[E-rundbrief] Info 1452 - Bravo Griechenland!

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Jul 7 10:16:38 CEST 2015


E-Rundbrief - Info 1452 - Heiner Flassbeck (D): Bravo Griechenland!, 
attac Österreich: Oxi: Referendum ist Sieg der Demokratie - EU, 
Faymann und Schelling müssen endlich echte Reformen verhandeln.

Bad Ischl, 7.7.2015

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Bravo Griechenland!

Von Heiner Flassbeck

6.7.2015

Die Griechen haben sich nicht verängstigen lassen. Sie haben mit einer 
beachtlichen Mehrheit das Angebot, das ihrer Regierung bis 25. Juni 
von der Troika und den Gläubigerstaaten vorgelegt wurde, abgelehnt. Es 
scheint, dass auch große Bevölkerungsgruppen den einfachen Punkt 
verstehen können, der da heißt, dass man eine Medizin, die nicht nur 
nicht angeschlagen, sondern den Zustand des Patienten verschlechtert 
hat, wieder absetzen muss.

Das ist auch deswegen beindruckend, weil man in den Gläubigerstaaten 
ja gerne gesagt hat, diese griechische Regierung habe eigentlich keine 
Mehrheit im Volk mehr, folglich auch kein Mandat, schwerwiegende 
Entscheidungen zu treffen.

Richtig ist, dass diese Entscheidung allein für die Gläubigerländer 
noch keine Änderung ihrer Position erzwingt. Wer für was ein Mandat 
hat, muss man jetzt aber schon sehr genau überlegen. Es wird ja gerne 
gesagt, die demokratische Entscheidung der griechischen Bevölkerung 
müsse man respektieren, aber man müsse auch die Entscheidungen der 
demokratisch gewählten Regierungen der anderen 18 Länder respektieren.

Nur, gibt es das Mandat wirklich, von dem in den Gläubigerstaaten 
immer die Rede ist? Hat die deutsche Regierung ein Mandat von der 
Mehrheit der Bevölkerung, das es erlaubt, die Bevölkerung eines 
kleinen europäischen Landes in großer Radikalität und ohne Rücksicht 
auf die Ergebnisse in eine neoliberale Radikalkur zu zwingen? Wir 
erinnern uns: Angela Merkel hatte keine Mehrheit nach der letzten 
Parlamentswahl, und nur der Willfährigkeit der Sozialdemokraten ist es 
zuzuschreiben, dass sie wieder Bundeskanzlerin wurde. Kann man 
unterstellen, dass die Mehrheit der Wähler, die damals SPD gewählt 
haben, es auch getan hätten, wenn sie gewusst hätten, was das im 
Rahmen der großen Koalition für Griechenland bedeutet?

Gibt es in anderen Gläubigerstaaten das Mandat der Regierung, in 
internationalen und europäischen Verhandlungen ein solches Ausmaß an 
Ignoranz zu zeigen, wie das in den vergangenen fünf Monaten im Fall 
Griechenland gezeigt wurde? Hat Präsident Hollande ein Mandat seiner 
Bevölkerung, sich über ein griechisches Votum hinwegzusetzen und 
weiter auf einem Austeritätskurs zu beharren? Mit Sicherheit nicht. 
Hat Matteo Renzi, der ja immer noch Ministerpräsident ist, ohne vom 
Volk gewählt zu sein, das Mandat, sein Nachbarland gegen den erklärten 
Willen der dortigen Bevölkerung in eine Fortsetzung der 
Austeritätspolitik zu zwingen? Hat die spanische Regierung, die um 
ihre Existenz ringt und vermutlich im Dezember vom Volk in die Wüste 
geschickt wird, das Mandat ihrer Bevölkerung, an Griechenland ein 
neoliberales Exempel zu statuieren?

Kann es überhaupt ein Mandat für Unvernunft geben? Hatte Heinrich 
Brüning vor 80 Jahren das Mandat, dem deutschen Volk 
Austeritätspolitik aufzuzwingen, die scheitern musste? Kann irgendeine 
demokratisch gewählte und sich an demokratische Regelungen haltende 
Regierung der Welt ein Mandat der Bevölkerung beanspruchen für die 
Fortsetzung einer Politik, die offenkundig gescheitert ist und nur aus 
ideologischen Gründen verteidigt werden muss?

