[E-rundbrief] Info 1408 - Gottfried Hochstetter - Lebenslauf, Ansprache
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Di Feb 10 16:22:23 CET 2015
E-Rundbrief - Info 1408 - Lebenslauf von Gottfried Hochstetter;
Mag. Waltraud Mitteregger: Verabschiedungsansprache für Gottfried
Hochstetter, Bad Aussee, 31.1.2015.
Bad Ischl, 10.2.2015
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Lebenslauf von Gottfried Hochstetter
geboren am 30. Mai 1935 in Wien
verstorben am 20. Dezember 2014 in Bad Aussee
Als Zweiter von 3 Söhnen von Ada & Dr. Armin Hochstetter.
Wohlbehütete, frühe Kindheit in Wien in gutbürgerlichem, künstlerisch
geprägtem Familienumfeld. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges flieht
die Mutter mit den 3 Kindern via Dürnstein bis nach Grundlsee.
Der Vater ist als Soldat im Krieg und kehrt erst nach der
Gefangenschaft – wie auch bereits im Ersten Weltkrieg – später zur
Familie zurück.
Grundschule in Grundlsee mit allen Entbehrungen der letzten
Kriegsmonate und der folgenden Nachkriegsjahre wurden durchlebt.
Die Eltern beginnen nach kurzer Mitarbeit bei der Druckerei Mautner,
ihr eigenes Unternehmen aufzubauen.
Gottfried beendet seine (unbefriedigende) Schulkarriere mit Internat
in der Stadt Salzburg und beginnt zuerst als KFZ Mechaniker eine Lehre
in Bad Aussee seine Berufsausbildung. Tritt dann in das elterliche
Unternehmen ein und wird dieses schließlich übernehmen und bis zu
seiner eigenen Pensionierung mit sehr viel persönlichem Einsatz
fortführen.
Seine Geschwister studieren Technik & Musik und folgen den beruflichen
Möglichkeiten in die Schweiz sowie nach Kärnten.
Die Fotografie und damit Momente festzuhalten, die für die meisten
nicht erkennbar waren, hat ihn sein Leben lang begeistert und begleitet.
Anfang der 1960er Jahre lernt er seine Frau Christl (geb Chiari)
während ihrer „Sommerfrische“ in Gössl kennen und lieben.
Nach der Hochzeit und Hausbau kommen die Kinder Elisabeth (1963),
Hanna (1965) und Heinz (1969) zur Welt.
Neben den beruflichen und familiären Herausforderungen findet er nur
wenig Zeit für sich und seine persönlichen Interessen. Die umliegenden
Berge und die dafür große gemeinsame Leidenschaft mit seiner Christl
füllen die spärliche Freizeit voll und ganz aus.
Nach der Übernahme der Handdruckerei und schönen wirtschaftlichen
Erfolgen in den 70ern versterben seine Eltern 1976 & 1978.
Sylvester 1977 kommt Tochter Agnes zur Welt.
Diese Zeit ist wohl ein zweiter Start in seinem Leben gewesen.
Sein ohnehin kritischer Geist erblüht und ein prall gefüllter und an
Erlebnissen reicher 2.er Lebensabschnitt hat begonnen.
In dieser Zeit beginnt Gottfried seine persönlichen Interessen auch
auszuleben.
Er liest Unmengen an kritischer Literatur und beginnt unser ganzes
Konsum und Wirtschaftssystem in Frage zu stellen.
Aktivitäten von anti AKW / Zwentendorf 1978, über Hainburg 1984 oder
Wackersdorf – sowie die Errichtung seiner Alternativbibliothek 1981
bis zur Gründung der ALIBADA 1985(Alternative Liste Bad Aussee) waren
die markanten Eckpunkte seines zweiten, von Politik geprägten
Lebensabschnittes. Bis zu seinem Lebensende war er aktiver Gemeinderat
in Bad Aussee, 2 Jahre davon auch Vizebürgermeister. Unzählige
Aktivitäten - von Elternvereinsobmann bis Pfarrgemeinderat, von
Demonstrationen national und international und die volle Überzeugung
global zu denken, aber lokal zu handeln - war es ihm eine Pflicht und
Leidenschaft vor Irrwegen zu warnen und Fehler zu hinterfragen und
auch aufzudecken.
Die Familie – und da besonders auch seine Frau hatten es bis zu
seiner Pensionierung oft nicht leicht, die Vielzahl seiner Engagements
und seine kritische (oft nicht verstandene) Art mit zu tragen.
Seine Leidenschaft, brisante Themen pointiert und humorvoll - kritisch
zu hinterfragen und unkonventionell aufzuzeigen, haben vielen im nahen
und fernen Umfeld die Augen geöffnet und ihren Lebensweg beeinflusst.
Seine Hilfsbereitschaft und offene Einstellung hat ihm viele schöne,
aber auch sehr belastende Momente im seinem Leben geboten.
