[E-rundbrief] Info 1410 - Gazas oekologische und soziale Kriegsschaeden

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
So Feb 15 20:41:18 CET 2015


E-Rundbrief - Info 1410 - Annette Groth, Wiebke Diehl (D): Ökologische 
und soziale Katastrophe macht Gaza unbewohnbar. Folgen der 
israelischen Angriffe auf palästinensisches Land.

Bad Ischl, 15.2.2015

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Ökologische und soziale Katastrophe macht Gaza unbewohnbar

Dieser Beitrag von Annette Groth und Wiebke Diehl erschien zuerst in 
der Zeitschrift BIG Business Crime 01/2015.

Die im letzten Herbst von den Vereinten Nationen ernannte 
Untersuchungskommission, die einen Bericht über den letzten Gaza-Krieg 
vom Sommer 2014 und seine Auswirkungen erstellen soll, ist auch damit 
beauftragt worden, die durch den Krieg verursachten Umweltschäden im 
Gazastreifen zu untersuchen. Auf Bitte der Umweltbehörde Palästinas 
soll das Team vor Ort die langfristigen und gefährlichen, aus dem 
Angriff der israelischen Armee resultierenden Umweltprobleme erkunden, 
welche die ohnehin seit Jahrzehnten sich verschlimmernde 
Umweltkatastrophe in dem Gebiet massiv verschärft haben.

Der 51 Tage andauernde Krieg gegen den Gazastreifen vom Sommer 2014 
wurde mit einer zuvor noch nie dagewesenen Massivität und Brutalität 
geführt. Auf palästinensischer Seite haben über 2 000 Menschen ihr 
Leben verloren, der allergrößte Teil davon Zivilist/innen. Auf 
israelischer Seite starben über 70 Personen. Die israelische Armee 
warf während des Krieges über 20 000 Tonnen unterschiedlichster Arten 
von sehr gefährlichen und international verbotenen Bomben über dem 
Gazastreifen ab. Der Küstenstreifen ist mit seinen 365 qkm Größe und 
etwa 1,8 Millionen Einwohnern eines der am dichtesten besiedelten 
Gebiete weltweit. Über 11 000 Palästinenser/innen wurden während des 
Krieges verletzt, viele davon schwer, außerdem hat der Krieg etwa 110 
000 Zivilist/innen zu Binnenflüchtlingen gemacht.

Acht medizinische Einrichtungen wurden durch die Angriffe völlig 
zerstört, viele weitere beschädigt. 17 von 32 Krankenhäusern waren in 
Folge der Angriffe nicht mehr funktionstüchtig, sechs mussten komplett 
geschlossen werden. Das einzige Kraftwerk im Gazastreifen wurde 
ebenfalls durch die israelische Armee zerstört. Inzwischen ist es zwar 
wieder funktionstüchtig, jedoch nur in sehr eingeschränktem Maße. 
Allein im Bereich der Landwirtschaft hat der Krieg eine so große 
Verwüstung hinterlassen, dass der entstandene Schaden auf etwa 550 
Millionen Dollar geschätzt wird. Den Menschen mangelt es neben den 
Materialien für den Wiederaufbau ihrer Häuser und der Infrastruktur 
weiterhin an Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischem Gerät.

Inzwischen hat der Wintereinbruch die ganze, von Krieg und Zerstörung 
heimgesuchte Region mit den vielen Millionen Flüchtlingen fest im 
Griff. Im Gazastreifen erfrieren Menschen, weil sie kein Dach über dem 
Kopf haben und nicht in der Lage sind, insbesondere kleine Kinder und 
Babys vor der Kälte zu schützen.

Der Gazastreifen leidet seit Jahren unter massiven Umweltproblemen, 
die durch den letzten Krieg noch einmal stark verschlimmert wurden. 
Insbesondere in den Bereichen Wasser-, Abwasser und Müllsystem hat die 
Katastrophe bereits ein solches Ausmaß angenommen, dass selbst 
Spezialist/innen kaum noch Lösungen finden und davor warnen, dass die 
Lebensgrundlage für die Menschen im Gazastreifen schon bald 
irreparabel zerstört ist.

