[E-rundbrief] Info 1363 - Konstantin Wecker zum Propaganda-Journalismus
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Sep 17 15:57:26 CEST 2014
E-Rundbrief - Info 1363 - Konstantin Wecker (D): Wie macht man ein
friedliebendes Volk kriegslüstern? Über den Journalismus in Zeiten wie
diesen.
Bad Ischl, 17.9.2014
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Konstantin Wecker: Wie macht man ein friedliebendes Volk kriegslüstern?
Konstantin Wecker über den Journalismus in Zeiten wie diesen: "Bomben,
die nie geworfen wurden, können platzen wenn sie gemeldet werden - das
sollte als Mahn-Schild auf jedem Schreibtisch in den Redaktionsräumen
der Zeitungen und Fernsehstudios prangen! Warum, glaubt ihr, hören wir
nichts mehr von diesem Flugzeug, das laut BILD ja Putin persönlich vom
Himmel geholt hat?"
Von Konstantin Wecker
8.9.2014
Liebe Freunde,
"Wie wird die Welt regiert und in den Krieg geführt? Diplomaten
belügen Journalisten und glauben es, wenn sie’s lesen."
Karl Kraus, der die Manipulation der Massen in den Kriegszeiten des
ersten Weltkrieges durchschaute und wie kein anderer messerscharf
analysierte, verachtete die meisten Journalisten.
Er verabscheute den "Journalismus und die intellektuelle Korruption,
die von ihm ausgeht, mit ganzer Seelenkraft".
Ich hielt das lange für übertrieben, zumal ich hervorragende und
unbestechliche JournalistInnen kenne und schätze.
Mittlerweile befallen mich Zweifel an meiner Loyalität.
Klar, es gibt sie noch, diese aufrechten Vertreter ihres Fachs. Aber
wo dürfen sie noch schreiben?
Die Propagandamaschine läuft bereits und es ist erschreckend, wie ein
Großteil der Zunft einem Plan zu folgen scheint, der trotz des
Widerspruchs der meisten Leser die Wirklichkeit im Sinne
einflussreicher Geldgeber gestaltet.
"Als einer der Pioniere der Medienkritik hatte Karl Kraus erkannt,
dass die Medien die Wirklichkeit nicht abbilden, sondern erzeugen,
dass Meinungen und Stimmungen nicht einfach entstehen, sondern gemacht
werden", schreiben Matthias Bröckers und Paul Schreyer in ihrem
lesenswerten Buch "Wir sind die Guten" und sie zitieren noch einmal
einen der wichtigsten Sätze von Karl Kraus:
"Ich habe erlebt, wie Krieg gemacht wird, wie Bomben, die nie geworfen
wurden, nur dadurch, dass sie gemeldet wurden, zum Platzen kommen."
Bomben, die nie geworfen wurden, können platzen wenn sie gemeldet
werden - das sollte als Mahn-Schild auf jedem Schreibtisch in den
Redaktionsräumen der Zeitungen und Fernsehstudios prangen!
Warum, glaubt ihr, hören wir nichts mehr von diesem Flugzeug, das laut
BILD ja Putin persönlich vom Himmel geholt hat?
Ich habe keine Ahnung, wie ihr auch, ich kann keine Flugschreiber
auswerten, bin kein Fachmann und war nicht vor Ort - aber immerhin
kann ich eins und eins zusammenzählen. Wem nützte diese Tragödie am
meisten? Und warum wird nun nicht mehr darüber berichtet? Und wenn es
nun bewiesen wäre, dass es die pro-russischen Separatisten gewesen
waren - was für ein Geschrei hätte das gegeben? Bestimmte Zeitungen
würden in ihren Kästen auf der Straße zu kokeln beginnen vor lauter
selbstgerechter Empörung.
Und ich möchte noch eine ganz persönliche Erfahrung hinzufügen: ich
habe in den letzten fast sechs Jahrzehnten in denen ich mich bewusst
mit Nachrichten und Zeitungen beschäftige, nicht annähernd eine
derartige Propagandaschlacht erlebt.
Es erschreckt mich, wenn ich sehe, wie manche Leitmedien mit zum Teil
sehr klugen Leserkommentaren überschüttet werden und sich penetrant
weigern, ihre Leser ernst zu nehmen.
Was ist da passiert? Es ist sicher auch dem Internet zu verdanken,
dass die Leser zu einem großen Teil gebildeter sind als die Reporter.
Aber in diesem Fall ist es einfach auch nur der gesunde
Menschenverstand, der uns, wie es zum Teil aussieht, aberzogen werden
soll.
Wie macht man ein friedliebendes Volk kriegslüstern? Durch Propaganda,
durch Erfindungen, Lügen, durch die Erschaffung eines Feindes.
Man schimpft mich Putinversteher? Ja, gerne, das bin ich.
Aber wer so gern mit Schimpfworten um sich schlägt, sollte sich halt
auch in der Semantik etwas auskennen.
Ein Versteher ist kein Liebhaber, kein Bewunderer, kein Fan, kein
Verehrer. Es kann auch ein Volltrottel sein den man versteht.
Ein Versteher versucht zu VERSTEHEN! Nicht mehr, nicht weniger.
Wie kann so ein Wort ein Schimpfwort werden?
Und am Ende dieser kleinen Glosse soll Egon Bahr zu Wort kommen, einer
der Architekten der Ostverträge Willy Brandts. Eines Mannes, den die
SPD, wie es aussieht, völlig vergessen hat. Dabei kann ihm keiner der
heutigen Mitläufer das Wasser reichen.
"In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder
Menschenrechte. Es geht um Interessen von Staaten. Merken Sie sich
das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt."
Quelle: Hinter den Schlagzeilen - 08.09.2014.
http://hinter-den-schlagzeilen.de/2014/09/08/wie-macht-man-ein-friedliebendes-volk-kriegsluestern/
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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