[E-rundbrief] Info 1108 - Land für die Menschen!

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Fr Jun 1 09:40:59 CEST 2012


E-Rundbrief - Info 1108 - Howard Clark (GB): Land für die Menschen! 
Gewaltfreie Bewegungen gegen Landraub und Militarismus

Bad Ischl, 1.6.2012

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Land für die Menschen!

Gewaltfreie Bewegungen gegen Landraub und Militarismus

Von Howard Clark

11 May 2012

http://wri-irg.org/node/15163

Von den Männern des Eigentums kam der Befehl:
Sie schickten gedungene Männer und Landsknechte, um den Anspruch der 
Diggers zu zertreten.
„Reißt ihre Hütten nieder. Zerstört ihr Korn!“
Sie wurden zerstreut, aber noch immer setzt ihre Vision sich fort.

- Worte aus einem Lied von Leon Rosselson, das die Diggers und ihren 
Kampf um Land im England des 17. Jahrhunderts feiert.

In der Geschichte war der Militarismus immer verbunden mit ungerechter 
Aneignung von Land und Vertreibung der ansässigen Bevölkerung. Und das 
geht noch heute so weiter, beispielsweise bei Militäranlagen – riesige 
Militärbasen, die jetzt gebaut werden, eine Vielzahl von Test- oder 
Trainingsanlagen – oder bei (staatlichen oder privaten) militärischen 
Durchführungskräften des globalisierten Phänomens, das bekannt ist als 
Landraub im Namen von Monokulturen, Biosprit oder Abbau von Bodenschätzen.
Land wird oft gesehen als Grund für Leben, und Landbewegungen können 
irgendwie etwas tief in uns bewegen. Vielleicht ist diese Verbindung 
mehr von Faschisten und Nationalisten anerkannt worden als von 
städtischen Linken, aber sie ist auch ein utopischer Impuls in 
anarchistischen und gewaltfreien Traditionen, vom „gemeinsamen Schatz 
für alle“ der Diggers über Kropotkin und Gandhi bis zum Slogan „Tierra 
y Libertad“ – „Land und Freiheit!“ In der Tat finden wir in jedem 
Kontinent, unter Stammesgesellschaften und Bauern, eine andere 
Beziehung zum Land – und damit zur Erde – als die Haltung von 
Beherrschung, Ausbeutung und Abbau, die so vieler Zerstörung 
zugrundeliegt.

Für mich haben Kampagnen, die die Bindung an Land mit der Gegnerschaft 
zu Krieg und Militarismus verbinden, immer einen besonderen Reiz 
gehabt. Ich denke jetzt an einige der Kampagnen, die in diesem 
„Zerbrochenen Gewehr“ erwähnt werden, und besonders an die laufende 
Kampagne auf der Jeju-Insel in Südkorea, während derer einige Freunde 
der WIR verhaftet worden sind. Eines der inspirierendsten Kämpfe in 
Europa in den 1970-er Jahren war die Kampagne im Larzac/ Frankreich, 
um die Ausdehnung eines militärischen Übungsgebietes zu stoppen. Eine 
Kampagne, bei der Bauern ihre Schafe als Hintergrund zu einer 
Demonstration am Eiffelturm mitbrachten. Eine Kampagne, die ein 
breites Spektrum an Taktiken nutzte, eingeschlossen die Verweigerung 
von Kriegssteuern und die Schaffung einer Landverwaltungsgesellschaft, 
in der Tausende Menschen ihr kleines Stückchen des Plateaus von Larzac 
kauften. Eine konstruktive Kampagne, in der die Menschen alternative 
Nutzungsmöglichkeiten für den Larzac zeigten, ein Trainingszentrum für 
Gewaltfreiheit aufbauten, mit erneuerbarer Energie experimentierten 
und andere kleine kooperative Wirtschaftsprojekte förderten.
Ich denke auch an Kampagnen in Zusammenarbeit mit Ureinwohnern, 
besonders gegen Atomtests oder andere Teile der nuklearen Kette wie 
den Abbau von Uran. Das ist ein wirklicher Schutz des Erbes – auf der 
örtlichen Ebene und auf der globalen Ebene beim Widerstand gegen die 
nukleare Bedrohung.

