[E-rundbrief] Info 1519 - Zivilgesellschaft für Netzneutralität in Europa

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Mo Mai 2 12:02:29 CEST 2016


E-Rundbrief - Info 1519 - Gemeinsames Statement der Zivilgesellschaft 
für Netzneutralität in Europa.

Bad Ischl, 2.5.2016

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Gemeinsames Statement der Zivilgesellschaft für Netzneutralität in Europa.

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In einem offenen Brief wenden sich heute 72 zivilgesellschaftliche 
Organisationen aus 31 Ländern, darunter auch der AKVorrat, an die 
europäischen Telekom-Regulierungsbehörden und fordern eine starke 
Absicherung des Prinzips der Netzneutralität in den laufenden 
Verhandlungen über die Umsetzung der Telekom-Binnenmarkt-Verordnung 
der Europäischen Union. Mit den neuen Regeln wird in Europa geklärt, 
ob Internetanbieter künftig bezahlte Überholspuren im Internet 
anbieten dürfen, ob einzelne Dienste blockiert werden dürfen, ob 
verschlüsselte Verbindungen pauschal benachteiligt werden dürfen und 
ob Provider den Inhalt der Datenpakete ihrer Kunden inspizieren 
dürfen. Noch gibt es die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger, der 
eigenen Stimme in der Diskussion um Netzneutralität auf 
www.SaveTheInternet.eu Gehör zu verschaffen.

Das Gremium Europäischer Regulierungsbehörden für elektronische 
Kommunikation (BEREC) und die 28 nationalen 
Telekom-Regulierungsbehörden verhandeln zurzeit über Leitlinien, die 
viele offene Fragen zum im Oktober 2015 beschlossenen, zweideutigen 
europäischen Netzneutralitätsgesetz klären sollen. Die Regulierer 
haben bis August Zeit, ihre endgültigen Leitlinien zu veröffentlichen 
und werden dazu eine öffentliche Konsultation von Juni bis Juli abhalten.
„Mit diesen neuen Leitlinien zur Netzneutralität entscheidet sich ein 
jahrelanger Kampf um Netzneutralität in Europa. Nach den großen 
Erfolgen in den USA, Indien, Canada, Chile, den Niederlanden und 
Slowenien muss die EU nun festlegen, ob sie eine der größten 
Erfindungen der Menschheit weiter offen und neutral gestalten will, 
oder ob sich das Internet künftig in eine Art Kabelfernsehen 
entwickelt. Noch hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, diese 
Entscheidung auf www.SaveTheInternet.eu mitzugestalten“, sagt Thomas 
Lohninger, Datenschützer von der Bürgerrechtsorganisation AKVorrat.

Der Brief von 72 NGOs stellt folgende Forderungen an die Regulatoren:

     So genannte Spezialdienste müssen sehr exakt und eng definiert 
werden. Ansonsten besteht das Risiko, dass große Diensteanbieter den 
Netzneutralitätsschutz mit bezahlten Überholspuren im Internet 
umgehen. Eigene Regelungen für Spezialdienste dürfen nur für 
Dienstleistungen verwendet werden, die technisch gar nicht über das 
offene Internet möglich wären.
     Zero-Rating sollte klar verboten sein, weil es eine schädliche 
Praxis ist, die die Wahlmöglichkeiten der Konsumentinnen und 
Konsumenten einschränkt, den Wettbewerb verzerrt, geringe Datenvolumen 
befördert und die Freiheit untergräbt, Dienstleistungen ohne 
Diskriminierung anzubieten.
     Verkehrsmanagement sollte so anwendungsagnostisch wie möglich 
sein. Wenn Telekommunikationsfirmen über die Priorität von 
Datenpaketen entscheiden, werden Diskriminierung von Dienstanbietern 
sowie von verschlüsseltem Datenverkehr riskiert und die 
Wahlmöglichkeiten von Kundinnen und Kunden eingeschränkt.

Der Gesetzestext lässt viele der Kernfragen der Netzneutralität 
unbeantwortet und kann auf zwei Arten ausgelegt werden. Die politische 
Entscheidung über Netzneutralität liegt jetzt in den Händen der 28 EU 
Regulierungsbehörden. Ob es bezahlte Überholspuren, Zero-Rating oder 
Verkehrsmanagement – das mit Deep-Packet-Inspection (DPI) tief in die 
Privatsphäre eindringt – geben wird, liegt in den Händen von Behörden, 
die nicht demokratisch gewählt sind.

Hintergrund

Europa ist in der letzten Phase im Kampf um die Netzneutralität. Die 
europäische Regulierungsbehörde (BEREC) entscheidet derzeit über 
verbindliche Richtlinien, die die zweideutige gesetzliche Basis 
klären, die im Oktober 2015 beschlossen wurde. Das Ergebnis dieses 
Prozesses ist völlig offen. Ob Zero-Rating, DPI oder bezahlte 
Priorisierung für eine halbe Milliarde Menschen erlaubt werden, hängt 
von den Richtlinien ab, die Ende August veröffentlicht werden. Europa 
kann entweder dem globalen Trend zu einem starken Schutz der 
Netzneutralität folgen oder einen gefährlichen Präzedenzfall für das 
Gegenteil schaffen.

Nach zwei Jahre dauernden Verhandlungen hat die EU ein 
Netzneutralitätsgesetz beschlossen, das viele Kernpunkte offen für 
Interpretation lässt. Die Telekom-Binnenmarkt-Verordnung wurde im 
Oktober 2015, im zweiten Anlauf, vom Europäischen Parlament beschlossen.

Mehr Informationen zu den Richtlinien für die Umsetzung finden sich 
hier: https://edri.org/edris-first-input-on-net-neutrality-guidelines/
Der offene Brief samt Auflistung aller Organisationen, die ihn 
unterzeichnet haben, findet sich hier: 
https://akvorrat.at/sites/default/files/20160502_nn_berec_civilsocietyletter_signed.pdf

Über den AKVorrat
Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich (AKVorrat) hat sich die 
Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung und die Verhinderung ähnlicher 
Instrumente der anlasslosen Massenüberwachung zum Ziel gesetzt. Ein 
Etappenziel wurde mit der Abschaffung der EU-Richtlinie zur 
Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof erreicht. 
Jetzt geht es dem Verein vor allem darum, starken Datenschutz in 
unserer Gesellschaft zu verankern und auf die Einhaltung der 
Menschenrechte im Digitalen zu drängen.
https://www.akvorrat.at
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Rückfragen bitte an:

Werner Reiter
Kommunikation AKVorrat
+43 664 4549660
werner.reiter [at] akvorrat.at

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Salzkammergut,
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