[E-rundbrief] Info 836 - Palaestina von Israel besetzt

Matthias Reichl info at begegnungszentrum.at
Di Jun 2 12:40:28 CEST 2009


E-Rundbrief - Info 836 - Paula Abrams-Hourani (Wien): Protest gegen „ 
Tel Aviv Beach“ in Wien. Rede 10. Mai 2009 auf dem "Gaza-Beach" am 
Donaukanal.  Israels Krieg gegen Gaza, seit 1948 besetzte und zerstörte 
palästinensische Dörfer und israelischer Siedlungsbau im Westjordanland.

Bad Ischl, 2.6.2009

Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit

www.begegnungszentrum.at

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Protest gegen „ Tel Aviv Beach“ in Wien

Rede am Sonntag, 10. Mai 2009 auf dem "Gaza-Beach" am Donaukanal

Paula Abrams-Hourani

Ich möchte alle hier Versammelten um eine Schweigeminute bitten, um an
die in Gaza eingekesselten und leidenden Menschen zu denken, an die
Opfer der letzten israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen mit dem
Codenamen „Operation gegossenes Blei“.

• an die 1.415 Toten und Tausenden von Verwundeten von Gaza,

• an die Opfer der illegalen chemischen Waffen, die von der israelischen
Armee in Dezember und Januar dort eingesetzt wurden,

• an die palästinensischen Opfer der ständigen Abriegelungen, die vom Staat
Israel über die palästinensische Bevölkerung verhängt worden sind, die eine
Ausreise aus Gaza unmöglich machen, um notwendige medizinische Hilfe zu
bekommen und die in der Folge gestorben sind und weiter sterben.

Denken wir an die Kinder von Gaza – die Hälfte der Bevölkerung von ca.
1.500.000 Menschen – die unter unmenschlichen Zuständen – israelischen
Bombardierungen, Besatzung, Unterdrückung und Gewalt – aufwachsen.
Denken wir heute an die palästinensischen Kinder in allen besetzten
Gebieten, die auf Grund der israelischen Besatzung traumatisiert sind
und ihre Kindheit nicht ausleben dürfen. Ich hätte noch viel zu Gaza und
seinen Menschen zu sagen. Heute allerdings will ich von Tel Aviv
sprechen, die Stadt, die von der Stadt Wien mit dem gegenüberliegenden
Strand geehrt wird.

Der Monat Mai ist für Palästinenser und Israeli ein wichtiger Monat,
denn im Mai 1948 wurde der Staat Israel auf 78% des ursprünglichen
palästinensischen Bodens gegründet. Schon voriges Jahr gab es viele
Protestbriefe und Artikel zum Thema „60 Jahre Israel“, die betitelt
wurden: „Kein Grund zum Feiern“. Und heuer? Nach den
Kriegsverbrechen in Gaza – was wäre die Meinung dieser Menschen heute?

Diesen Monat erinnern wir uns an die Nakba, die vor 61 Jahren
stattgefunden hat. Wir erinnern uns der 750,000 Palästinenser, die 1948
durch Massaker und Krieg vertrieben wurden, gezwungen ihr Land, Hab
und Gut zu verlassen. An die Flüchtlinge, denen von Israel bis heute nicht
erlaubt ist, in ihr Land und zu ihren Häusern zurückzukehren, obwohl
das eine Bedingung der UNO für die Gründung desStaates Israel war –
nämlich: Das Recht auf Rückkehr. Wir denken an die 150.000
Palästinenser, die in dem Teil von Palästina geblieben sind, der am 15.
Mai 1948 Israel geworden ist; tausende wurden Flüchtlinge im eigenen
Land. Wir denken an die über 500 palästinensischen Dörfer, die während
der Nakba und auch später zerstört wurden.

Wir erinnern uns heute der Geschichte der Stadt Tel Aviv und der ethnischen
Säuberungen, die dort im Jahre 1948 stattgefunden haben, an die
Zerstörung von palästinensischen Häusern und Besitztum in der einmal
florierenden palästinensischen Stadt Jaffa, die noch heute andauert und
von keinem unserer Medien erwähnt wird.

Im Jahre 1909 haben sich 66 jüdische Familien an einem Strand nördlich
von Jaffa versammelt um an einer Verlosung von Landparzellen, auf denen
die ersten Häuser gebaut wurden, teilzunehmen. Einige Monate später –
im Jahre 1910 – wurde diese Ausweitung des Hafens von Jaffa Tel Aviv
genannt. Tel Aviv weitete sich aus auf Kosten palästinensisch-arabischer
Dörfer. Ein Teil dieser Stadt steht auf dem Boden von im Jahre 1948
zerstörten Dörfern, deren Bevölkerung der ethnischen Säuberung
zum Opfer fiel.

Das Dorf Scheich Munis: Im Jahre 1944 gab es dort 273 Häuser, 1.930
Einwohner, Landwirtschaft, Plantagen. Im März 1948 wurde dieses Dorf von
jüdischen terroristischen Milizen – den „Lechi“ (sogenannte „Stern Gang“)
eingenommen, deren Führer der spätere israelische Premierminister
Yitzhak Shamir war. Die Einwohner wurden vertrieben und das Dorf von
jüdischen Einwandererfamilien besetzt. Heute steht auf diesem Grund die
Universität von Tel Aviv und das elegante Wohnviertel Ramat Aviv.

