[E-rundbrief] Info 1158 - Keinen Krieg gegen Palaestina
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Nov 21 18:29:15 CET 2012
E-Rundbrief - Info 1158 - Bundesausschusses Friedensratschlag (Kassel,
D): Keinen Krieg gegen Gaza - Die Eskalation der Gewalt stoppen,
Presseerklärung; Grußbotschaft der Jüdischen Stimme für gerechten
Frieden in Nahost an das Weltsozialforum in Porto Alegre, Brasilien.
Bad Ischl, 21.11.2012
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Keinen Krieg gegen Gaza - Die Eskalation der Gewalt stoppen
Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Hamas und Israel zu Waffenstillstand drängen. Einseitige
Schuldzuweisungen sind fehl am Platz. Ursachen der Gewalt liegen in
israelischer Besatzungspolitik
Kassel, Berlin, Hamburg, Nürnberg, 18. November 2012 - Zur
neuerlichen Explosion der Gewalt im israelisch-palästinensischen
Konflikt erklärten die Sprecher des Bundesausschusses in einer
Stellungnahme:
Die neuerliche Eskalation der Gewalt im israelisch-arabischen
Konflikt, insbesondere zwischen dem Hamas-regierten Gazastreifen und
der rechtsradikalen Regierung in Tel Aviv, kann leicht in einen
größeren Krieg münden, in dessen Verlauf die Menschen im Gazastreifen
Opfer der übermächtigen israelischen Militärmaschine würden.
Erinnerungen an die Militäroffensive im Dez. 2008/Januar 2009, werden
wach. Damals starben über 1.400 Bewohner des Gazastreifens, 65 Prozent
von ihnen Zivilpersonen, Tausende wurden verletzt und verloren ihre
Häuser und Wohnungen. Auf israelischer Seite wurden 13 Todesopfer gezählt.
Die israelische Regierung, die US-Administration, die hohe Vertreterin
der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und die deutsche
Bundeskanzlerin haben in diesen Stunden nichts eiligeres zu tun, als
die im Gazastreifen regierende Hamas zu verurteilen und der
israelischen Regierung ihre Solidarität zu bekunden ?- verbunden mit
der Bitte, sich bei der "Verteidigung" gegen den Hamas-Terror
Zurückhaltung aufzuerlegen. Dieser Politik liegt die Vorstellung zu
Grunde, das bedrohte Israel setze sich gegen die "terroristische
Gewalt" zur Wehr. Alle Militärschläge der israelischen Streitkräfte
seien Reaktionen auf Gewalt, die von der anderen Seite ausginge.
Die Realität sieht anders aus. Was die aktuelle Entwicklung betrifft,
so ist längst nicht ausgemacht, wer den ersten Stein warf und wer nur
reagierte. Nach israelischer Lesart begann alles am Samstag, den 10.
November: "Die gegenwärtige Krise begann am Samstag, als eine
Panzerabwehrrakete aus dem Gazastreifen einen Jeep der Israelischen
Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) traf und vier Soldaten verwundete,
zwei von ihnen schwer." (Information der israelischen Botschaft in
Berlin.) Seither flog die Luftwaffe "Angriffe gegen Ziele im
Gazastreifen, die als Basis für terroristische Aktivitäten dienen".
Und erst am Mittwoch, den 14. November, habe Israel die "Operation
Wolkensäule begonnen", in deren Verlauf der Hamas-Militärchef Ahmed
al-Dschabari gezielt getötet wurde - was wiederum Hamas dazu
veranlasste, die seit dem Vortag bestehende Waffenruhe zu beenden
sowie Raketen in Stellung zu bringen und zahlreich auf israelisches
Gebiet abzufeuern. Das Amt der Vereinten Nationen zur Koordinierung
humanitärer Angelegenheiten OCHA stellte in ihrem jüngsten
Wochenbericht fest, dass die Gewalt schon einige Tage früher datiert.
Bereits am 4. November töteten israelische Soldaten einen 23jährigen
geistig behinderten Palästinenser; erst zwei Stunden später erlaubte
das israelische Militär den Rettungskräften, zum Ort des Geschehens zu
kommen - als jede Hilfe zu spät kam. Und am 8. November drang die
israelische Armee wieder im Gazastreifen ein und eröffnete in der Nähe
von Khan Younis auf offenem Gelände das Feuer und tötete einen
dreizehnjährigen Jungen, der dort spielte. "Der Name der israelischen
Operation 'Wolkensäule' dürfte nicht zufällig gewählt sein. Er
verweist auf eine Episode aus dem Alten Testament, in der Gott sein
auserwähltes Volk vor den Ägyptern rettet. Die israelische
Militäraktion zielt offenbar über Hamas hinaus auf die neue Führung in
Ägypten, die sich bisher demonstrativ hinter ihre 'Brüder' im
Gazastreifen gestellt hat.