Laut einem UN-Bericht („Gaza in 2020 – A liveable place?“) wird der 
Gazastreifen im Jahr 2020 unbewohnbar sein. Zu diesem Zeitpunkt wird 
sich die Bevölkerung von Gaza auf 2,1 Millionen erhöht haben, so die 
zugrunde gelegte Schätzung aus dem Jahr 2012, dem Erscheinungsjahr des 
Berichts. Seither hat sich die Bevölkerung des Gebiets tatsächlich um 
etwa 0,2 Millionen Menschen erhöht – dies entspricht dem zugrunde 
gelegten Bevölkerungswachstum von 2,9 Prozent. Sowohl die vorhandene 
Infrastruktur, Strom, die kommunalen Dienstleistungen wie z.B. Wasser- 
und Abfallbewirtschaftung und die sozialen Dienste als auch 
lebensnotwendige Ressourcen wie insbesondere trinkbares Wasser sind 
bereits heute Mangelware. Diese Krise verschärft sich ständig weiter, 
weil es im Gazastreifen keinerlei Möglichkeit gibt, die zur Verfügung 
stehende Menge an Energie, Wasser und Dienstleistungen der schnell 
wachsenden Bevölkerung anzupassen. Dies wird irgendwann – und 
wahrscheinlich schon in wenigen Jahren – dazu führen, dass Menschen im 
Gazastreifen nicht mehr leben können.

Diese Entwicklung vollzieht sich selbst in Zeiten, in denen keine 
offenen Kriege gegen das Gebiet und seine Bevölkerung geführt werden. 
Massiv verschärft wird die Katastrophe durch die im Jahre 2007 über 
den Gazastreifen verhängte Blockade. Sie schneidet das Gebiet und 
seine Bevölkerung vom Rest der Welt ab; sowohl der Import in das als 
auch der Export aus dem Gebiet sind seither – zumindest auf normalem 
Wege – unmöglich. Allein durch die Tunnel zwischen dem Gazastreifen 
und Ägypten hatte sich über die Jahre ein reger, wenn auch 
selbstverständlich nicht geregelter, Handel entwickelt. Aufgrund der 
Tatsache, dass der Schmuggel von Waren in der Illegalität und unter 
großen Gefahren für die Akteure stattfand, waren die Preise 
insbesondere für Nahrungsmittel und Medikamente immens.

Viele Schmuggler und Händler bereicherten sich auf Kosten der 
Bevölkerung, die sich Essen und andere lebensnotwendige Produkte kaum 
noch leisten konnte. Die Tunnel waren jedoch lange Zeit die einzige 
Verbindung zur Außenwelt, über die die Bevölkerung von Gaza – neben 
den Hilfsleistungen insbesondere von UNRWA, dem Hilfswerk der 
Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge, sowie von anderen 
Hilfsorganisationen – an Materialien und Produkte kam, mit deren Hilfe 
sie ihr Leben bestreiten konnte. Seit der Zerstörung eines Großteils 
der Tunnel durch die ägyptische Regierung und deren Militär ist auch 
diese Lebensader gekappt. Die Zerstörung der Tunnel sollte offiziell 
den Schmuggel zum Beispiel von Waffen in das Gebiet sowie das 
Eindringen radikaler Islamisten und Krimineller nach Ägypten 
unterbinden. Mit der Zerstörung der Tunnel wurde aber zugleich 
zumindest in Kauf genommen, dass sich auch die Hilfebedürftigkeit der 
Bevölkerung von Gaza in beträchtlichem Maße erhöhte.

Der isolierte Gazastreifen lebt nur noch durch Finanzierung von außen. 
44 Prozent der Bevölkerung in Gaza waren bereits vor dem letzten Krieg 
von Ernährungsunsicherheit betroffen oder der Ernährungsunsicherheit 
nahe. 88 Prozent der Haushalte erhielten Hilfsleistungen und 39 
Prozent der Bevölkerung lebten unterhalb der Armutsgrenze. 
Hauptursache für die humanitäre Katastrophe der Bevölkerung von Gaza 
ist, so stellt der UN-Bericht ganz eindeutig heraus, die anhaltende 
Blockade des Gazastreifens.

Kein Trinkwasser und die Gefahr irreparablen Schadens

Der UN-Bericht, der von einer gleichbleibenden Entwicklung ausgeht und 
damit die massive Verschlechterung der Lage, die durch den letzten 
Gaza-Krieg entstanden ist, gar nicht mit einbeziehen konnte, betont 
besonders den Mangel an trinkbarem Wasser und die hierdurch 
entstehenden Auswirkungen auf die Menschen und die Umwelt in Gaza. Der 
Bedarf an Wasser werde bis zum Jahre 2020 um 60 Prozent steigen – bei 
gleichzeitig zunehmender Verseuchung des Wassers unter anderem durch 
Abwässer und in der Landwirtschaft verwendetem Dünger. Bereits die 
Hälfte der getesteten Kinder aus dem Gazastreifen weist einen Mangel 
an roten Blutkörpern auf, wodurch unterschiedlichste Krankheiten 
hervorgerufen werden können.