Der Fakultäts-Club der Universität Tel Aviv wird „das Grüne Haus“
genannt. Vor 1948 war dieses Gebäude das Haus des Bürgermeisters
des Dorfes Scheich Munis, aber diese Tatsache wird an der Universität
nicht erwähnt. Nach Ilan Pappe ist „das Grüne Haus“ der Inbegriff der
Verdrängung des zionistischen Meisterplans für die ethnische Säuberung
Palästinas, die in Tel Aviv im Roten Haus in der Yarkon Strasse
finalisiert wurde. Erhalten ist noch die Baalbek Moschee. Heute befinden
sich dort das Dolphinarium, Hotels, Büros und das Museum der „Irgun“.

Das Dorf Mantekat Al-Sayadin war ein Fischerdorf an der Mündung des Jarkon
Flusses, im Norden Tel Avivs. Es wurde 1948 zerstört und die Bewohner
vertrieben. Heute steht dort ein Kraftwerk. In der Nähe, nördlich des Hafens
von Tel Aviv, lebte der Beduinenstamm Abu Jabne, der ebenfalls vertrieben
worden ist.

Weitere damals zerstörte Orte:

Das Dorf Samayl: 1870 zum ersten Mal erwähnt. Es gab 187 Häuser, 850
Einwohner, Plantagen, Viehzucht, Handwerk. In März 1948 wurde Samayl
von der Haganah, der Vorläuferin der israelischen Armee, geräumt, die
Bewohner vertrieben. Heute steht auf diesem Grund des Arlosoroff/ Ibn
Gvirol Viertel.

Das Dorf Jammasin al-Gharbi war bereits 1596 in osmanischen Grundbüchern
registriert. Im 18 Jahrhundert gründeten Beduinen aus dem Jordantal das
Dorf neu. Es gab Plantagen und Büffelzucht. Im Januar 1948 wurden die
Einwohner von der Haganah vertrieben. Dieses Dorf lag im Nordosten
Tel Avivs im Bavli Viertel.

Das Dorf Salama wird schon im 16. Jahrhundert erwähnt. Im Jahr 1944
lebten hier 6.670 Einwohner. Aufgrund des Widerstandes 1948 wurde
Salama bombadiert, die Bewohner vertrieben, die übrig gebliebenen
Häuser von jüdischen Familien besetzt. Das Dorf stand südlich vom
heutigen Givatayim und die Ruinen sind heute noch zu sehen.

Das Dorf Al Manshiya bestand Anfang des 19. Jahrhunderts als ethnisch und
religiös gemischtes Viertel. Dort befand sich das erste jüdische Spital.
Im Jahre 1948 wurde dieser Ort besetzt und von der irregulären
rechtsradikalen Miliz, der „Irgun“, zerstört, deren Führer der spätere
Premierminister Menachem Begin war. Die palästinensisch-arabischen
Einwohner wurden vertrieben. Erhalten ist noch die Baalbek Moschee.
Heute befinden sich dort das Dolphinarium, Hotels, Büros und das
Museum der „Irgun“.

Das Dorf Mantekat Al-Sayadin war ein Fischerdorf an der Mündung des Jarkon
Flusses, im Norden Tel Avivs. Es wurde 1948 zerstört und die Bewohner
vertrieben. Heute steht dort ein Kraftwerk. In der Nähe, nördlich des Hafens
von Tel Aviv, lebte der Beduinenstamm Abu Jabne, der ebenfalls vertrieben
worden ist.

Die hier Versammelten protestieren heute nicht nur wegen der
Kriegsverbrechen, die viele Jahre gegen die im Gaza-Streifen
eingeschlossenen Menschen stattgefunden haben, Opfer von unvorstellbarer
Unterdrückung, die von der israelischen Regierung, durch die Armee und
jüdische Siedler ausgeführt wurde.

Wir protestieren auch gegen das Stillschweigen, die Feigheit, den
Opportunismus der Politiker der internationalen Gemeinschaft bezüglich
einer Verurteilung dieser Verbrechen. Wir protestieren gegen die
doppelten Maßstäbe, die für Israelis und Palästinenser gelten: zum
Beispiel was die neu gewählte rechtsextremistische Regierung Israels
betrifft. Sie wird weder boykottiert, noch leidet sie unter Sanktionen.

Die Stadt Wien bietet uns an, Tel Aviv als eine Vergnügungsstätte zu
betrachten und nicht als Hauptstadt des Staates, der Kriegsverbrechen
durch die Militäraggression in Gaza vor nur wenigen Monaten begangen hat.

Besatzung, Zerstörung und Unterdrückung in den besetzten Gebieten halten
an. Die Menschen in Gaza leben immer noch in Ruinen und entbehren wichtigste
Lebensnotwendigkeiten, trotz der Spenderkonferenz, die vor einigen Monaten
stattgefunden hat. So viel ich weiß, ist kein Geld für den Wiederaufbau
bis jetzt freigegeben worden.

Es ist unerlässlich für die Zivilgesellschaft durch Boykott,
Investitionsstopp und Sanktionen gegen dieses Unrecht zu protestieren –
so lange zu protestieren bis auch Palästinenser die Rechte erhalten, wie
sie allen Menschen dieser Erde zugestanden werden müssen – die Rechte
auf Selbstbestimmung und Freiheit. Wir werden die Menschen in Gaza nicht
vergessen und sagen: Gaza muss leben!

(Auch ich nahm an der beeindruckenden Kundgebung am 10.5.09 teil - mit
Transparenten, schwarzen Luftballons, einem Straßentheater und jungen
wie alten Österreichern und Palästinensern. Matthias Reichl)

-- 

Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
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