[E-rundbrief] Info 1095 - Tschernobyl - neuer Sarkophag
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Fr Apr 27 23:25:57 CEST 2012
E-Rundbrief - Info 1095 - Heinz Smital und Sigrid Totz (Greenpeace,
D): Ein neuer Sarkophag - das Jahrhundertprojekt von Tschernobyl.
Bad Ischl, 27.4.2012
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Ein neuer Sarkophag - das Jahrhundertprojekt von Tschernobyl
Von Heinz Smital und Sigrid Totz
Von drinnen entweicht radioaktiver Staub in die Umwelt, von draußen
dringt Regenwasser durch Risse und Löcher ins Innere - seit 26 Jahren
rostet der Sarkophag von Tschernobyl vor sich hin. In diesen Tagen
beginnt der Bau einer neuen Hülle für die Reaktorruine. Ein neuer
Greenpeace-Report erklärt das Jahrhundertprojekt und seine Schwachstellen.
Zur Vorgeschichte
Am 26. April 1986 explodiert Block 4 des AKW Tschernobyl und löst
weltweit eine Schockwelle aus. Der Traum von der sicheren und
friedlichen Nutzung der Atomenergie geht in Rauch auf. Eine eilig
errichtete Stahlbetonhülle um die Ruine herum soll die Umwelt
schützen. Schon nach wenigen Jahren zeigen sich die ersten Risse. Nur
allernotwendigste Arbeiten werden ausgeführt, um den rostigen Koloss
am Einstürzen zu hindern.
Das Projekt
Seit 26 Jahren arbeiten Nuklearfirmen aus West und Ost daran, die
Situation um den strahlenden Trümmerhaufen zu stabilisieren. Nahezu
die gesamte weltweite Nuklearkompetenz versammelt sich in dem Projekt,
das Milliarden Euro aus 24 Geberländern verschlingt. Die Finanzierung
ist trotz der immensen Summen nicht gesichert. Schon jetzt sind die
Kosten dreimal so hoch wie ursprünglich veranschlagt.
Der Bau der neuen Hülle - aber auch der Bau der Anlagen für die
radioaktiven Abfälle der anderen Blöcke am Standort - hinkt aufgrund
diverser Unwegsamkeiten gnadenlos hinter allen Zeitplänen her. Das
entscheidende Problem, die Bergung des hochradioaktiven
Kernbrennstoffs, ist bisher weder geplant noch finanziert. Die
Auswirkungen der Reaktorkatastrophe werden noch viele Jahrzehnte andauern.
Der neue Sarkophag - das größte mobile Bauwerk der Welt
Das New Safe Confinement (NSC) besteht aus einer bogenförmigen
Metallrohrkonstruktion. Gewicht: 29.000 Tonnen; Höhe: 110 Meter;
Länge: 164 Meter; Spannweite: 257 Meter. Eine doppelwandige Außenhaut
soll den explodierten Reaktor mit seinen radioaktiven Materialien von
der Außenwelt isolieren. Wegen der hohen Strahlung kann die neue Hülle
nicht direkt über der Reaktorruine errichtet werden. Er wird etwas
abseits gebaut und später mittels Schienen über den Reaktor geschoben.
Für die Schienen werden insgesamt 396 Pfähle mit einer Länge von 25
Metern und einem Durchmesser von einem Meter dicht an dicht in den
Boden gerammt und die Zwischenräume mit Beton ausgefüllt. Dann wird
alles mit Platten aus rostfreiem Stahl bedeckt. Zum besseren Gleiten
werden die Schienen mit einem Schmiermittel bestrichen und unter der
Stahlkonstruktion Teflonplatten befestigt.
Der alte Sarkophag von Tschernobyl - marode und gefährlich
Während der Bau der neuen Hülle nur mühsam vorankommt, setzen Wasser
und Feuchtigkeit dem alten Sarkophag weiter zu und beschleunigen den
Verfall. Auch nach den Stabilisierungsarbeiten dringen jährlich ca.
2200 Kubikmeter Niederschlag durch die großen Öffnungen ein. Hinzu
kommen etwa 1650 Kubikmeter durch Kondensation und 270 Kubikmeter
durch das Staubunterdrückungssystem.
Inzwischen ist bekannt, dass die Staubmenge zunimmt. Die Menge
radioaktiven Staubs wird heute auf etwa 1,5 Tonnen geschätzt. Beim
Einsturz des Sarkophags könnten große Mengen diese Staubs freigesetzt
werden und sich großräumig verteilen. Jeder schwere Sturm erhöht die
Gefahr. Schon kleinere Erdbeben wären eine Katastrophe. Ein Waldbrand,
der die Ruine erfasst, könnte sie weiter destabilisieren und zu
erheblichen Freisetzungen führen.
Was Japan noch vor sich hat
Die Probleme in Tschernobyl lassen ahnen, was Japan noch bevorsteht -
technisch wie menschlich. Das dicht bevölkerte, technisch
hochentwickelte Land befindet sich mitten in einer atomaren
Katastrophe. Nach dem Erdbeben und dem Tsunami gerieten vier Reaktoren
außer Kontrolle, noch heute gelangt Radioaktivität in die Umwelt.
Derzeit wagt niemand, den Ausgang der Katastrophe in Fukushima zu
prognostizieren. Fest steht, dass die Menge von hochradioaktivem
Kernbrennstoff in den zerstörten Reaktoren noch wesentlich größer ist
als die Menge im Unglücksreaktor von Tschernobyl. Eine Bergung dürfte
nicht einfacher sein.
Noch zehn Jahre Atomausstieg in Deutschland
Japan zeigt - wie damals Tschernobyl, wie auch Majak und Windscale und
die vielen anderen Unfälle in Atomanlagen - dass Atomenergie eine
nicht beherrschbare, eine menschenverachtende Energieform ist. Selbst
der Atomausstieg Deutschlands wird sich noch rund zehn Jahre
hinziehen. Dass er bis 2015 technisch möglich und sinnvoll ist, zeigt
das Greenpeace-Energiekonzept Der Plan .
Die Energiewende ist überfällig, Konzepte liegen seit Jahren vor. Was
fehlt, ist der Wille und Mut von Politik und Industrie, zügig und
konsequent den Weg in eine Zukunft mit Erneuerbaren Energien zu gehen.
Quelle: Greenpeace - 25.04.2012.
Text inkl. Links:
http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/ein_neuer_sarkophag_das_jahrhundertprojekt_von_tschernobyl/
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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