[E-rundbrief] Info 869 - Bildungs-Proteste in Oesterreich
Matthias Reichl
info at begegnungszentrum.at
Mi Nov 4 19:08:18 CET 2009
E-Rundbrief - Info 869 - Claudia von Werlhof (Innsbruck): Ansprache an
die Sowi-Aula-Besetzer_innen in Innsbruck am 31.10.09; WWWebtips zu
Proteste und Besetzungen an Hochschulen in Österreich.
Bad Ischl, 4.11.2009
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit
www.begegnungszentrum.at
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Vortragsreihe aus der besetzten SoWi-Aula in Innsbruck
o. Univ. Prof. Dr. Claudia von Werlhof, am 31. Okt. 2009
“NUR VON UNTEN WIRD DAS NEUE KOMMEN. VON EUCH ODER VON NIEMANDEM”
Mit ihrer Ansprache an die Sowi-Aula-Besetzer_innen verbreitete Dr.
Claudia von WERLHOF (vom Institut für Politikwissenschaft der Sozial-
und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck)
weitgreifende Motivation für unseren Kampf um wahre Bildung, denn
“Bildung als Ware ist gleich Mensch als Ware”.
Prof. Werlhof spricht sich klar gegen das Bologna-Programm aus. Zudem
meint sie, die Politik habe nicht versagt, sie sei auch nur ein Teil
dieser allumfassenden Massenmaschinerie in der sich jeder von uns befindet.
Eingangs beschrieb sie mit wenigen Worten das Wesen einer sozialen
Bewegung mit dem sinnstiftenden Mittelpunkt: “Was suchen wir? Was wollen
wir wirklich?”
“Bedingungen für ein Leben in Würde bewahren und schaffen.
EIN LEBEN IN WÜRDE, wovon die heutige Gesellschaft nichts mehr versteht.”
Kurz sprach sie die Geschichte der modernen Wissenschaft an, die ihren
Ursprung in der Inquisition hat. Sie forderte auf, uns von den
Versprechungen der Moderne zu verabschieden. Alleine die Tatsache, dass
es sich beim Klimawandel um eine Klimakatastrophe handelt, zeigt die
Notwendigkeit der Veränderung unserer Wissenschaft. Wir befinden uns in
einer wahren Zivilisationskrise, die mancherorts bereits zum Aufbruch in
eine neue Zivilisation führt. “Es ist allerhöchste Zeit” eine
richtungsverändernde, breite Bewegung zu schaffen.
Das Projekt der Umschöpfung der Welt durch Wissenschaft und moderne
Technologien gerät an seine Grenzen und kommt zum Scheitern. Der
aktuelle Neototalitarismus ist bei unserem Vorbild, den USA bereits in
einem fortgeschrittenen Prozess zu beobachten. Die “große
Verwertungsmaschinerie für eine Neuschöpfung, die angeblich ein besseres
Leben darstellt”, ist zu überdenken, denn – so Werlhof wörtlich –
“Bologna bedeutet: Kopf ab”, statt Denken soll eine Denkprothese
verwendet werden, wir sollen uns einer “Gehirnwäsche unterziehen”
beziehungsweise “enthirnen” lassen. Dies würde für uns “ein Hirntod auf
Raten” bedeuten. Diese standardisierte Struktur, diese Kastenstruktur
zeigt, wie sehr sich die Bildung, möglichst von der Schule an, an der
Wirtschaft orientiert. So wird uns aufdoktriert: “Du sollst nicht
merken!” Daher sollen die Geisteswissenschaften verschwinden, der Ort,
an dem gedacht wird, eliminiert werden, und alle Mittel ausschließlich
in die sogenannte Big Science investiert werden. Wir sollen zu
Versuchstieren im Labor in der neuen Inquisition werden, zum
akademischen Proletariat, denn die Hauptsache ist es “employable” zu
sein. Wir sollen uns zum “homo economicus maquina vacuus” entwickeln.
Bei dieser Ausführung vernahm die Audienz ein lautes, zustimmendes
Bellen und die Sprecherin bemerkte am Rande, wie recht dieser Hund
hätte, gefolgt von lauter Zustimmung des Publikums.
Auch ist die Wichtigkeit der Wiederherstellung des Bezugs zu anderen
Gruppen in der Gesellschaft zu beachten, denn wir sitzen alle im
gleichen Boot dieser Massenmaschinerie.
Ein vergangener Protest-Ausspruch lautet:
“Wissenschaft ist die Aufklärung über unverstandene Mächte.” “Wie wahr!”
sind diese Worte und heute doch in zu wenigen Köpfen verankert.
Die Gesellschaft funktioniert so nicht mehr, wie sie das in den letzten
200 Jahren getan hat und nun stellt sich die Frage, wie wir das
Scheitern der Moderne überstehen, wobei klar ist, dass dies nicht mit
immer noch mehr Anpassung funktionieren kann.
Daher sollten wir es nicht bei einer Geldforderung belassen, denn – so
Werlhof – diese wird nicht ausreichen. Stattdessen müssen wir eine
Bildung einfordern, die der Höhe der Zeit entspricht und eben nicht als
Erziehung zur Maschine dient. Wir sollten das neoliberale Menschenbild
ablehnen und ebenso die zerstörerische Wissenschaft, denn Bildung soll
wieder befreien, nicht versklaven.
Claudia von Werlhof wünscht sich die Rückkehr der Seele, der Alma Mater:
“Der Geist soll wieder wehen in den Universitäten. Er hat sie längst
verlassen.”
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Proteste und Besetzungen an Hochschulen in Österreich:
WWWebtips
http://unsereuni.at/wiki/index.php/Solidarisierungen
Hier koennen sich Organisationen und Initiativen eintragen, die die
Proteste unterstuetzen
http://unibrennt.at/wiki/index.php/Online-Demo
Einbauanleitung fuer Webmaster, um auf ihren Seiten ein vorgefertigtes
Soli-Insert eintragen zu koennen. (Anm.: Bei manchen Sites, wie etwa
der der akin, ist das leider nicht moeglich, da das Layout dafuer
nicht geeignet ist.)
http://twitter.com/unibrennt
Aktuelle kurzinfos
http://www.facebook.com/home.php?ref=home#/unsereuni?ref=nf
Braucht einen facebook-account
http://unibrennt.at/
Quasi-offizielle homepage des wiener audimax-plenums mit vielen infos
auch von anderen unis
http://unibrennt-salzburg.at/
http://wiki.unsereuni.at/
Sehr einfache aufgeraeumte site mit materialien
http://unsereuni.at/wiki/index.php/Termine
Aktuelle Termine auf einen Blick
http://ask.noblogs.org/
"Aktion Schwarze Katze" - siehe Artikel "Flaechenbrand? Gute Idee
eigentlich..." in diesem akin-pd
www.malen-nach-zahlen.at
Besetzung der Akademie der Bildenden Künste Wien
Quelle u.a.:
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 4. November 2009; 01:04
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
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