[E-rundbrief] Info 1064 - Biowaffen im Visier
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Di Dez 13 20:16:24 CET 2011
E-Rundbrief - Info 1064 - Wolfgang Kötter (D): Biowaffen im Visier;
Überprüfungskonferenz berät über die Stärkung der B-Waffen-Konvention
Bad Ischl, 13.12.2011
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Biowaffen im Visier
Überprüfungskonferenz berät über die Stärkung der B-Waffen-Konvention
Von Wolfgang Kötter
Am Europäischen UNO-Sitz in Genf begann am Montag die
Überprüfungskonferenz zur Konvention über das Verbot biologischer
Waffen. Es ist die 7. Veranstaltung dieser Art, die alle fünf Jahre
stattfindet, und sie soll einen spürbaren Beitrag zur Stärkung des
Abkommens leisten.
Unter Vorsitz von Paul van den IJssel werden die Vertreter der 165
Mitgliedstaaten sowohl einschätzen wie das Verbot bisher funktioniert
als auch welche neuen Entwicklungen zukünftig berücksichtigt werden
müssen. "Was bedeutet der enorme Fortschritt vor allem auf dem Gebiet
der Lebenswissenschaften für die Konvention und den gesamten
Bedingungsrahmen des Abkommens?", formuliert der holländische Diplomat
eine vordringliche Frage, auf die die Konferenz eine Antwort finden
muss: "Ich glaube, es gibt keinen anderen Bereich von Wissenschaft und
Technologie, der so schnell wächst wie die Lebenswissenschaften, die
direkt mit der Konvention verbunden sind."
Diese umfassen außer der Biologie auch verwandte Bereiche wie Medizin,
Biochemie, Molekular- und Zellgenetik, aber auch die Synthetische
Biologie. Ja, sie reichen sogar bis in die Human- und
Sozialwissenschaften hinein.
Vertrauensbildung statt Kontrolle
Von einem solchen breiten Ansatz war natürlich noch nicht die Rede als
das Abkommen vor vier Jahrzehnten ausgehandelt wurde. Damals ging es
vorrangig darum, den Missbrauch von Krankheitserregern für
nichtfriedliche Zwecke zu verhindern. Das Übereinkommen untersagt
neben der Anwendung ebenso die Entwicklung, Herstellung und Lagerung
von Biowaffen, sowie deren Besitz und verlangt darüber hinaus die
Vernichtung vorhandener biologischer Kampfstoffe. Durch die Konvention
wurde also erstmals eine ganze Kategorie von Massenvernichtungswaffen
einschließlich ihrer Ausrüstungen und Trägermittel vollständig aus den
Militärarsenalen der Staaten verbannt.
Das Verbot erfasst lebende Organismen oder von diesen gewonnene
infektiöse Materialien - Bakterien, Viren und Pilze -, die bei
Menschen, Tieren oder Pflanzen zu Krankheit oder Tod führen. Die
Konvention verbietet alle natürlich oder künstlich hergestellten
mikrobiologischen und anderen biologischen Stoffe sowie Toxine, die
nicht für friedliche Zwecke bestimmt sind. Bakteriologische
Kampfstoffe können z.B. Cholera, Typhus und Pest sowie viele
Tierkrankheiten hervorrufen.
Angesichts der neuen Unübersichtlichkeit bei den Biowissenschaften
werden die Konferenzteilnehmer ebenfalls darüber beraten, wie die
Vertragsbestimmungen wirksamer und zuverlässiger umgesetzt werden
können, denn bisher gibt es dafür kein Kontrollsystem. Ein bereits vor
elf Jahren ausgehandeltes Zusatzprotokoll hatte die damalige
Bush-Regierung blockiert. Da Washington und einige andere Staaten
weiterhin eine rechtsverbindliche Verifikation ablehnen, muss nach
neuen Wegen gesucht werden. US-Diplomatin Laura Kennedy hat bereits im
Vorfeld keinen Zweifel gelassen: "Ein Verifikationsregime ist heute
nicht machbarer als es 2001 war."
