[E-rundbrief] Info 1025 - Jean Zieglers Absage Gegenrede zu Salzbg. Festspiele
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Do Jun 30 14:01:14 CEST 2011
E-Rundbrief - Info 1025 - Offener Brief von Jean Ziegler an die
Freunde der Plattform der Zivilgesellschaft in Salzburg - Absage
seiner Gegenrede zu den Salzburger Festspielen 2011.
Bad Ischl, 30.6.2011
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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C. Bertelsmann Verlag
München, 30. Juni 2011
Aktuelle Presseinformation
Offener Brief von Jean Ziegler
an die Freunde der Plattform der Zivilgesellschaft in Salzburg
Nachdem Jean Ziegler als Festredner der Salzburger Festspiele
ausgeladen wurde, begründet er jetzt seine Entscheidung, am
Eröffnungstag der Festspiele keine Gegenrede in Salzburg zu halten.
An Herrn
Dr. Walter Spielmann
Leiter der Robert-Jungk-Stiftung
Bibliothek für Zukunftsfragen
Robert Jungk Platz 1
A 5020 Salzburg
Lieber Herr Dr. Spielmann, liebe Freundinnen und Freunde der Plattform
der Zivilgesellschaft,
Ihre Plattform, bestehend aus Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie
Sozial- und Friedensbewegungen, lädt mich ein, am 27. Juli 2011, dem
Tag der Eröffnung der Salzburger Festspiele, in Salzburg eine Rede zu
halten.
Landeshauptfrau Frau Gabi Burgstaller hatte mich zuvor mit Brief vom
21. Februar 2011 als offiziellen Festredner zur Eröffnung der
Salzburger Festspiele eingeladen. Das Thema: „Kunst und der Aufstand
des Gewissens“. Mit Brief vom 24. März lud mich die Landeshauptfrau
wieder aus. Inzwischen hatten – höchster Wahrscheinlichkeit nach –
zwei Schweizer Grossbanken und ein Nahrungsmittelkonzern, Sponsoren
der Festspiele, bei der Landeshauptfrau interveniert.
Dass internationale Privatkonzerne bestimmen können, wer in Salzburg
reden darf und wer nicht, ist natürlich störend und sicher auch
gefährlich für die Demokratie.
Die Plattform der Zivilgesellschaft versucht mit ihrer ehrenvollen
Einladung das Veto der Konzerne zu korrigieren. Ihre Einladung
bedeutet für mich eine grosse Ehre und ich danke Ihnen dafür.
Ich komme gerade von einer mehrwöchigen UNO-Mission in Nordafrika
zurück, die mich tief bewegt hat. Im Maghreb und im Majrekh stehen
ganze Völker auf. Mit oft leeren Händen kämpfen sie todesmutig gegen
Tyrannei, Korruption und über Generationen erlittene Erniedrigung. In
Ras el-Jdir und Zaouïa (Westlibyen), in den Berber-Gebirgen von Djebel
Gharbi, sterben Männer und Frauen für unsere und ihre ureigensten
Träume: für Demokratie und Freiheit.
Die zerrissenen, blutüberströmten Körper junger Menschen, die auf
Tragbahren bei Dhiba über die südtunesische Grenze in die
Hilfslazarette von Gabès kommen, wollen mir nicht aus dem Sinn.
Von Syrien bis Bahrein und Jemen hoffen die aufständischen,
todesmutigen Menschen bisher umsonst auf die konkrete Hilfe der
internationalen Gemeinschaft, denn die UNO ist gespalten.
Ich werde in den nächsten Wochen häufig in New York sein und weiss
nicht, wo ich am kommenden 27. Juli sein werde. Deshalb kann ich Ihre
freundschaftliche Einladung leider nicht wahrnehmen.
Jean-Paul Sartre schreibt: „Wer die Menschen lieben will, muss sehr
stark hassen, was sie unterdrückt“. Vergangenes Jahr haben die 500
weltgrössten Privatkonzerne 52,8 % des Welt-Brutto-Sozialproduktes
kontrolliert. Derweil steigen in der südlichen Hemisphäre, wo 4,8 der
6,7 Milliarden Menschen der Erde leben, die Leichenberge. Alle fünf
Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren - auf einem Planeten,
der problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren könnte.
Ich bewundere Ihren geduldigen, mutigen Kampf gegen die kannibalische
Weltordnung. Die Aufklärung ist ein langer, mühsamer Prozess. Unsere
Gegner erscheinen zur Zeit übermächtig. Aber Che Guevara sagt: „Auch
die stärksten Mauern fallen durch Risse“.
Sobald es mir meine Zeit erlaubt, werde ich gerne nach Salzburg kommen.
Mit Dank, Solidarität und herzlicher, respektvoller Freundschaft,
verbleibe ich Ihr
Jean Ziegler
(Anhang gekürzt)
...
Heidrun Gebhardt
Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
C. Bertelsmann Verlag
www.cbertelsmann.de
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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