Geschichtlich betrachtet haben Kriegsgegner selbst oft darauf gesehen, 
Gemeinschaften auf dem Land zu bilden, wo sie gemäß ihren eigenen 
Werten leben können. Heutige Gemeinschaften für die Friedensbewegung 
in Kolumbien sind viel weiter gegangen. Einiges davon sind Erklärungen 
durch Stämme oder Ortsgemeinden, dass sie den Waffengebrauch ablehnen 
– sei es durch den Staat, die paramilitärischen Einheiten oder die 
Guerilla - aber andere sind Gemeinschaften von mehreren hundert vorher 
vertriebener Menschen, entschlossen, in Frieden zu leben, die sich 
selbst in einer Art der Teilhabe organisieren und ökologische 
Landwirtschaft betreiben ohne Zugeständnisse an Monokulturen. Als die 
frühere Regierung Uribes darauf bestand, eine Polizeistation 
einzurichten und damit die Prinzipien der ersten Friedensgemeinschaft, 
San José de Apartadó, verletzte, zerlegten einige Mitglieder der 
Gemeinschaft ihre Behausungen und gemeinsamen Einrichtungen und bauten 
sie anderswo wieder auf.
Ich schreibe kurz nach dem diesjährigen palästinensischen Gedenktag an 
das Land, wo israelische Truppen einen Demonstranten töteten und mehr 
als 120 weitere verletzten. Seit 1976 war dies ein Tag des Protestes 
gegen die andauernde Einverleibung von palästinensischen Gebieten, ein 
zentraler Punkt in der Unterdrückung der Palästinenser. Es ist der 
Mühe wert zu notieren, dass Kampagnen um das Land nicht nur einige der 
mächtigsten gewaltfreien Aktionen der Palästinenser hervorgebracht 
haben, sondern auch Aktionen, bei denen Israelis mit größerer 
Wahrscheinlichkeit mitmachen. Einige der vielen örtlichen Kämpfe gegen 
die Trennungsmauer – eine monströse Barriere, die noch mehr 
palästinensisches Land konfisziert, palästinensische Gemeinden 
voneinander isoliert und sie von wesentlichen Ressourcen abschneidet – 
können als Landkämpfe gesehen werden. Auch einige der konstruktivsten 
Aktionen, die seit den 1960-er Jahren stattgefunden haben – wenn 
Gruppen, oft eine Verbindung von Palästinensern und Israelis, versucht 
haben, das Land und seine Früchte einzufordern, indem sie Olivenbäume 
pflanzten und versuchten, Oliven zu ernten.

Schließlich bleibt Land ein zentraler Punkt im globalen sozialen 
Konflikt, der so viele lokale oder nationale Konflikte anheizt. Auch 
wenn Städter weltweit erstmalig inzwischen die Landbewohner an Zahl 
überflügeln, leben 75 % der Armen der Erde noch in ländlichen 
Gegenden. Ihr Zugang zu Land ist fundamental, besonders für die 
Millionen weiblicher Subsistenzbauern. In einer Zeit globalisierten 
Landraubs erringen ehrwürdige Begriffe wie der des „Gemeingutes“ eine 
neue Bedeutung für diejenigen, deren Lebensbedingungen bedroht sind 
und die vor der Vertreibung stehen. Aber mehr als das, wie die mit Via 
Campesina und anderen ländlichen Netzwerken verbundenen Gruppen betont 
haben, das Thema ist nicht bloß Ernährungssicherheit – sondern 
Ernährungssouveränität: „Das Recht auf gesund und kulturell 
angemessene Nahrung, produziert durch ökologisch gesunde und 
nachhaltige Methoden, und ihr Recht, ihre eigenen Ernährungs- und 
Landwirtschaftssysteme zu definieren.“ Gegen die Interessen von 
privatwirtschaftlichem Profit, nicht lebensfähige Höhen von Konsum und 
Gier zu unterstützen, Land zu sehen in Begriffen von industrieller 
Ausbeutung und Aneignung, steht die Internationale der Kriegsgegner an 
der Seite derjenigen, die gewaltfrei widerstehen und die danach 
streben zu zeigen, was die Welt braucht.

Diese geteilte Erde werden wir ganz machen,
So wird sie ein gemeinsamer Schatz sein für alle.

Published in Das zerbrochene Gewehr, April 2012, No. 91

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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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