[E-rundbrief] Info 1015 - Gewaltfreier Widerstand in Palaestina - Bilin-Konferenz 2011
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mo Mai 30 16:53:51 CEST 2011
E-Rundbrief - Info 1015 - Bericht über die 6. "Bil'in Konferenz für
Volkswiderstand" im April 2011 - für einen gewaltfreien Widerstand in
Palästina.
Bad Ischl, 30.5.2011
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Bericht über die 6. "Bil'in Konferenz für Volkswiderstand" im April 2011
„Wir fordern alle palästinensischen politischen Parteien und
zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu auf, sich gemeinsam hinter
den gewaltlosen Volksaufstand zur Befreiung zu stellen“
Hochrangige ParteivertreterInnen des gesamten palästinensischen
politischen Spektrums schlossen sich bei der sechsten jährlichen
„Bil’in Konferenz für Volkswiderstand“ den hunderten
palästinensischen, israelischen und internationalen
zivilgesellschaftlichen AktivistInnen und VertreterInnen von
Organisationen an. Zusammen forderten sie die nationale und
internationale Gemeinschaft auf, sich vereint hinter den gewaltlosen
Volkswiderstand zu stellen, was auch die Unterstützung von Boykott,
Desinvestitionen und Sanktionen beinhaltet. Gewidmet wurde die
Konferenz den ermordeten AktivistInnen Rachel Corrie, Vittorio
Arrigoni, Bassem und Jawaher Abu Rahmah sowie Juliano Mer-Khamis.
Während der Eröffnungsrede appellierte der palästinensische
Premierminister Fayyad an die internationale Gemeinschaft, sich für
eine palästinensische Selbstbestimmung stark zu machen: „Die
internationale Gemeinschaft muss sich dazu verpflichtet fühlen, für
einen palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 zu werben
und die für kommenden September geplante Unabhängigkeitserklärung zu
unterstützen.“ Er forderte die internationale Gemeinschaft außerdem
dazu auf, den palästinensischen gewaltlosen Widerstand zu
unterstützen, und machte vor allem auf die kürzlich erfolgte
Verhaftung von Bassem und Naji Tamini vom „Nabi Saleh Bürgerkomitee“
aufmerksam.
Cindy Corrie, Mutter der ermordeten „International Solidarity
Movement“-Aktivistin Rachel Corrie, redete über die Tragödie, die alle
Mütter, sowohl israelische als auch palästinensische, im Laufe dieses
Konflikts durchleben mussten und müssen. Sie forderte die
Zivilgesellschaft beider Seiten auf, auf Gewalt zu verzichten.
Über 20 DiplomatInnen aus aller Welt wohnten der Eröffnung bei,
einschließlich Maxwell Berger, stellvertretender UN Sonderkoordinator
für den Nahost-Friedensprozess, Christian Berger, Vertreter der
Europäischen Kommission, und der Generalkonsule aus Spanien,
Großbritannien, Italien, Belgien, Rumänien, Polen und Österreich. Die
USA, Frankreich, Schweden, Deutschland, Tschechien, Ungarn und Irland
hatten ebenfalls diplomatische Vertretungen entsendet.
In einer Live-Videoschaltung vom Hafen in Gaza gab Jaber Wishah vom
„Palestinien Center for Human Rights“ den Start eines
Marine-Friedensteams bekannt, das, als Teil der „Civil Peace Service
Mission Gaza“, Fischer aus dem Gazastreifen begleiten und mögliche
Menschenrechtsverletzungen dokumentieren wird. Das Projekt wird von
mehr als 50 internationalen und lokalen Organisationen unterstützt,
einschließlich des „Popular Struggle Coordination Committee“.
Inspiriert wurden die TeilnehmerInnen von den aktuellen
Demokratisierungsrevolutionen, welche die arabische Welt überrollt
haben. Im Laufe der Woche teilten die Vorsitzenden der „Popular
Struggle Committees“ ihre Wünsche und Strategien mit, wobei sie
besonders die Rolle der Frau und sozio-politische Dynamiken der
tunesischen und ägyptischen Revolutionen betonten, die auch auf
Palästina angewendet werden könnten. AktivistInnen des
palästinensischen Volksaufstands bekräftigten ihre Standhaftigkeit im
Engagement für den Volksaufstand und den Widerstand gegen die
ansteigende Zahl an Rechtsverletzungen durch Siedlungen, die
Apartheidmauer und Repressionen.
Ägyptische AktivistInnen betonten stolz, dass die Revolution ihres
Landes tief mit dem palästinensischen Widerstand verwurzelt und davon
inspiriert war. Sie bewunderten die Kreativität, und – vor allem – die
unaufhörliche Hingabe der PalästinenserInnen in ihrem Widerstand gegen
das repressive israelische Regime.