In der Zeit der gemeinsamen Pension hat er unglaublich viel Zeit in
einer herzlichen Partnerschaft mit seiner Christl verbracht.
Unzählbar viele Wanderungen, Ausflüge, Reisen oder „Bauprojekte“ rund
um ihr zu Hause am Schwabenwald in Aussee, eine Schar an Enkeln,
Neffen oder Nichten, Freunden & Nachbarn haben von Gottfried einen
anderen Reichtum kennenlernen dürfen, der sie durch ihr weiteres Leben
begleiten wird.
Der viel zu frühe Tod seiner Christl im Jahr 2005 hat ihn nicht
verzweifeln lassen – sondern er genoss noch knappe 10 Jahre
Lebensfreude. Die letzten 3 Jahre, geprägt von Alter und Krankheiten
haben Gottfried bis zuletzt fröhlich, interessiert und offen sein lassen.
Seine künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten und die
Besessenheit aus „Nichts“ – wieder „Viel“ zu machen, sind
unvergesslich. Ob Wasserverschwendungsmaschine für einen guten Zweck,
künstlerische Plakate, sein „Hütteldorf“, Fotoinszenierungen und
vieles mehr sind uns in bleibender Erinnerung geblieben.
Seine Konsequenz und Härte – die ihn in seiner ersten Lebenshälfte oft
in seiner Freiheit eingeschränkt haben, wurde abgelöst von einer
besonderen Güte, Geduld, Humor in Leidenschaft & Freude leben zu
können und andere für diese Lebenseinstellung zu begeistern. Gottfried
hat all seine Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten mit dieser
Einstellung positiv beeinflusst.
Danke dir lieber Gottfried, Papi, Opi, Opapa, Großpapa oder auch „Herr
Hochstetter“
Das Leben war ihm eine Freude!
Bad Aussee im Jänner 2015
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Verabschiedung
Gottfried Hochstetter
Bad Aussee, 31.1.2015
Mt. 5, 1-12 – Die Seligpreisungen
1 Als er aber das Volk sah, ging er auf einen Berg und setzte sich;
und seine Jünger traten zu ihm.
2 Da redete er zu ihnen und lehrte sie:
3 Selig sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn das
Himmelreich gehört ihnen.
4 Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind, die auf Gewalt verzichten, denn sie werden die ganze
Erde besitzen.
6 Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie
sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen, denn Gott wird auch mit ihnen
barmherzig sein.
8 Selig sind die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen.
9 Selig sind die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, sie
werden mit Gott in seinem Reich leben.
11 Selig seid ihr, wenn ihr verachtet, verfolgt und zu Unrecht
verleumdet werdet, weil ihr mir nachfolgt.
12 Seid fröhlich und getrost, denn im Himmel werdet ihr reich dafür
belohnt werden.
Gebet: Herr, sprich du durch dein Wort zu uns, tröste und ermutige
uns! Amen.
Liebe Trauerfamilie!
Große Trauergemeinde!
In den Seligpreisungen spricht Jesus im Widerspruch, im Paradoxon.
Denn wie geht es zusammen, dass jene selig, ja glückselig gepriesen
werden, die Leid tragen, die auf Gewalt verzichten, die um der
Gerechtigkeit willen verfolgt werden?
Wie ist das zu verstehen? – Die Seligpreisungen sind eine ganz
besondere Art über das Reich Gottes zu sprechen. In den
Seligpreisungen tut Jesus einen Blick in den Himmel. Ja, die
Seligpreisungen sind wie Fenster in den Himmel.
Der Blick Jesu geht weiter, über den Horizont unseres irdischen Lebens
hinaus. Denn die Traurigen sind nicht fröhlich. Aber wenn wir mit
Gottes und Jesu Augen über die Zeit der Trauer hinausschauen, dann
sehen wir, wie schön es ist, wenn unsere Tränen abgewischt werden und
wenn wir getröstet werden.
Das ist so, wie uns unsere Mutter auf den Schoß genommen und liebevoll
getröstet hat. So will Gott euch auch in eurer Trauer trösten. Gott
wird alle unsere Tränen abwischen und es wird kein Leid und kein
Schmerz mehr sein, wird uns in der Offenbarung des Johannes verheißen.
Selig sind, die auf Gewalt verzichten, denn sie werden die ganze Erde
besitzen. Diese Seligpreisung ist ein Wohlklang, sie macht Hoffnung in
den Nachrichtenwolken über Terror, Antisemitismus und
Fremdenfeindlichkeit, die wir in diesen Tagen ständig hören. Gibt es
eine schönere Verheißung angesichts des vielfältigen Leides in der Welt?
Am Schluss werden nicht die gewinnen, die auf Gewalt und Terror
setzen, sondern die Gewinner werden all jene sein, die auf Gewalt
verzichten. Das können wir heute schon immer wieder und ganz berührend
erleben. Und Jesus verheißt uns, dass wir das in Gottes Reich in
Vollkommenheit erleben werden. Dann werden alle geschundenen Menschen
und die geschundene Schöpfung glückselig sein!
Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie
sollen satt werden. Dieses Wort trifft in besonderer Weise auf
Gottfried Hochstetter zu. Er hatte eine große Sehnsucht nach
ökologischer, sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit.
Und alle drei Aspekte hängen zusammen. Er hat sich intensiv mit den
Auswirkungen unseres Konsum- und Wirtschaftssystems auseinandergesetzt
und die Probleme nicht ausgeblendet oder verdrängt, sondern nach
Alternativen gesucht.
Und für diese Alternativen hat er gekämpft, für diese Alternativen hat
er sich eingesetzt, diese Alternativen hat er umgesetzt –
intellektuell und handwerklich - wie bei der
Wasserverschwendungsmaschine für einen guten Zweck.
Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie
sollen satt werden. Glückselig sind alle, die sich gegen die
Zerstörung und für die Bewahrung unserer Schöpfung einsetzen. Nur mit
ihnen können wir die Lebensgrundlagen für unsere Kinder und Enkel
erhalten. Nur mit ihnen können wir die Zukunft gewinnen.
Das ist ein Auftrag, der über alle Parteigrenzen hinweg für uns alle
gültig ist.
Selig sind die Barmherzigen, denn Gott wird auch mit ihnen barmherzig
sein. Gottfried Hochstetter war sehr hilfsbereit, auch wenn er sogar
dafür hat manchmal keinen Dank geerntet hat, darf seine Familie jetzt
gewiss sein, dass Gott ihm all das Gute, das er anderen getan hat,
vergelten wird. Das gilt auch für uns. Gott sieht und kennt unser
Herz. Er will uns mit seiner Liebe zu barmherzigen Menschen machen für
alle, die Hilfe brauchen.
Selig sind die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder
nennen. Frieden ist nur möglich, wenn wir mit Respekt aufeinander
zugehen. Dieser Respekt ist von allen Seiten gefordert, von Zeitungen,
die Karikaturen abdrucken genauso wie von Christen, Muslimen und
Anhängern anderer Weltdeutungssysteme. Besser als den anderen zu
provokant zu karikieren ist es, zu versuchen in seinen Moccassins zu
gehen. Nur dann werden wir ihn verstehen lernen.
Nicht Abgrenzung, sondern gegenseitiger Respekt ist gefordert! Und der
Mut, dafür die Stimme zu erheben.
Gefragt sind Querdenker, die gegen den Strom schwimmen. Sie sind
unbequem, wie Gottfried Hochstetter. Aber wir brauchen Menschen, die
den Mut haben, gegen den Mainstream zu schwimmen und ihre Meinung auch
kritisch und markant zu sagen.
Wir brauchen Menschen, die aufstehen und sagen, hier spielen wir nicht
mit, wir brauchen bessere Lösungen, es gibt zukunftsfähigere Lösungen.
Wie Gottfried Hochstetter – in Hainburg, in Zwentendorf, in
Wackersdorf, im Ennstal oder in Bad Aussee.
Auch wenn dieses Engagement Angriffe und Schwierigkeiten für die
eigene Person und die Familie mit sich bringt. Denn dann gilt uns die
Verheißung Jesu:
Glückselig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, sie
werden in Gottes Reich leben.
Widerstand und Widerständigkeit waren ein Kennzeichen von Gottfried
Hochstetter. Seine humorvollen und kritischen Statements erinnern mich
an einen markanten Auftrag Jesu an seine Jünger und Jüngerinnen:
„Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Salz, das die Welt vor dem
Verderben bewahrt, darum nehmt euren Auftrag wahr und verspielt ihn
nicht.“
Diesen Auftrag hat Gottfried Hochstetter mit großem Einsatz und großer
Ausdauer auf einzigartige Weise hier in Bad Aussee, unserer
traditionsträchtigen Salzmetropole, wahrgenommen.
Ihr seid das Salz der Erde – das ist ein Auftrag an uns alle. Möge uns
das Engagement von Gottfried Hochstetter ermutigen, diesen Auftrag für
die Zukunft unserer Erde zu ergreifen.
Denn glückselig sind die, die ihre Stimme für jene erheben, die keine
Stimme haben, und sagen, was Sache ist.
Seid fröhlich und getrost, denn im Himmel werdet ihr reich dafür
belohnt werden.
Amen.
Pfarrerin
Mag. Waltraud Mitteregger
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Weitere Erinnerungen:
E-Rundbrief - Info 1407 - Erinnerungen an Gottfried Hochstetter (Bad
Aussee) -
Maria Reichl, Matthias Reichl, Wolf Ohl: Erinnerungen an Gottfried
Hochstetter aus Bad Aussee/ Steiermark (30.5.1935 - 20.12.2014).
Herausgefordert durch Welt- und Lokalpolitik,
Ergänzung zum Engagement - Aktuell zu Stuttgart 21.
http://lists.horus.com/pipermail/e-rundbrief/2015/001476.html
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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