Noch schlimmer: Der Bericht weist nach, dass es bereits 2016 im 
Gazastreifen kein trinkbares Wasser mehr geben wird. Und ab 2020 werde 
gar jede Möglichkeit verspielt sein, diese Entwicklung noch rückgängig 
zu machen. Der Schaden wäre dann also irreparabel und der Gazastreifen 
kein potentieller Lebensraum mehr. Bereits heute verfügen die meisten 
Haushalte im Gazastreifen über kein oder nicht ausreichend Trinkwasser 
und selbst die ausgesprochen geringen verfügbaren Mengen sind 
verseucht. Da im Gazastreifen Regenfall eher eine Seltenheit ist, muss 
zur Versorgung der Bevölkerung in erster Linie auf das Grundwasser 
zurückgegriffen werden. Da in Folge dessen in den letzten Jahrzehnten 
bereits viel zu viel Grundwasser abgepumpt wurde (oder vielmehr 
abgepumpt werden musste), dringt zunehmend Meerwasser in die 
Grundwasservorräte ein.

Durch den 51-tägigen Gaza-Krieg hat sich die Lage noch einmal deutlich 
verschärft: Die Wasser- und Abwasser-Systeme sind zu 70 Prozent 
beschädigt worden, so Dr. Amal Sarsour in einem Bericht des 
Gouverneurs von Gaza kurz nach dem Krieg – genau wie die 
Abwasserpumpstation und die Kläranlagen. Selbst die nicht beschädigten 
Pumpstationen fielen durch den Mangel an Gas und Strom immer wieder 
aus, was eine zusätzliche Verschärfung der Situation zur Folge habe. 
Von der teilweisen Funktionsunfähigkeit der Wasserleitungen seien 700 
000 Menschen betroffen.

Auch durch die von der israelischen Armee auf den Gazastreifen 
abgefeuerten unterschiedlichen Arten von Bomben und anderen Geschossen 
wie Streubomben, DIME-Bomben (Dense Inert Metal Explosives) und 
Phosphorbomben sei eine neue Gefahr für die Menschen, aber auch für 
die Umwelt, entstanden. Die in der Munition enthaltenen Substanzen 
hätten sich mit der Erde vermischt – eine Entwicklung, die durch den 
nun im Winter fallenden Regen wohl noch einmal immens beschleunigt 
wird – und drohten so, das Grundwasser weiter zu vergiften. 
Ungereinigte Abwässer stellen eine große Gefahr ebenso für die Umwelt 
wie für die Gesundheit der Bevölkerung dar und tragen ihren Teil dazu 
bei, dass das Grundwasser immer unbrauchbarer wird.

Die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Menge Wasser am Tag 
pro Person beträgt mindestens 100 Liter. Vor dem Gaza-Krieg standen 
der Bevölkerung des Gazastreifens allerdings nur 60-70 Liter pro 
Person zur Verfügung, bedingt durch den Krieg sind es laut Dr. Amal 
Sarsour heute in einigen Gebieten nur noch 3 Liter pro Tag.

