[E-rundbrief] Info 913 - Oesterr. Sozialforum 2010, Erklaerung

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Mai 18 08:22:13 CEST 2010


E-Rundbrief - Info 913 - Österreichisches Sozialforum: SYSTEMWANDEL 
STATT KRISEN ! Erklärung vom 5. österreichischen Sozialforum in Leoben, 
16.5.2010.

Bad Ischl, 18.5.2010

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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SYSTEMWANDEL STATT KRISEN !

Erklärung vom 5. österreichischen Sozialforum in Leoben

Hunderte TeilnehmerInnen von sozial und ökologisch organisierten 
Netzwerken, Organisationen und Einzelpersonen haben sich vom 13. bis 16. 
Mai 2010 in den Räumlichkeiten der Montanuniversität und der 
Arbeiterkammer von Leoben im Rahmen des V. Österreichischen Sozialforums 
getroffen, um die Wurzeln und Auswirkungen der Europa- und weltweiten 
Krisen des herrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems in seiner 
neoliberalen Form zu analysieren und mögliche Alternativen aufzuzeigen.

Es wurde festgehalten, dass die Finanz- und Bankenkrise bereits auf 
ganze Staaten wie Island, Ungarn, Litauen und jetzt vor allem auf 
Griechenland übergegriffen hat. In einem Anflug von diktatorialer Hybris 
hat die Europäische Union europaweit Maßnahmen ergriffen, welche die 
Opfer der Krise an den Rand des existenziellen Abgrunds treiben: 
anstelle die Banken unter eine öffentliche Kontrolle zu setzen wie es 
das Sozialforum seit vielen Jahren gefordert hatte, soll nun der gesamte 
Staatshaushalt Griechenlands und anderer gefährdeter EU-Staaten unter 
die Kuratel der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds 
gestellt werden, wobei Deutschland und Frankreich Griechenland im 
Gegenzug noch dazu zwingen, etwa die Hälfte des einzusparenden Betrags 
wieder für bilaterale Rüstungsgeschäfte auszugeben.

Das österreichische Sozialforum verurteilt diese Maßnahmen auf das 
schärfste und fordert stattdessen eine radikale Umverteilung von oben 
nach unten durch eine generelle Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit bei 
vollem Lohnausgleich, eine Neudefinition und geschlechtergerechte 
Aufteilung der Arbeit sowie die sofortige Einführung eines 
bedingungslosen Grundeinkommens und die Bereitstellung einer 
Sozialmilliarde zur Finanzierung der öffentlichen Sozial- und 
Gesundheitseinrichtungen.

Bei aller Vielfalt der Positionen bestand der einhellige Konsens, dass 
angesichts der zahlreichen Krisen eine Fortsetzung der gegenwärtigen 
Politik unverantwortlich ist und Lösungen nur gemeinsam und 
gesamtheitlich gefunden werden können. Der allgemeinen Ratlosigkeit der 
Politik muss ein „Optimismus der Taten“ entgegengesetzt werden, und zwar 
regional, europäisch und global!

Deshalb wurde am österreichischen Sozialforum etwa die sofortige 
Einleitung eines Moratoriums zum Abbau der zu Unrecht bestehenden 
Staatsschulden sowie die sofortige Sistierung der Aufnahme neuer 
Staatsanleihen gefordert. Ein weiterer Angelpunkt für die 
gesellschaftliche Umgestaltung wurde in der weltweiten Klimakrise 
geortet, die den Ausbruch von immer häufigeren Naturkatastrophen zur 
Folge hat. Die TeilnehmerInnen fordern die internationale 
Staatengemeinschaft im Anschluss an den gescheiterten Klimagipfel von 
Kopenhagen auf, sich dem Appell von Cochabamba, Bolivien, anzuschließen, 
der den „Rechten der Mutter Erde“ eine absolute Priorität einräumt und 
die lebensnotwendigen Ressourcen von jeglicher kapitalistischen 
Transaktion ausschließt.

Einen Höhepunkt erreichten die Diskussionen am österreichischen 
Sozialforum in Leoben auch in Bezug auf die innenpolitische Situation in 
Österreich, als Möglichkeiten in Erwägung gezogen wurden, eine 
eigenständige politische Kraft außerhalb der bestehenden 
Parteienlandschaft auf der Grundlage einer partizipativ-demokratischen 
Willensbildung aufzubauen, um dem insbesondere in Mittel- und Osteuropa 
stark anwachsenden rechtsextremistischen und rechtspopulistischen 
Tendenzen entgegenzuwirken.

Last, but not least bildete die Friedenspolitik einen Schwerpunkt der 
Diskussionen, in denen sich die TeilnehmerInnen zu einer aktiven 
Solidarität mit den unterdrückten und Not leidenden Völkern bekannten – 
insbesondere mit den KurdInnen und PalästinenserInnen, die am 
österreichischen Sozialforum vertreten waren. Auch hier wurde die 
Notwendigkeit erkannt, den hegemonialen Ansprüchen der Europäischen 
Union, die sich zusehends auch in eine Union von Militär- und 
Polizeiapparaten verwandelt, durch eine aktive Friedenspolitik von 
zivilgesellschaftlichen Organisationen in allen Erdteilen entgegenzutreten.

Aus all diesen Gründen rufen die am österreichischen Sozialforum 
beteiligten Netzwerke, Organisationen und Einzelpersonen die in 
Österreich lebenden Menschen auf, sich in den nächsten Monaten an 
folgenden Mobilisierungen beteiligen:

vom 1. bis 4. Juli 2010 zum Europäischen Sozialforum in Istanbul, dem 
ein internationaler Frauenmarsch von Skopje nach Istanbul vorausgehen wird;

zeitgleich soll in Österreich gegen das geplante 
„Terrorismuspräventionsgesetz“ mobilisiert werden, das ein weiteres 
Missbrauchpotential gegen alle jene in sich birgt, die sich für Umwelt, 
Frieden und soziale Gerechtigkeit engagieren.

vom 10. bis 17. Oktober 2010 am „Marsch gegen die Armut“ nach Brüssel, 
zu dem Arbeitslosenorganisationen und Gewerkschaften aus ganz Europa 
aufgerufen haben; gleichzeitig wird in Österreich unter der Devise „Wir 
zahlen nicht für eure Krise!“ gegen die Sparpläne der Bundesregierung 
mobilisiert werden.

im Oktober/November 2010 an der „GLOBAL WAVE FOR EDUCATION“ gegen die 
Privatisierung und Kommerzialisierung der öffentlichen Bildung.

Ende November 2010 zum Alternativen Klimagipfel in Cancún, Mexiko, zu 
dem u.a. die weltweit größte soziale Bewegung, Via Campesina, sowie die 
Regierungen von Bolivien und Venezuela aufgerufen haben;

vom 6. bis 11. Februar 2011 zum Weltsozialforum in Dakar, Senegal, das 
diesmal unter dem Vorzeichen einer weltweiten Armutsbekämpfung stehen wird.

Leoben, am 16. Mai 2010


	DAS VERNETZUNGSPLENUM DES ÖSTERREICHISCHEN SOZIALFORUMS

www.sozialforum-asf.at


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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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