Den Abschluss der Konferenz stellte eine friedliche Demonstration von
Delegierten und EinwohnerInnen aus Bil’in dar. Israel reagierte sofort
mit den üblichen aggressiven Militäraktionen, wobei 15 Menschen
verletzt wurden, einschließlich drei internationaler AktivistInnen und
eines Journalisten. Vier Protestierende wurden verhaftet, drei davon
waren internationale MenschenrechtsaktivistInnen.
Abschließende Vereinbarungen der Konferenz:
1. STÄRKUNG UND VERBESSERUNG DER KOORDINATION DER ARBEIT DER
PALÄSTINENSISCHEN ZIVILGESELLSCHAFT FÜR DEN GEWALTLOSEN VOLKSAUFSTAND
* Termin für die siebte internationale Bil’in Konferenz für den
Volksaufstand: April 2012.
* Gründung eines Komitees zur Leitung der Organisation einer
Nationalen Konferenz zum gewaltlosen Volksaufstand, mit dem Ziel, die
interne Koordination der palästinensischen Zivilgesellschaft zu
verbessern. Ein Komitee, bestehend aus drei Mitgliedern, wird für die
Koordination mit anderen VertreterInnen der Zivilgesellschaft
zuständig sein, so dass die nächste Nationale Konferenz noch vor
Oktober 2011 statt finden kann.
2. STÄRKUNG DER INTERNATIONALEN UNTERSTÜTZUNG DES GEWALTLOSEN
PALÄSTINENSISCHEN VOLKSAUFSTANDS
* Unterstützung der CPSGAZA – “Civil Peace Service Gaza”, ein
ziviler Friedensdienst für palästinensische Gewässer zur Überwachung
der Menschenrechte.
Einigung auf folgende Ziele:
1. Verstärkung unserer Anstrengungen, mehr Unterstützung für
CPSGAZA zu finden
2. Einrichtung einer Infrastruktur zur Mittelbeschaffung
3. Förderung eines öffentlichen Bewusstseins und von
Bildungskampagnen über CPSGAZA.
4. Rekrutierung internationaler BeobachterInnen und ausgebildeter
ExpertInnen für CPSGAZA
* Unterstützung der italienischen Wasser-Karawane im
Westjordanland im nächsten September. Einige TeilnehmerInnen betonten
die Notwendigkeit, ähnliche Veranstaltungen und Kampagnen zu planen
und diese Aktivitäten mit internationalen Boykott-Aktionen gegen
Mikorot, das israelische Wasserversorgungsunternehmen, das für
zahlreiche Verletzungen internationalen Rechts in den besetzten
palästinensischen Gebieten verantwortlich ist, zu verbinden.
* Stärkung des Internationalen Netzwerks für den gewaltlosen
Widerstand und Beginn einer internationalen Kampagne in Solidarität
mit den verhafteten AktivistInnen des Volksaufstands
* Unterstützung des palästinensischen Kairo-Dokuments
* Unterstützung des Freedom Flotilla Movement und Fortsetzen des
Drucks auf das israelische Militär, die Verantwortung für den Angriff
auf die letzte Flotte zu übernehmen
3. UNTERSTÜTZUNG VON BOYKOTT, DESINVESTITIONEN UND SANKTIONEN GEGEN ISRAEL
* Unterstützung des Boykotts israelischer Produkte,
Desinvestitionen und Sanktionen gegen Israel (BDS), basierend auf der
BDS-Forderung der palästinensischen Zivilgesellschaft von 2005, als
effektivster Weg der Solidarität mit den PalästinenserInnen
* Achtung aller Rechte der palästinensischen Bevölkerung durch
Solidaritätskampagnen für Palästina
* Förderung und Verbreitung der Ergebnisse der Sitzungen des
Russel Tribunals zu Palästina, die in Barcelona und London
stattfanden, und Förderung der baldigen Sitzung in Südafrika über die
Anwendbarkeit der Apartheidverbrechen auf Israel
* Unterstützung, Entwicklung und Verbreitung der
Agrexco-Kampagne, einschließlich rechtlicher Schritte gegen Agrexco,
als wichtige Kampagne im Rahmen der BDS-Bewegung
* Intensivierung der Koordination zwischen BDS-AktivistInnen auf
der ganzen Welt; Ermutigung von AktivistInnen, existierenden
Koordinations-E-mail-Listen beizutreten (kultureller Boykott, JNF,
Veolia behindern, Agrexco stoppen, Waffenhandel, Elbit); bei Bedarf
Entwicklung neuer Mechanismen zur Koordination
Weitere Informationen zu Bil'in, dem gewaltlosen Widerstand und der
Konferenz finden Sie auf: http://bilin-village.org/
www.soziale-verteidigung.de/news/meldungen/bericht-ueber-die-6-bilin-konferenz-fuer-volkswiderstand
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
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