Verseuchtes Meerwasser

Bereits vor dem Gaza-Krieg wurden die Bewohner des Gazastreifens davor 
gewarnt, im Meer zu baden. Schon damals erklärte die palästinensische 
Umweltbehörde, dass die meist ungeklärten, ins Meer fließenden 
Abwässer dazu führten, dass sich gefährliche Viren, Bakterien und 
Parasiten im Meerwasser befänden und damit das Risiko von Krankheiten 
und Epidemien bestehe. Auch die Fischbestände, eine der wichtigsten 
Einkommensquellen im Gazastreifen, werden dadurch verseucht und 
stellen ein ernstes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung Gazas dar. 
Tausende Fischer/innen, die ohnehin nur sehr eingeschränkt agieren 
können, da sie nicht mehr als drei nautische Meilen aufs Meer fahren 
dürfen (damit sind 85 Prozent der Meeresgebiete, die in den Osloer 
Abkommen den Palästinenser/innen zugesagt worden waren, für die 
palästinensische Bevölkerung nicht zugänglich) und bei 
„Zuwiderhandlungen“ von der israelischen Armee beschossen werden, sind 
so quasi erwerbsunfähig und können sich und ihre Familien kaum 
ernähren. Parallel dazu wird den Palästinenser/innen der Zugang zu 17 
Prozent des Gazastreifens verwehrt, da die israelische Regierung diese 
Gebiete zu „Pufferzonen“ erklärt hat. Davon betroffen sind 35 Prozent 
der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Als die palästinensische 
Umweltbehörde ihre Warnung an die im Gazastreifen lebenden Menschen 
aussprach, waren bereits 35 – 45 Prozent des Meerwassers kontaminiert. 
Durch den israelischen Angriff auf den Gazastreifen hat sich dieser 
Wert auf 70 Prozent erhöht. Auch vor dem Gaza-Krieg konnten nur 25 
Prozent des Abwassers behandelt und beispielsweise in der 
Landwirtschaft verwendet werden. Wegen der in Folge des letzten 
Krieges zum Teil schwer beschädigten Abwasser- und Klärsysteme mangelt 
es den Palästinenser/innen in noch höherem Maße als zuvor an 
Vorrichtungen, das Abwasser zu behandeln. Täglich werden nach Angaben 
der Umweltbehörde von Gaza bis zu 100 000 Kubikmeter unbehandeltes 
Wasser im Mittelmeer „entsorgt“. Die daraus resultierenden 
Auswirkungen werden irgendwann auch anderswo spürbar sein und sich 
keinesfalls auf das Meerwasser direkt vor Gaza beschränken.

Gefährliche Abfälle

Dr. Amal Sarsour geht in ihrem Bericht zudem detailliert darauf ein, 
dass im Gazastreifen keine effektive Abfallwirtschaft existiert und es 
selbst an der Bodenfläche mangelt, den Minimalstandards entsprechende 
Mülldeponien zu errichten. Auch hier habe sich die Situation durch den 
Gaza-Krieg extrem verschärft: Müllfahrzeuge seien beschädigt und der 
Zugang zu den vorhandenen Mülldeponien blockiert worden. Dies führe 
dazu, dass an 16 inoffiziellen Stellen Abfall entladen und ein Volumen 
von 76 000 Tonnen Müll erreicht worden sei, der bei den vorhandenen 
Mülldeponien abgeladen wurde. Hinzu kämen weitere 20 000 Tonnen Müll, 
die auf provisorischen Müllhalden angehäuft wurden.

Nicht vergessen werden darf auch die riesige Menge an zum Teil 
kontaminiertem Schutt und Trümmern, die durch die schrecklichen und 
massiven Zerstörungen im Gaza-Krieg entstanden ist. Die Menschen, die 
nun obdachlos sind und denen es an Materialien fehlt, ihre Häuser 
wieder zu errichten, werden zudem noch durch diese geschätzten 2 
Millionen Tonnen Schutt, von denen niemand weiß, wie und wo sie 
entsorgt werden sollen, in ihrer Gesundheit bedroht. Zum Vergleich: 
nach dem Gaza-Krieg von 2008/2009, nach dem sich kaum einer vorstellen 
konnte, es könne ein noch massiverer, brutalerer und zerstörerischer 
Angriff folgen, waren es etwa 600 000 Tonnen Schutt.

Luftverschmutzung

Die in vielen Fällen international geächteten Bomben und anderen 
Geschosse, die die israelische Armee während des Krieges gegen die 
Bevölkerung des Gazastreifens eingesetzt hat, haben über 2000 Menschen 
getötet und tausende schwer verletzt. Als wäre dies nicht genug, haben 
diese 20 000 Tonnen schadstoffhaltiger Munition aber auch noch 
langfristig die Umwelt verschmutzt und den Bewohnern Gazas so ein 
weiteres Stück ihrer Lebensgrundlage und ihrer Zukunft geraubt. Die in 
den Boden eingedrungenen Schadstoffe werden wiederum vom Wind 
aufgewirbelt und reichern so die Luft mit giftigen Partikeln an.

Besonders die uranhaltige Munition birgt die Gefahr in sich, bei der 
Bevölkerung, die das Uran inhaliert, Missbildungen und Krankheiten 
hervorzurufen. Davon betroffene schwangere Frauen gebären in vielen 
Fällen Kinder mit Missbildungen oder Krebs.