Aber das Geld des eigenen Steuerzahlers zu verteidigen, das Mandat hat 
doch jede Regierung oder? Ja, aber auch das bedeutet, dass die eigene 
und die einem anderen Land aufgezwungene Politik Erfolgschancen haben 
muss. Dafür spricht aber im Falle der Austeritätspolitik nichts. Auch 
Merkantilismus hat aus logischen Gründen keine Erfolgschancen, wenn er 
auf viele Länder angewendet werden soll. Wer Griechenland weiter in 
den Abgrund reißt, der wird sein Geld nie wieder sehen. Genau 
andersherum als üblicherweise vertreten, ist es richtig: Wer dem Land 
eine Chance gibt, sich zu erholen, schont den deutschen Steuerzahler.

Aber an die Regeln müssen sich doch alle halten? Ja, aber auch nur an 
die, die eine Chance auf Erfolg beinhalten. Regeln, die gegen jede 
Vernunft aufgestellt worden sind, können nicht gegen jede Vernunft 
verteidigt werden. Außerdem geht es um alle Regeln, auch um 
diejenigen, gegen die Deutschland verstoßen hat oder die es zu seinen 
Gunsten von vorneherein so gedreht hat, dass ein Verstoß weniger 
wahrscheinlich ist. Insgesamt gesehen ist der Hinweis auf die 
Einhaltung von Regeln in einer Währungsunion, die so aus dem Ruder 
gelaufen ist wie die europäische, ohnehin nicht zielführend. Es 
spricht alles dafür, dass die Regeln von Anfang an unvollständig waren 
oder an der falschen Stelle griffen, so dass Verstöße gegen die Regeln 
einer wirklich funktionierenden Währungsunion gar nicht erkannt 
wurden. In dem Fall hilft der Hinweis auf die Regeln gar nichts.

Wenn man das alles bedenkt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass 
Griechenland spätestens nach seinem Votum einen Neuanfang verdient. Es 
verdient Verhandlungen in einem anderen Geiste (und vermutlich auch 
mit anderen Personen, wie es leider nur Yanis Varoufakis erkannt hat) 
und in einem anderen politischen Klima. Griechenland muss eine Chance 
gegeben werden, seine Wirtschaft zu stimulieren, die Rezession zu 
beenden und die Fremdherrschaft über sein Regierungshandeln abzulegen.

Ist es wahrscheinlich, dass das heute oder in den nächsten Tagen 
passiert? Nein, es werden auf Gläubigerseite die gleichen 
kleingeistigen Politiker (die eigentlich hätten zurücktreten müssen) 
sitzen wie zuvor und sie werden die gleichen kleingeistigen und 
ökonomisch falschen Forderungen stellen. Einen Staatsmann (oder eine 
Staatsfrau), die jetzt aufstehen würden, um ultimativ ein Ende der 
Hetze gegen Griechenland und ein Ende des Austeritätswahns zu fordern, 
hat Europa leider nicht. So ist zu befürchten, dass schon in wenigen 
Tagen der Katzenjammer in Griechenland so groß sein wird, dass danach 
die Mehrheit der Bevölkerung endgültig den Glauben in die Demokratie 
verloren hat.

http://www.flassbeck-economics.de/bravo-griechenland/

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Oxi: Referendum ist Sieg der Demokratie

EU, Faymann und Schelling müssen endlich echte Reformen verhandeln

Für Attac Österreich ist der Ausgang des griechischen Referendums ein 
Sieg der Demokratie und des Widerstands gegen die verordnete 
Verarmungspolitik. „Trotz aller Erpressungsversuche von Angela Merkel, 
der EZB und der Präsidenten von EU-Kommission und Europäischem 
Parlament haben die Menschen in Griechenland deutlich gemacht, dass 
sie von Lohn- und Pensionskürzungen, geschlossenen Spitälern und der 
Privatisierung öffentlicher Dienste genug haben. Sie haben sich damit 
ein Stück ihrer demokratischen Souveränität von den neoliberalen 
EU-Technokraten zurückerobert“, erklärt Lisa Mittendrein von Attac 
Österreich.

Das globalisierungskritische Netzwerk fordert die EU und die 
österreichische Bundesregierung auf endlich ernsthaft mit der 
griechischen Regierung zu verhandeln. „Nur durch einen echten 
Politikwechsel kann Griechenland aus der Depression kommen. Jetzt ist 
es an der Zeit, endlich echte Reformen zu vereinbaren, die den 
Menschen helfen und eine wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland 
wieder möglich machen: Dazu zählen eine effektive Besteuerung von 
Vermögenden und Konzernen, europäische Zusammenarbeit im Kampf gegen 
Steuerbetrug, der Wiederaufbau des Gesundheits- und Sozialsystems für 
alle sowie sozialökologische Investitionsprogramme“, fordert 
Mittendrein. Notwendig sei zudem eine europäische Schuldenkonferenz, 
um die Verbindlichkeiten Griechenlands und anderer Staaten mit hohen 
Staatsschulden zu überprüfen. Bis dahin müssten alle Gläubiger 
vollständig auf Zahlungen Griechenlands verzichten.

Griechenland ist nur das extremste Beispiel für den verfehlten 
europäischen Kurs der letzten Jahre. Die Interessen von Reichen, 
Banken und GläubigerInnen wurden geschützt - auf Kosten der breiten 
Bevölkerung. „Das Nein der Griechen ist auch ein Nein zur 
Austeritätspolitik in ganz Europa“, erklärt Mittendrein.

Attac-Webseite zu Griechenland:
http://www.attac.at/kampagnen/solidaritaet-mit-griechenland.html

Internationale Petition von mehr als 45 Organisationen: Streicht 
Griechenlands Schulden!
http://www.attac.at/kampagnen/solidaritaet-mit-griechenland/petition-schuldenschnitt-fuer-griechenland.html

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David Walch
Pressesprecher Attac Österreich
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Tel:   +43 (0)1 544 00 10
Mobil: +43 (0) 650 544 00 10
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Margaretenstraße 166/3/25, A-1050 Wien

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BLOCKUPY GOES ATHENS

Der Triumph des Neuen. Es ist ein OXI.

1. Die Menschen haben „NEIN“ gesagt, ohne zu wissen was es genau heißt 
und was es morgen bringt. Aber sie wissen, was es für sie heißt: Sie 
haben dieses Leben und die Memoranden satt.

2. Die Leute sind wütend über die Arroganz der Macht, den 
Autoritarismus der europäischen Institutionen und seine 
Sprechapparate. Sie sind fertig mit alledem.

3. Das Neue ist die Mehrheit. Das alte System des korrupten 
Zwei-Parteien-Parlamentarismus stand geschlossen auf der Seite des JA. 
Auch dagegen artikulierte sich das “NEIN”. Die Eliten von gestern sind 
weiter der Feind, den die Mehrheit nicht zurückhaben will – und ganz 
offenbar um keinen Preis. Die politische Kaste, die privaten Medien, 
die Kirche, die Altparteien: Ihre Kampagne und ihre Versprechen 
erreichen nur noch eine Minderheit.

4. Die Armen und das noch immer existierende Proletariat haben “NEIN” 
gesagt. In manchen Athener Stadtteilen mit bis zu 80 Prozent. Die 
Menschen vertrauen Tsipras, weil er etwas Neues verkörpert und sie 
vertritt – obwohl sie nicht genau wissen, was Syriza eigentlich 
durchsetzen kann, sie vertrauen Syriza, ohne Syriza gewählt zu haben.

5. Das große OXI ist schon jetzt ein Erbe für die radikale Linke und 
die sozialen Bewegungen. Es verkörpert den größten Antagonismus in 
Westeuropa seit der Nelkenrevolution 1974.

6. Das OXI wird bleiben. Es muss und wird sich verallgemeinern – im 
Rest von Europa und darüber hinaus. Und die Semantik des NEIN 
entspricht dem Stand der Kämpfe: Das Neue ist noch nicht bekannt. Aber 
die Angst ist besiegt. So wie es ist, darf es nicht bleiben.

7. Das Große OXI war nur denkbar, weil eine Bewegung eine 
Repräsentation hatte und die Repräsentation eine Bewegung. Es ist der 
mögliche Beginn einer neuen Unidad Popular.

8. Das OXI ist ein klares Nein zum Weiter so. Damit hat die Bewegung 
des Demos seine Position erneuert. Syriza wird es zu respektieren 
haben. Versucht die Regierung, aus dem Nein ein Ja zu machen, wird sie 
verschwinden.

9. Der Sieg wird auf der Straße gefeiert. Und heute auch einmal: im 
Regierungspalast.

10. Natürlich wird morgen wieder verhandelt. Was sonst? Aber ab morgen 
beginnt auch die Kampagne des europäischen OXI. Ein Gespenst geht um 
in Europa.

blockupy goes athens, Athen am 05.07.2015, 20.45h (Griechische Zeit)

Source and original in English: 
http://athens.blockupy.org/post/123295652830/der-triumph-des-neuen-es-ist-ein-oxi

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Glückwünsche für Griechenland aus Lateinamerika

Eva Haule

amerika21

Buenos Aires. Die Präsidentin von Argentinien und die Präsidenten von 
Bolivien, Kuba, Nicaragua und Venezuela haben den Sieg des "Nein" beim 
Referendum in Griechenland begrüßt und ihre Glückwünsche an die 
griechische Bevölkerung und Ministerpräsident Alexis Tsipras 
übermittelt. Bei der Volksabstimmung am Sonntag hatten gut 61 Prozent 
der Wähler die Bedingungen abgelehnt, unter denen ein ausgelaufenes 
Kreditprogramm hätte fortgesetzt werden können. Europäische 
Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds 
hatten unter anderem Kürzungen bei den Renten und die Erhöhung der 
Mehrwertsteuer verlangt.

"Das griechische Volk hat Nein gesagt zu den unmöglichen und 
erniedrigenden Bedingungen, die ihm zur Neuordnung seiner 
Auslandsverschuldung aufgezwungen werden sollten", schrieb Cristina 
Fernández über den Kurznachrichtendienst Twitter. Dies sei ein 
"durchschlagender Sieg der Demokratie und der Würde". Zugleich drückte 
sie ihre Hoffnung aus, dass "Europa und seine Führer die Botschaft der 
Urnen verstehen. Man kann von niemandem verlangen, seine eigene 
Sterbeurkunde zu unterzeichnen", so Fernández weiter.

In einem Brief an Tsipras sandte Kubas Präsident Rául Castro 
"aufrichtige Glückwünsche" zum gewonnenen Referendum. Dieses Ergebnis 
belege die mehrheitliche Unterstützung des griechischen Volkes für die 
"mutige Politik seiner Regierung", schrieb Castro.

Während einer Festveranstaltung zum 204. Jahrestag der Unabhängigkeit 
Venezuelas in der Nationalversammlung in Caracas erhob sich Präsident 
Nicolás Maduro nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses, um 
Griechenland und Alexis Tsipras hochleben zu lassen. Den anwesenden 
griechischen Botschafter beglückwünschte er zu dem "Nein". Dies sei 
eine "Lektion für die Welt und ein großer Sieg gegen den 
Finanz-Terrorismus des IWF". Griechenland habe seine Stimme erhoben, 
"um den Finanzimperien zu sagen, dass es unabhängig ist", so Maduro.

Als "gerecht und würdig" bezeichnete Boliviens Präsident Evo Morales 
den Ausgang des Referendums und beglückwünschte die griechische 
Bevölkerung, die "ihre souveräne Politik und Wirtschaft verteidigt". 
Unter der Regie des IWF habe die Europäische Zentralbank Griechenland 
mit der Formel "mehr Schulden, um die Schulden zu bezahlen“ erpresst. 
"Wie ist es möglich, dass der IWF in diesen Zeiten immer noch seine 
Strukturanpassungspolitik aufzwingt?" fragte Morales und drückte 
"Respekt und Bewunderung" für das südeuropäische Land aus, das dem 
Kapitalismus eine Niederlage bereitet habe.

Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega wandte sich in einem Brief an 
Ministerpräsident Tsipras. Nicaragua begehe derzeit den 36. Jahrestag 
der Sandinistischen Revolution und "wir begrüßen den großen Sieg des 
griechischen Volkes, das seinen Sinn für Demokratie, Würde und 
Gerechtigkeit bestätigt", heißt es darin.

Vor der Abstimmung am Sonntag hatten sich die Regierungen Argentiniens 
und Venezuelas sowie die Mitgliedsländer der Bolivarischen Allianz 
(Alba) zur Situation in Griechenland geäußert und ihre Solidarität 
ausgedrückt. Sie verwiesen dabei auch auf Erfahrungen in Lateinamerika 
- siehe: https://amerika21.de/2015/07/124165/argentinien-griechenland.

https://amerika21.de/2015/07/124406/glueckwuensche-fuer-griechenland

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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