Wie so oft in diesem Konflikt lassen sich Aktion und Reaktion, Gewalt
und Gegengewalt, Angriff und Verteidigung schwer voneinander
abgrenzen. Daher ist eine einseitige Schuldzuweisung an die Adresse
der 'radikalislamischen' Hamas fehl am Platz.
In Israel wird derzeit darüber debattiert, wie man mit dem Hamas-Spuk
endgültig fertig werden könne. Es scheint, als gewännen die Hardliner
um Netanjahu und noch weiter rechts von ihm die Oberhand. Deren Ziel
hat in aller Deutlichkeit soeben ein Oberst der Reserve in einem
Artikel zum Ausdruck gebracht, der 'sicherlich mit Bedacht' im
Newsletter der israelischen Botschaft (Datum: 16.11.2012.) verbreitet
wurde. In dem Artikel heißt es u.a.: "In den Straßen Gazas laufen
blutdürstige Terroristen herum, sie verstecken sich in Kindergärten
und Schulen und diktieren einer Million Einwohner Südisraels ihren
Tagesablauf. Was kommt als nächstes? Eine Hochzeit im Luftschutzkeller
in Ashdod, oder Bar Mitzva-Feiern im Bunker in Beer Sheva? Solche
zerstörerischen Kräfte dürfen nicht an unserer südlichen Grenze zu
Hause sein, und die Zeit ist gekommen, dass wir sie ein für alle Mal
zum Schweigen bringen." Und etwas weiter unten wird der Oberst noch
deutlicher: "Daher muss Israel der Hamas den Krieg erklären, ihre
Führung und ihre Institutionen auslöschen. Israel muss die Hamas
endgültig bezwingen."
Wir sagen ganz klar: Wenn sich solche Meinungen durchsetzen, werden
wir demnächst ein fürchterliches Gemetzel im Gazastreifen erleben -
mit unübersehbaren Folgen für die ganze Region. Schon jetzt ist
deutlich, dass die Zivilbevölkerung am meisten unter den Angriffen
leidet: Neben den 30 getöteten Palästinensern (auf israelischer Seite
wurden bisher drei Opfer gezählt) wird die Infrastruktur des kleinen
Landstriches zerstört. So wurden bisher fünf Trafostationen in Gaza
zerstört, wodurch die Stromversorgung für 400.000 Menschen lahmgelegt
wurde.
Allen militärischen Optionen in diesem Dauerkonflikt muss eine Absage
erteilt werden. Stattdessen muss endlich das Recht der Palästinenser
auf einen eigenen Staat und auf ein lebenswertes Leben anerkannt
werden. Der Chef der UN-Hilfsorganisation für palästinensische
Flüchtlinge, Filippo Grandi, hat vor wenigen Tagen seinen Bericht über
die Lage vor der UN-Generalversammlung abgegeben. Darin malt er ein
düsteres und alarmierendes Szenario insbesondere für die eineinhalb
Millionen Menschen im Gazastreifen, die zu 80 Prozent auf Hilfe
angewiesen sind, "ökonomisch stranguliert" werden und deren
"frustrierte" Jugend (weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung) ohne
jede Perspektive auf einen Job ist. Die Frustration, so der
UN-Repräsentant wörtlich, "nimmt unter der palästinensischen
Flüchtlingsbevölkerung zu und reflektiert die sie überwältigende
Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung".
(http://www.unrwa.org/etemplate.php?id=1490[http://www.unrwa.org/etemplate.php?id=1490])
Filippo Grandi nennt auch die Ursachen: das jahrzehntelange
Besatzungsregime, und fordert demnach die Aufhebung der Blockade des
Gazastreifens, den Stopp des Siedlungsbaus im Westjordanland und
Ostjerusalem, das Ende der Siedlergewalt und der Landenteignungen. Die
Verlängerung des jetzigen Zustands sei das Haupthindernis für den Frieden.
In das gleiche Horn stößt die israelische Friedensorganisation Gush
Shalom. Deren Stimme mag derzeit marginalisiert erscheinen, sie drückt
aber die einzige realistische Perspektive für eine Lösung des
Konflikts aus. Im eigenen Interesse, so ihr Credo, müsse Israel auf
den Pfad des Friedens, der Gewaltlosigkeit und des internationalen
Rechts zurückkehren.
Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert die Bundesregierung auf,
ihre bedingungslose Unterstützung der israelischen Politik aufzugeben
und mäßigend auf die israelische Regierung einzuwirken. Der
israelisch-palästinensische Konflikt muss internationalisiert und zu
einer erstrangigen Angelegenheit der Vereinten Nationen werden. Die
Friedensbewegung ist aufgerufen, in diesem Sinne die öffentliche
Diskussion zu suchen, Veranstaltungen, Informationsstände, Mahnwachen
u.ä. zu organisieren.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken, Berlin
Wolfgang Kirstein, Hamburg
Peter Strutynski, Kassel
Ewald Ziegler, Nürnberg
-- Bundesausschuss Friedensratschlag Germaniastrasse 14 34119 Kassel
Tel.: +49 (0)561 93717974 Website:
http://www.ag-friedensforschung.de[http://www.ag-friedensforschung.de]
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... Angesichts der neuen Eskalation im Nahen Osten und der heftigen
Bombardierung Gazas ist das Weltsozialforum, das in diesem Jahr ganz
der Palästinafrage gewidmet sein wird, von außerordentlicher
Bedeutung. Es wird Ende November in Porto Alegre in Brasilien
stattfinden. Dieses Ereignis hat bis jetzt in den deutschen Medien
leider kaum Erwähnung gefunden.
Im Anhang ... die Grußbotschaft der Jüdischen Stimme an das
Weltsozialforum, wie sie eben an die Medien geschickt worden ist...
Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin
18. November 2012
Grußbotschaft der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost an
das Weltsozialforum in Porto Alegre, Brasilien
Das Weltsozialforum ist eine Stimme des Widerstands gegen
Unterdrückung und für Gerechtigkeit und Gleichheit. Für eine weltweite
Organisation ist es nie einfach, einen Fokus zu wählen, für den es
sich einzusetzen lohnt, da es Tausende von wichtigen Anliegen gibt:
die Kämpfe von Ureinwohnern, von ausgebeuteten Arbeitern, landlosen
Bauern, Opfern von Zerstörung der Lebensgrundlagen durch den
Klimawandel und die Kämpfe aller, die aufgrund ihres Geschlechts,
ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Glaubenszugehörigkeit, ihrer
Nationalität oder ihrer politischen Überzeugung Verfolgung erleiden.
Dieses Jahr hat das Weltsozialforum entschieden, sich auf den Kampf
der Palästinenser gegen den Kolonialismus und die Apartheidpolitik des
israelischen Staates zu konzentrieren. Es ist ein lohnenswerter Kampf,
und wir beglückwünschen das Weltsozialforum zu seiner Entscheidung.
Das Weltsozialforum Freies Palästina wird vom 28. November bis 1.
Dezember 2012 in Porto Alegre, Brasilien, zusammentreten.
Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost (Jewish Voice for
a Just Peace in the Middle East, EJJP Germany) unterstützt das Treffen
und erklärt sich mit den Zehntausenden von erwarteten Teilnehmern und
den Hunderten von teilnehmenden Organisationen und Bewegungen solidarisch.
Wir meinen, dass das Weltsozialforum eine überzeugende und klare
Antwort auf die schändliche Apathie und Gleichgültigkeit gegenüber der
Ungerechtigkeit in Palästina darstellt, deren sich die Politiker des
globalen Nordens, die Mainstream-Medien und die großen Unternehmen
dieser Welt schuldig machen. Angesichts der jüngsten
unverhältnismäßigen und brutalen Bombardierung des Gazastreifens und
der außergerichtlichen Hinrichtung von Ahmad Jabari ist es umso
drängender, vom Weltsozialforum Freies Palästina aus die Wahrheit über
die Besatzung zu verbreiten.
Als Juden ist es uns wichtig, den Missbrauch der jüdischen Identität
durch Israel bei der Unterdrückung Palästinas zurückzuweisen. Zu den
Verbrechen Israels sagen wir als Juden: ?Nicht in unserem Namen!?
Unsere Organisation ist davon überzeugt, dass alle Menschen ein Recht
auf Würde und gleichberechtigte Behandlung haben und ihre Freiheit
unbeschadet von Nationalität, Religion oder ethnischer Zugehörigkeit
Respekt verdient.
Als europäische Staatsbürger sind wir bestürzt über die Unterstützung
Europas (und insbesondere Deutschlands) für Israel. Israels eklatante
Missachtung des Völkerrechts und der Menschenrechte in Palästina wäre
ohne die jahrzehntelange Unterstützung der europäischen Länder und der
Europäischen Union durch bevorzugte Handelsabkommen, militärische
Koordination und Waffenlieferungen sowie durch eine himmelschreiende
Heuchelei in den rechtlichen und politischen Beziehungen mit Israel
nicht möglich gewesen.
Deswegen fühlen wir uns verpflichtet, uns gegen die Beteiligung
unserer Regierungen an den in Palästina begangenen Gräueltaten
auszusprechen, und wir danken den Organisatoren und Teilnehmern des
Weltsozialforums, dass sie dazu beitragen, den Kampf der Palästinenser
und die Ursachen für diesen Kampf ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.
--
Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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