaten, die
bisher noch nicht an den Verhandlungen teilnehmen, dazu ermutigen, an
der zweiten Sitzung im Juni und Juli 2017 teilzunehmen. Wir möchten
alle Staaten ermutigen, sich gleichzeitig auch an allen entsprechenden
Maßnahmen zu beteiligen, um im Rahmen der vorhandenen Verträge die
Gefahren, die mit Kernwaffen verbunden sind, und die Abschreckung
durch Kernwaffen wenigstens zu verringern, am besten aber zu beseitigen.
Hinsichtlich des europäischen Zusammenhanges erkennen wir die
verschiedenen Rollen der beteiligten Akteure und fordern sie auf,
folgendermaßen vorzugehen:
● Wir sind dafür dankbar, dass einige europäische Länder eine aktive
Rolle im Verhandlungsprozess über die Beseitigung aller Atomwaffen
übernommen haben (Österreich, Irland, Schweden, die Schweiz u. a.) und
möchten sie dazu ermutigen, ihre Bemühungen fortzusetzen.
● Wir begrüßen die Teilnahme weiterer Länder an den Verhandlungen in
New York, besonders der Niederlande als dem einzigen
NATO-Mitgliedsland, das daran teilnimmt.
● Wir appellieren an alle europäischen Länder, die zur Militärallianz
(NATO) und/oder der Europäischen Union gehören, sich nicht auf eine
Militär-Doktrin einzulassen, die die Option der Abschreckung durch
Kernwaffen oder ihren Einsatzes enthält.
● Wir appellieren an alle europäischen Länder, auf deren Boden
Kernwaffen stationiert sind (Belgien, Deutschland, Italien, die
Niederlande und die Türkei), angemessene Maßnahmen zu ergreifen, diese
Waffen aus ihren Ländern zu entfernen.
● Wir appellieren an die beiden offiziellen Atom-Mächte in Europa,
Frankreich und Britannien, ihre Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung
gemäß den bestehenden Verträgen (vor allem Art. VI des
Atomwaffensperrvertrages) zu erfüllen und in Verhandlungen über einen
Verbots-Vertrag einzutreten.
Uns ist bewusst, dass Appelle allein nicht ausreichen, um nukleare
Abrüstung und die Abschaffung aller Atomwaffen zu erreichen. Wir
gestehen außerdem ein, dass wir nicht genug getan haben, um bei den
Menschen in unseren Ländern das Bewusstsein der ständigen Bedrohtheit
der Menschheit anzuheben. Deshalb verpflichten wir uns dazu,
miteinander und mit anderen Akteuren in unseren Gesellschaften
zusammenzuarbeiten, um mit gewaltfreien Mitteln und Strategien für
unsere Vision einzutreten: eine Welt ohne Kernwaffen. Das wollen wir
auf folgende Weise tun:
● Wir wollen weiterhin die laufenden politischen Entwicklungen unserer
Regierungen daraufhin beobachten, ob sie für oder gegen einen
Fortschritt in der nuklearen Abrüstung sind.
● durch Befürwortung gegenüber unseren Regierungen, die
Sperrvertrags-Verhandlungen im Juni/Juli in New York vorwärtszubringen,
● durch die Aufklärung der Öffentlichkeit über die herrschenden
Risiken und Gefahren von Kernwaffen,
● durch die Fortsetzung gewaltfreier Aktionen wie Blockaden und
Banner-Aktionen an Orten, wo Kernwaffen in Deutschland und Italien
stationiert sind, Aktionen während des NATO-Gipfels im Mai in Brüssel
und Aktionen am Hiroshima-Tag in verschiedenen Ländern,
● dadurch, dass wir als IFOR-Mitglieder bei derartigen Aktivitäten
Solidarität miteinander und gegenseitige Unterstützung beweisen,
● durch das Abhalten von Aktionen am 26. September 26, dem
„Internationalen Tag für die vollständige Beseitigung der Kernwaffen
(A/RES/68/32)“ (3)
Martin Luther King schloss 1967 seine Rede mit den folgenden Worten:
„Heute haben wir noch die Wahl: gewaltlose Koexistenz oder gemeinsame
Vernichtung durch Gewalt. Wir müssen aus der Unentschlossenheit
heraus- und zum Handeln kommen. (…) Wenn wir jetzt nicht handeln, wird
man uns in jene dunklen und schrecklichen Verliese der Zeit werfen,
die für jene bestimmt sind, die Größe ohne Mitleid, Macht ohne
moralische Verantwortung und Stärke ohne Weitsicht besitzen.“ Wenn wir
uns dem Thema Kernwaffen stellen, hallen diese Worte noch nach 50
Jahren wieder.
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler
Anmerkungen:
1) http://www.americanrhetoric.com/speeches/mlkatimetobreaksilence.htm
2) Deutscher Text: http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/001713.html.
Die Übersetzungen der Zitate habe ich mit leichten Veränderungen -
diesem Text entnommen. IvHei
3) http://www.un.org/en/events/nuclearweaponelimination/
https://www.versoehnungsbund.de/node/968
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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