Toxische Gase gelangten laut Dr. Amal Sarsour auch durch den Beschuss 
des einzigen Elektrizitätswerks im Gazastreifen in die Luft. Zwei 
Millionen Liter Diesel seien in der Folge verbrannt; riesige 
Rauchwolken seien in die Luft gestiegen und hätten zu zahlreichen 
schweren Erkrankungen der Atemwege geführt. Kombiniert mit der 
Tatsache, dass die Krankenhäuser und Krankenstationen im Gazastreifen 
nur noch eingeschränkt funktionsfähig oder gar zerstört sind, werden 
selbst vergleichsweise ungefährliche Krankheiten für die Menschen zu 
einer nicht zu bewältigenden Katastrophe und können Kindern und 
älteren Menschen den Tod bringen.

Viel zu wenige Ärzt/innen und Pflegepersonal sind vor Ort, um die 
durch die Umweltkatastrophe erkrankten oder im Krieg oft schwer 
verletzten Menschen zu versorgen. Hinzu kommt der Mangel an Strom: 12 
bis 16 Stunden, manchmal gar bis zu 20 Stunden pro Tag bricht die 
Stromversorgung zusammen. Bereits vor dem Krieg vom Sommer 2014 
mussten die Krankenhäuser in Gaza regelmäßig auf Notstromaggregate 
zurückgreifen, Operationen können häufig wegen des Mangels an Strom 
nicht durchgeführt werden. Eine Behandlung im Ausland ist teuer und 
oft unmöglich, weil den Betroffenen von den israelischen oder 
ägyptischen Behörden die Ausreise verweigert wird.

Die Gaza-Blockade muss endlich aufgehoben werden

Da die meisten für den Wiederaufbau genau wie für die allgemeine 
Instandhaltung der Infrastruktur benötigten Materialien und 
natürlichen Ressourcen im Gazastreifen nicht vorhanden sind, ist die 
dortige Bevölkerung auf Importe angewiesen. Die von der israelischen 
sowie der ägyptischen Regierung verhängte Blockade gegen den 
Gazastreifen verhindert aber in großem Stil, dass neben so 
lebensnotwendigen Gütern wie Nahrung, Medikamenten und medizinischem 
Gerät auch Treibstoff und Materialien für den Wiederaufbau, 
insbesondere Zement, nach Gaza gelangen können.

Die bei einer im Oktober 2014 in Kairo abgehaltenen Geberkonferenz für 
den Wiederaufbau des Gazastreifens zugesagten 4,3 Milliarden Euro 
können in Folge der Weigerung der israelischen Regierung, wenigstens 
ein Mindestmaß an Materialien und Produkten über die Grenzübergänge zu 
lassen, nicht abgerufen werden. Dass den Menschen so ihre 
Lebensgrundlage vorenthalten wird und sie weiterhin in den Ruinen des 
letzten Gaza-Krieges leben müssen, ist ein Verbrechen und verstößt 
gegen alle internationalen Standards.

Es ist die Pflicht der internationalen Gemeinschaft und insbesondere 
der Politik, die gebetsmühlenartig wiederholt, dass eine 
Friedenslösung im Nahen Osten gefunden werden und internationales 
Recht durchgesetzt werden müsse, dass sie ihren Worten endlich Taten 
folgen lässt und sich nachdrücklich dafür einsetzt, dass die 
Gaza-Blockade beendet wird. Wenn nicht sehr schnell die Bedingungen 
geschaffen werden, die schon fast unaufhaltsame Entwicklung in Gaza 
rückgängig zu machen, besteht für die Menschen in dem kleinen 
Küstenstreifen die ganz akute Gefahr einer langfristigen Zerstörung 
ihrer Lebensgrundlage. Nur wenn endlich gemeinsam dafür gestritten 
wird, dass wirksame Techniken in den Gazastreifen gelangen und dort 
auch angewandt werden können, ist eine lebenswerte Zukunft für Gaza 
und die dort lebenden Menschen mehr als reine Utopie.

Es kann kaum noch die Rede davon sein, dass der Gazastreifen ein 
bewohnbarer Ort bleiben soll – vielmehr muss er wieder dazu gemacht 
werden. Die im Zwei-Jahres-Rhythmus gegen Gaza und die dort lebenden 
Menschen geführten Kriege werfen das Gebiet jedes Mal und mit jedem 
Angriff in höherem Ausmaß noch weiter zurück, als dies selbst ohne die 
israelischen Angriffe aufgrund mangelnder Mittel und der 
demographischen Entwicklung ohnehin der Fall wäre. Es ist aber in sehr 
hohem Maße auch die völkerrechtswidrige Blockade gegen den 
Gazastreifen und seine Bevölkerung, die die heute vorherrschende und 
spätestens im Jahr 2020 unumkehrbare Katastrophe verschuldet hat.

Selbst der Deutsche Bundestag, der sich wie die deutsche Politik im 
Allgemeinen aufgrund der deutschen Geschichte schwertut, klare Worte 
zum israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden, hat im Juni 2010 
einmütig die Bundesregierung dazu aufgefordert, mit Nachdruck auf ein 
Ende der Gaza-Blockade hinzuwirken. Geschehen ist seitdem kaum etwas. 
Die Menschen in Gaza aber haben ein Recht darauf, mit der Misere, für 
die auch die internationale Gemeinschaft eine Mitverantwortung trägt, 
nicht allein gelassen zu werden. Andernfalls wird der Gazastreifen 
nicht einfach still weiter zugrunde gehen, sondern explodieren. Dies 
wäre ohne Zweifel weder der Sicherheit Israels noch der gesamten 
Region des Nahen Ostens zuträglich.

Die Bundesregierung und die EU müssen sich endlich dafür einsetzen, 
dass die Infrastruktur im Gazastreifen so schnell wie möglich 
repariert und modernisiert wird. Es ist absolut dringlich, die 
Abwässer zu reinigen und zu diesem Zweck Kläranlagen für den gesamten 
Gazastreifen zu bauen. Die bereits vorhandenen Kläranlagen müssen 
wiederhergestellt und modernisiert werden. Die internationale 
Gemeinschaft muss es zu ihrer obersten Priorität machen, die 
fortschreitende Kontaminierung des Grundwassers in Gaza und die 
katastrophale Vergiftung des Meerwassers zu beenden sowie die bereits 
entstandenen Schäden zu beheben.

Die Lebensgrundlage der Landwirt/innen und der Fischer/innen muss 
genau wie die der restlichen Bevölkerung des Gebiets gesichert werden. 
Autarke und nachhaltige regenerative Erzeugungsanlagen, 
Solarkollektoren und der Bau von Windkraftanlagen sind eine notwendige 
Voraussetzung, um eine dauerhafte Energieversorgung zu gewährleisten 
und so die fatale Entwicklung im Gazastreifen zu stoppen. Die völlig 
maroden Wasserleitungen müssen saniert werden, um so die massiven 
Wasserverluste zu verringern. Damit kann die Grundwasserentnahme 
deutlich reduziert und das Eindringen von Meerwasser gestoppt werden. 
Gleichzeitig muss das Abwassersystem in Gaza modernisiert, 
Abwasserleitungen müssen gebaut und ausgetauscht werden.

Insgesamt sollte ein ökologisches Infrastrukturprogramm für Gaza 
aufgelegt werden, das die Lebensgrundlage der Menschen nachhaltig 
sichert. Zielführend kann all dies aber nur sein, wenn gleichzeitig 
die israelische Regierung die gesperrten Flächen endlich freigibt, 
damit in diesen Bereichen eine landwirtschaftliche Nutzung für die 
eigenständige Sicherstellung von Nahrungsproduktion für die Menschen 
in Gaza entstehen kann. Langfristig wird in Teilen von Gaza die 
Dekontaminierung von Böden angegangen werden müssen, damit sich die 
gesundheitliche Situation für die Bevölkerung nachhaltig verbessert. 
Für die Gaza-Solidaritätsbewegung ist es deshalb wichtig, 
internationale Natur- und Umweltverbände einzubeziehen. Alle gemeinsam 
müssen sich für eine schnelle Bekämpfung der sich immer weiter 
zuspitzenden Umweltsituation einsetzen und ein ökologisches 
Sanierungsprogramm für die Erhaltung der Lebensgrundlage von mehr als 
2 Millionen Menschen initiieren.

Zu den Autorinnen:

Annette Groth ist Diplomsoziologin und Mitglied des Deutschen 
Bundestags. Sie ist menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion 
Die Linke.

Wiebke Diehl studierte Islamwissenschaften und ist wissenschaftliche 
Mitarbeiterin von Annette Groth.

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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