[E-rundbrief] Info 979 - Migrantische Hungerstreikende in Griechenland

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Sa Jan 22 11:45:03 CET 2011


E-Rundbrief - Info 979 - Aufruf der Vollversammlung der 
Hungerstreikenden - Migrantinnen und Migranten aus ganz Griechenland 
über ihre prekäre soziale und rechtliche Situation.

Bad Ischl, 22.1.2011

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Aufruf der Vollversammlung der Hungerstreikenden

Wir sind Migrantinnen und Migranten aus ganz Griechenland. Wir kamen
hierher, vertrieben von Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegen, Diktaturen.
Die multinationalen Konzerne des Westens und ihre politischen
Handlanger in unseren Heimatländern haben uns keine andere Wahl
gelassen, als -zig mal unser Leben zu riskieren, um an Europas Pforte
zu gelangen. Der Westen, der unsere Länder ausplündert, mit seinem
unvergleichlich höheren Lebensstandard ist für uns die einzige
Hoffnung, wie Menschen zu leben. Wir kamen nach Griechenland (mit
regulärer Einreise oder ohne), um zu arbeiten und um uns und unsere
Kinder zu ernähren. Wir befinden uns in unwürdigen Zuständen und im
Dunkel der Illegalität, damit die Arbeitgeber und die staatlichen
Institutionen von der brutalen Ausbeutung unserer Arbeit profitieren.
Wir leben von unserem Schweiß und mit dem Traum, eines Tages gleiche
Rechte mit unseren griechischen Kollegen zu bekommen.

In der letzten Zeit ist die Situation für uns sehr schwierig geworden.
Je mehr Löhne und Renten gekürzt werden, je teurer alles wird, desto
mehr wird der Migrant als der Schuldige vorgeführt, als der
Verantwortliche für die Verelendung und die brutale Ausbeutung der
griechischen Erwerbstätigen und Kleinunternehmer. Die Propaganda
faschistischer und rassistischer Parteien und Organisationen ist
inzwischen die offizielle Sprache des Staates zum Thema Migration
geworden. Ihre Phraseologie wird mittlerweile unverändert von den
Medien wiedergegeben, wenn sie von uns sprechen. Ihre "Vorschläge"
werden heute als Regierungspolitik verkündet. Mauer am Evros,
Lagerhaft auf Schiffen und Euromilitär in der Ägäis, Pogrome und
Überfallkommandos in den Städten, Massenabschiebungen. Sie versuchen
die arbeitenden Griechen zu überzeugen, daß wir plötzlich eine Gefahr
für sie darstellen, daß wir an dem beispiellosen Angriff, dem sie
seitens ihrer eigenen Regierungen ausgesetzt sind, schuld sind.

Die Antwort auf diese Lügen und diese Barbarei muß jetzt gegeben
werden und wir, die Migranten und Migrantinnen, werden sie geben. Wir
setzen unser Leben aufs Spiel, um jetzt die Ungerechtigkeit zu unseren
Lasten zu stoppen. Wir fordern die Legalisierung aller MigrantInnen,
wir fordern gleiche politische und soziale Rechte und Pflichten mit
den arbeitenden Griechen. Wir fordern von unseren griechischen
arbeitenden Kollegen, von jedem Menschen, dem es jetzt wegen der
Ausbeutung seines Schweißes schlecht geht, an unserer Seite zu stehen.
Er soll an unserer Seite stehen, um nicht in seiner eigenen Heimat der
Lüge und der Ungerechtigkeit, dem Faschismus und der absoluten
Herrschaft der politischen und wirtschaftlichen Eliten das Feld zu
überlassen. Dem also, was in unseren Heimatländern die Oberhand
bekommen und uns zur Migration gezwungen hat, um in Würde leben zu
können, wir und unsere Kinder.

Wir haben keine andere Wahl, unsere Stimme hörbar zu machen, damit Ihr
von unserem gerechten Anliegen erfahrt. Dreihundert (300) von uns
beginnen  am 25. Januar  in Athen und Thessaloniki einen
gesamtgriechischen Hungerstreik. Wir bringen unser Leben in Gefahr,
weil so oder so dieses Leben für einen Menschen mit Würde kein Leben
ist. Wir ziehen es vor, hier zu sterben, als daß unsere Kinder das
leben, was wir durchmachen mußten.

Januar 2011

Die  Vollversammlung der Hungerstreikenden

Aus:
_______________________________________________ FSE-ESF mailing list
FSE-ESF at lists.fse-esf.org
http://lists.fse-esf.org/cgi-bin/mailman/listinfo/fse-esf
22.1.2011

-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, A-4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
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