[E-rundbrief] Info 1596 - L Boff: Trump - eine historische Phase?

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Do Mär 2 11:08:15 CET 2017


E-Rundbrief - Info 1596 - Leonardo Boff (BR): Trump - eine historische 
Phase?

Bad Ischl, 2.3.2017

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

================================================

TRUMP – EINE NEUE HISTORISCHE PHASE?

Leonardo Boff

Theologe und Philosoph, Erdcharta-Kommission

10.2.2017/ 27.2.2017

Seit Jahren sehen wir in allen Teilen der Welt den Aufstieg einer 
konservativen Denkweise und von Bewegungen, die sich selbst als 
„rechts“ definieren und nach einer Gesellschaft streben, wo Ordnung 
über Freiheit, traditionelle Werte über moderne und die Vorherrschaft 
der Autorität über demokratische Freiheiten die Oberhand gewinnen.

Dieses Phänomen ist auf viele Faktoren zurückzuführen, aber vor allem 
auf die Erosion der gemeinsamen Werte, die der Gesellschaft 
Zusammenhalt und das Gefühl eines kollektiven Zusammenlebens gaben. 
Die Vorherrschaft der kapitalistischen Kultur, die den 
Individualismus, die unbegrenzte Akkumulation von materiellen Gütern 
und vor allem die Konkurrenz verherrlicht, ließ wenig Raum für die 
Zusammenarbeit. Sie vergiftete praktisch die gesamte Menschheit und 
schuf eine ethisch-geistige Verwirrung ohne das Gefühl der 
Zugehörigkeit zu einer einzigen Menschheit, die ein gemeinsames Haus 
bewohnt. Es entstand, was der britisch-polnische Soziologe und 
Philosoph Zygmunt Bauman die „liquide“ oder „verflüssigte“ 
Gesellschaft nennt, wo nichts mehr fest ist. Dazu muss der postmoderne 
Geist des „alles ist möglich“, „alles ist in Ordnung“ hinzugefügt 
werden, wo nichts mehr wichtig ist, außer die Ziele jedes einzelnen 
nach seinen eigenen Vorlieben zu erreichen.

Angesichts dieser Verdünnung der Leitbilder entstand ihr dialektisches 
Gegenteil: die Suche nach Sicherheit, Ordnung, Autorität, klaren 
Normen und wohldefinierten Wegen. Diese Sichtweise findet sich im 
Konservatismus, im politischen, ethischen und religiösen rechten 
Spektrum. Hier ist es nur noch ein Schritt zum Nazi-Faschismus wie in 
Hitler-Deutschland, Mussolinis Italien, Portugals Salazar und Spaniens 
Franco.

Diese Tendenzen haben in Europa, Lateinamerika und den Vereinigten 
Staaten soziale und politische Stärke gewonnen. Der 
gerichtlich-parlamentarische Klassenputsch, der die brasilianische 
Präsidentin Dilma Rousseff absetzte, wurde von diesem konservativen 
und rechtsgerichteten Geist geprägt. Was darauf folgte, war die 
Implementierung einer klar rechten Politik gegen das Volk, die soziale 
Rechte negiert und in kultureller Hinsicht rückwärtsgewandt ist.

Aber diese konservative Tendenz hat ihre deutlichste Verwirklichung im 
Machtzentrum des Weltsystems, den Vereinigten Staaten, erreicht, wie 
wir das bei der Wahl von Donald Trump zum Präsident erlebt haben. In 
den Vereinigten Staaten drückt sich der Konservatismus und die rechte 
Politik ohne Metaphern aus, in schamlosen und sogar rauen Formen.

In seinen ersten Aktionen als Präsident begann Trump, die sozialen 
Errungenschaften von Barack Obama rückgängig zu machen. Seine klarsten 
Eigenschaften sind Nationalismus, Patriotismus, Konservatismus und 
Isolationismus.

Trumps Antrittsrede war erschreckend: „Von nun an wird eine neue 
Vision unser Land regieren. Von diesem Moment an heißt es: Amerika 
zuerst.“ Das „zuerst“ bedeutet: „nur die USA zählen“. Mit 
offensichtlicher Arroganz radikalisierte Trump diese Vision am Ende 
seiner Rede: „Gemeinsam werden wir Amerika wieder stark machen. Wir 
werden Amerika wieder wohlhabend machen. Wir werden Amerika wieder 
stolz machen. Wir werden Amerika wieder sicher machen. Und gemeinsam 
werden wir Amerika wieder groß machen.“

Diesen Worten liegt die Ideologie des „manifesten Schicksals“ 
zugrunde, also der Außergewöhnlichkeit der Vereinigten Staaten, die 
auch bei den früheren Präsidenten immer vorhanden war, auch bei Obama. 
Das heißt, die Vereinigten Staaten haben eine einzigartige und 
göttliche Mission in der Welt, um ihre Werte des Rechts, des 
Privateigentums und der liberalen Demokratie in die ganze Welt zu 
verbreiten.

Für Donald Trump existiert die Welt nicht. Und wenn sie existiert, 
sieht er sie in negativer Weise. Trump bricht alle Bindungen der 
Solidarität mit den traditionellen Verbündeten wie der Europäischen 
Union und lässt jedem Land freie Hand für mögliche Abenteuer gegen 
seine historischen Gegner, öffnet regionalen Mächten den Weg zum 
Expansionismus einschließlich möglicher tödlicher Kriege.

Wir können von der Persönlichkeit Trumps alles erwarten. Gewohnt an 
zwielichtige Geschäfte, wie sie im allgemeinen im New Yorker 
Immobiliengeschäft üblich sind, und ohne politische Erfahrung kann er 
für den Rest der Menschheit höchst bedrohliche Krisen auslösen – wie 
z. B. einen möglichen Krieg mit China oder Nordkorea, wobei der 
Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen wäre. Trumps 
Persönlichkeit zeigt abweichende psychologische Merkmale, narzisstisch 
und mit einem übertriebenen Ego, größer als sein eigenes Land.

Die Phrase, die uns erschreckt, ist: „Von diesem Tag an wird eine neue 
Vision unser Land regieren“. Ich weiß nicht, ob er nur an die 
Vereinigten Staaten oder an den Planeten Erde denkt. Möglicherweise 
ist das für ihn dasselbe. Wenn das wahr wäre, müssten wir beten, dass 
das Schlimmste für die Zukunft der Zivilisation nicht zustande kommt.

Quelle: leonardo https://leonardoboff.wordpress.com, 10. 2. 17 
(portugiesisch), 13. 2. 17 (englisch). Aus dem Englischen übersetzt 
von der „KC“-Redaktion. Ergänzt von Bettina Gold-Hartnack

Veröffentlicht am Februar 27, 2017 von Bettina Gold-Hartnack

https://traductina.wordpress.com/2017/02/27/trump-eine-neue-historische-phase/


-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Salzkammergut,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX

--

Ausgezeichnet mit dem (österr.) "Journalismus-Preis von unten 2010"

Honoured by the (Austrian) "Journalism-Award from below 2010"





Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief