[E-rundbrief] Info 1419 - Ukrainekonflikt-Diskussion, WSF, Tunis 3/2015
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Mär 27 17:01:34 CET 2015
E-Rundbrief - Info 1419 - Wilfried Hanser (A): „Die Waffen nieder“ –
Diskussion über den Ukrainekonflikt auf dem Weltsozialforum 2015 in
Tunis 24. - 28.3.2015.
Bad Ischl, 27.3.2015
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
================================================
„Die Waffen nieder“ – Diskussion über den Ukrainekonflikt auf dem
Weltsozialforum 2015 (in Tunis, 24. - 28.3.2015).
Ein ganz besonderer Workshop wurde in Tunis vom österreichischen
Sozialforum und der Gruppe „Prague Spring II- Network against the far
right“ veranstaltet. Es kamen Vertreter der Zivilgesellschaft aus dem
Donbass und der Westukraine zusammen, um einen Dialog über Frieden und
soziale Gerechtigkeit zu führen. Moderator Leo Gabriel vom ÖSF hob den
„historischen Moment“ hervor, denn zum ersten Mal überhaupt seit
Beginn des Krieges in der Ukraine kamen linke Aktivisten von beiden
Seiten zusammen an einen Tisch. Bisherige Versuche waren an
Visabestimmungen gescheitert. So musste man also nach Tunis reisen, um
sich überhaupt Auge in Auge treffen zu können.
Die Dialogpartner konnten sich überraschend schnell und umfassend auf
gemeinsame Positionen einigen, die bereits im Vorfeld des Workshops in
einem Joint Statement festgehalten wurden. Einig ist man sich darin,
dass der Krieg den Menschen in der Ukraine von außen aufgezwungen
wurde – von eben jenen Oligarchen, gegen die sich die Maidanbewegung
richtete. Diese ziehen auch heute noch die Strippen, im Osten wie im
Westen des Landes. Der Einfluss des Auslandes tut ein Übriges. So
heißt es im Joint Statement: „Wir stehen gegen unseren Willen auf
verschiedenen Seiten der Front.“ Es wird ein wirksamer
Waffenstillstand gefordert und das „Aufblasen von Hass und
Kriegshysterie auf beiden Seiten“ verurteilt. Den Opfern der Krieges
müsse schnell geholfen und der Wiederaufbau des Donbass ermöglicht werden.
Alexander Smekalin, Gewerkschafter und Abgeordneter der Volksrepublik
Donetzk, hob den gemeinsamen Klassenstandpunkt aller ukrainischen
Arbeiterinnen und Arbeiter hervor. Diese litten nicht nur unter dem
Krieg und der ökonomischen Blockade der Donbassregion, sondern auch
unter der extremen Austeritätspolitik der Kiever Regierung. Darin
pflichtete ihm Zakhar Popovych, Maidanaktivist aus Kiev, bei. Zugleich
verteidigte er die Maidanbewegung. In ihren Reihen hätten sich zwar
tatsächlich Rechtsradikale befunden, aber eben auch progressive
Aktivisten und Linke. Militante Neonazis, so berichteten beide,
kämpfen heute auf beiden Seiten der Front.
Was können wir tun? Nadja Shevchenko vom alternativen Kiever Kanal
Spilno.tv und ebenfalls auf dem Maidan dabei, wünscht sich von
westlichen NGOs, dass sie helfen die Forderungen der ukrainischen
Aktivisten international hörbar zu machen. Von den Erfahrungen der
Friedensbewegten der 80er Jahre könne gelernt werden, wie Feindbilder
abgebaut und die „Kultur einer Friedensbewegung“ entwickelt würden.
Nina Potarksa vom Center für Social and Labor Research in Kiev hob
hervor, dass NGOs in der ganzen Ukraine sich meist unterschiedslos um
Kriegsopfer kümmerten – Ansatzpunkt für die Entwicklung eines
Standpunktes eines „gemeinsamen Humanismus“.
Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament, nahm
ebenfalls an dem Workshop teil und zitierte Berta von Suttner: „Die
Waffen nieder“. Sie nennt es einen Skandal, dass weder ihre Fraktion,
noch die europäische Linke oder die Friedensbewegung bisher eine
gemeinsame Position zum Ukrainekonflikt gefunden haben. Statt die
Situation der Menschen in den Blick zu nehmen, werde über globale
Schuldfragen diskutiert, zuweilen in einem angestaubten Jargon.
Direkte Informationen von linken Gruppen aus der Region seien eminent
wichtig für eine Positionsfindung der progressiven Kräfte in Europa.
In der offenen Diskussion am Ende des Seminars wurde eine Vielzahl von
konkreten Ideen zusammengetragen, wie die europäische und globale
Friedensbewegung helfen könnte. Auffällig war die breite
Zusammensetzung des Publikums – Diskutanten aus Schweden, Russland und
Tschechien waren ebenso vertreten wie interessierte Zuhörerinnen aus
dem Maghreb und von Attac Japan. Leo Gabriel schloss die Diskussion
mit dem Appell, „Hilfe zu globalisieren“ und an der begonnenen
Positionsfindung gemeinsam weiterzuarbeiten.
Wilfried Hanser
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at
Spenden-Konto Nr. 0600-970305 (Blz. 20314) Sparkasse Salzkammergut,
Geschäftsstelle Pfandl
IBAN: AT922031400600970305 BIC: SKBIAT21XXX
--
Ausgezeichnet mit dem (österr.) "Journalismus-Preis von unten 2010"
Honoured by the (Austrian) "Journalism-Award from below 2010"
Mehr Informationen über die Mailingliste E-rundbrief