Aber andere pragmatische und konstruktive Dinge wären möglich, um
Transparenz zu fördern. Von der noch in dieser Woche anreisenden
Außenministerin Hillary Clinton werden dazu konkrete Vorschläge
erwartet. Ein möglicher Kompromiss könnte darin bestehen, die
vereinbarten vertrauensbildenden Maßnahmen weiter auszubauen, denn
daran hapert es bisher. So hat im vergangenen Jahr nicht einmal die
Hälfte, nämlich 72 Staaten, die jährlich abzugebenden Berichte über
ihre biowissenschaftlichen Aktivitäten geliefert. Mehr Transparenz
erscheint ebenfalls bei der militärischen Forschung und Entwicklung
zur Biowaffenabwehr nötig zu sein. Sie ist zwar im Vertrag erlaubt,
praktisch kann aber kaum zwischen offensiven und defensiven Zwecken
unterschieden werden.
Vom Mini-Sekretariat zur B-Waffen-Organisation?
Gegenüber anderen Abrüstungsverträgen wie beispielsweise der
Chemiewaffenkonvention mit 188 Mitgliedern oder dem
Atomwaffensperrvertrag, der sogar 190 Teilnehmer vereint, steht die
Biowaffenkonvention deutlich zurück, denn diese verfügen über
eigenständige Vertragsorganisationen. Um dennoch die Erfüllung der
Vertragsbestimmungen zu erleichtern, bildete die vergangene
Überprüfungskonferenz die zunächst zeitlich befristete "Implementation
Support Unit".
Optimisten sehen das dreiköpfige Team als einen möglichen ersten
Schritt zu einer permanenten Betreuungsinstitution für die Konvention.
Das im Genfer UN-Abrüstungsbüro angesiedelte Mini-Sekretariat unter
Leitung des Australiers Richard Lennane unterhält die Kontakte zu den
Vertragsstaaten ebenso wie zu biowissenschaftlichen Einrichtungen und
andern internationalen Institutionen. Es leistet administrative
Unterstützung, nimmt die jährlichen Berichte über vertrauensbildende
Maßnahmen entgegen und betreut die Überprüfungs- und
Jahreskonferenzen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Konferenz
das Mandat der Gruppe verlängern und sie möglicherweise sogar
personell verstärken.
Nicht zuletzt kommt es darauf an, die Mitgliederzahl zu erhöhen, denn
der Schutz vor Biowaffenangriffen ist ein globales Anliegen und
erfordert universelle Zusammenarbeit. Zu den immer noch abseits
Stehenden gehören wichtige Länder aus dem Nahen Osten wie Ägypten und
Syrien, die ihre Haltung mit dem Kernwaffenbesitz Israels begründen,
das ebenfalls nicht beigetreten ist. Außerdem fehlen weitere Staaten
vornehmlich aus Asien und Afrika. Oft sind die Gründe Desinteresse an
Biowaffen oder schlicht andere wirtschaftliche und
entwicklungspolitische Prioritäten. Um die Situation zu verbessern,
will der Konferenzpräsident der im Vertragsartikel 10 vorgesehenen
Unterstützung bei der friedlichen Nutzung der Biowissenschaften
gebührenden Raum in der Diskussion gewähren. "Zum ersten Mal seit mehr
als einem Jahrzehnt sind die Mitgliedstaaten der Biowaffenkonvention
in der Lage, bedeutsame Schritte voran zu gehen, um die Zukunft der
Konvention zu gestalten", verbreitet der designierte
Konferenzpräsident Optimismus, "Wir sollten - und wir müssen - das nutzen"
Nichtmitglieder der B-Waffen-Konvention:
Ägypten, Andorra, Angola, Dschibuti, Eritrea, Guinea, Haiti, Israel,
Kamerun, Kiribati, KDVR, Liberia, Malawi, Marshallinseln, Mikronesien,
Myanmar, Namibia, Nauru, Sambia, Simbabwe, Somalia, Syrien, Tansania,
Tschad, Tuvalu.
Vertrauensbildenden Maßnahmen im Rahmen der B-Waffen-Konvention
* Austausch von Angaben über biowissenschaftliche
Forschungsaktivitäten, Pharmaherstellern sowie Einrichtungen und
Labors mit sehr hohen Sicherheitsstandards.
* Informationsaustausch über auftretende infektiöse Krankheiten
und Vergiftungserscheinungen, die hinsichtlich Entwicklung, Ort und
zeitlichem Auftreten vom Normalen abweichen.
* Erklärung von relevanten Gesetzen, rechtlichen Regelungen und
Maßnahmen.
* Förderung von Forschungspublikationen und Wissenschaftlerkontakten.
Veröffentlicht am 06. Dezember 2011
http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/007139.html
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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